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Predigt aktuell 2

PREDIGT ZUM 18. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 31. JULI 2011 IN MÜNCHEN FÜRSTENRIED

PREDIGT ZUM 17. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 24. JULI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 16. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 17. JULI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 15. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 10. JULI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 14. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 3. JULI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 13. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 26. JUNI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FRONLEICHNAMSFEST, GEHALTEN AM 23. JUNI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FEST DER ALLERHEILIGSTEN DREIFALTIGKEIT, GEHALTEN AM 19. JUNI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM ZWEITEN PFINGSTFEIERTAG, GEHALTEN AM 13. JUNI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM HOCHHEILIGEN PFINGSTFEST, GEHALTEN AM 12. JUNI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 7. OSTERSONNTAG (6. SONNTAG NACH OSTERN), GEHALTEN AM 5. JUNI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FEST DER HIMMELFAHRT DES HERRN, GEHALTEN AM 2. JUNI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 6. OSTERSONNTAG (5. SONNTAG NACH OSTERN),GEHALTEN AM 29. MAI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 5. OSTERSONNTAG (4. SONNTAG NACH OSTERN), GEHALTEN AM 22. MAI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 4. OSTERSONNTAG (3. SONNTAG NACH OSTERN), GEHALTEN AM 15. MAI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 3. OSTERSONNTAG (2. SONNTAG NACH OSTERN), GEHALTEN AM 8. MAI 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM WEISSENSONNTAG, GEHALTEN AM 1. MAI 2011 IN FREIBURG, ST..MARTIN

PREDIGT ZUM ZWEITEN OSTERTAG (OSTERMONTAG), GEHALTEN AM 25. APRIL 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM HOCHHEILIGEN OSTERFEST, GEHALTEN AM 24. APRIL 2011 AUF DEM SCHAUENBERG IM ELSASS

PREDIGT ZUM GRUENDONNERSTAG, GEHALTEN AM 21. APRIL 2011 AUF DEM SCHAUENBERG IM ELSASS

PREDIGT ZUM PALMSONNTAG, GEHALTEN AM 17. APRIL 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 5. FASTENSONNTAG, GEHALTEN AM 10. APRIL 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 4. FASTENSONNTAG, GEHALTEN AM 3. APRIL 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 3. FASTENSONNTAG, GEHALTEN AM 27. MÄRZ 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 2. FASTENSONNTAG, GEHALTEN AM 20. MÄRZ 2011 IN FREIBURG,
ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 9. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 6. MÄRZ 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 8. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 27. FEBRUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 7. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 20. FEBRUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM  6. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 13. FEBRUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 5. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 6. FEBRUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 4. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 30. JANUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 3. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 23. JANUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 2. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 16. JANUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FEST DER TAUFE DES HERRN, GEHALTEN AM 9. JANUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FEST DER ERSCHEINUNG DES HERRN, GEHALTEN AM 6. JANUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 2. SONNTAG NACH WEIHNACHTEN, GEHALTEN AM 2. JANUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM NEUJAHRSTAG, GEHALTEN AM 1. JANUAR 2011 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FEST DER HEILIGEN FAMILIE, GEHALTEN AM 26. DEZEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM HOCHHEILIGEN WEIHNACHTSFEST, GEHALTEN AN 25. DEZEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 4. ADVENTSSONNTAG, GEHALTEN AM 19. DEZEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 3. ADVENTSSONNTAG, GEHALTEN AM 12. DEZEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 2. ADVENTSSONNTAG, GEHALTEN AM 5. DEZEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 1. ADVENTSSONNTAG, GEHALTEN AM 28. NOVEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM CHRISTKÖNIGSFEST , GEHALTEN AM 21. NOVEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 33. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 14. NOVEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 32. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 7. NOVEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FEST ALLERHEILIGEN, GEHALTEN AM 1. NOVEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 31. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 31. OKTOBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 30. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 24. OKTOBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 29. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 17. OKTOBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 28. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 10. OKTOBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 27. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 3. OKTOBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 26. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 26. SEPTEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 25. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 19. SEPTEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 24. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 12. SEPTEMBER  2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 23. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 5. SEPTEMBER 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 22. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 29. AUGUST 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 21. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 22. AUGUST 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 20. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, ZUM FEST DER LEIBLICHEN AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL, GEHALTEN AM 15. AUGUST 2010
IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 19. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, ERARBEITET FÜR DEN 8. AUGUST 2010

PREDIGT ZUM 18. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 1. AUGUST 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 17. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN IN MÜNCHEN, SCHLOSS FÜRSTENRIED, AM 25. JULI 2010

PREDIGT ZUM 16. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 18. JULI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 15. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 11. JULI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 14. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 4. JULI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 13. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 27. JUNI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 12. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 20. JUNI 2010 IN FREIBURG, ST: MARTIN

PREDIGT ZUM 11. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 13. JUNI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 10. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 6. JUNI 2010
IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM HOCHHEILIGEN FRONLEICHNAMSFEST, GEHALTEN AM 3. JUNI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM HOCHFEST DES GEHEIMNISSES DES DREIFALTIGEN GOTTES, GEHALTEN AM 30. MAI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM PFINGSTMONTAG, GEHALTEN AM 24. MAI 2010 IN
FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM HOCHHEILIGEN PFINGSTFEST, GEHALTEN AM 23. MAI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 7. OSTERSONNTAG (6. SONNTAG NACH OSTERN), GEHALTEN AM 16. MAI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FEST DER HIMMELFAHRT DES HERRN, GEHALTEN AM 13. MAI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 6. OSTERSONNTAG (5. SONNTAG NACH OSTERN), GEHALTEN AM
9. MAI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 5. OSTERSONNTAG (4. SONNTAG NACH OSTERN), GEHALTEN AM
2. MAI 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 4. OSTERSONNTAG (3. SONNTAG NACH OSTERN), GEHALTEN AM 25. APRIL 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 3. OSTERSONNTAG (2. SONNTAG NACH OSTERN), GEHALTEN AM 18. APRIL 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM WEISSENSONNTAG, GEHALTEN AM 11. APRIL 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM OSTERMONTAG, GEHALTEN AM 5. APRIL 2010 IN FREIBURG,
ST. MARTIN

PREDIGT ZUM HOCHHEILIGEN OSTERFEST, GEHALTEN AM 4. APRIL 2010 IN SAINT-MARC/GUEBERSCHWIHR IM ELSASS

PREDIGT ZUM 6. FASTENSONNTAG, PALMSONNTAG, GEHALTEN AM
28. MÄRZ 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 5. FASTENSONNTAG, PASSIONSSONNTAG, GEHALTEN AM
21. MÄRZ 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 4. FASTENSONNTAG, GEHALTEN AM 14. MÄRZ 2010
IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 3. FASTENSONNTAG, GEHALTEN AM 7. MÄRZ 2010
IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 2. FASTENSONNTAG, GEHALTEN AM 28. FEBRUAR 2010
IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 1. FASTENSONNTAG

PREDIGT ZUM 6. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 14. FEBRUAR 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 5. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 7. FEBRUAR 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 4. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 31. JANUAR 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 3. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 24. JANUAR 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 2. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 17. JANUAR 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FEST DER TAUFE DES HERRN, GEHALTEN AM 10. JANUAR 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FEST DER ERSCHEINUNG DES HERRN, GEHALTEN AM 6. JANUAR 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM 2. SONNTAG NACH WEIHNACHTEN, GEHALTEN AM 3. JANUAR 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM NEUJAHRSTAG AM HOCHFEST DER GOTTESMUTTER, GEHALTEN AM 1. JANUAR 2010 IN FREIBURG, ST. MARTIN

PREDIGT ZUM FEST DER HEILIGEN FAMILIE, GEHALTEN IN FREIBURG, ST. MARTIN, AM 27. DEZEMBER 2009

PREDIGT ZUM FEST DES HEILIGEN STEPHANUS AM ZWEITEN WEIHNACHTS-FEIERTAG, GEHALTEN IN FREIBURG, ST. MARTIN, AM 26. DEZEMBER 2009

PREDIGT ZUM HOCHHEILIGEN WEIHNACHTSFEST, GEHALTEN IN FREIBURG, ST. MARTIN, AM 25. DEZEMBER 2009

PREDIGT ZUM 4. ADVENTSSONNTAG, GEHALTEN IN FREIBURG, ST. MARTIN, AM 20. DEZEMBER 2009

PREDIGT ZUM 3. ADVENTSSONNTAG, GEHALTEN IN FREIBURG, ST. MARTIN AM 13. DEZEMBER 2009

PREDIGT ZUM 2. ADVENTSSONNTAG, GEHALTEN IN FREIBURG, ST. MARTIN AM 6. DEZEMBER 2009

 

PREDIGT ZUM 1. ADVENTSSONNTAG, GEHALTEN AM 29. NOVEMBER 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

 „WACHET UND BETET“

Heute beginnt ein neues Jahr des Heiles, ein neues Kirchenjahr. An diesem Sonntag richten die li- turgischen Texte unseren Blick nicht auf den Anfang der Heilsgeschichte, auf die Erschaffung der Welt, die Berufung des Abraham oder das Auftreten des Täufers am Jordan, sondern auf das Ende. Die Zukunft ist das eigentliche Thema dieses Sonntags und der Adventszeit überhaupt, die mit ihm begonnen hat. Der Advent meint weniger den Rückblick als den Ausblick. Von ihm her, von dem Aus- blick her, muss das Leben des Christen eigentlich immer bestimmt sein, in erster Linie. Die Ver- gangenheit liegt fest, die Zukunft ist noch offen. Das Gewesene ist so unverrückbar in seiner Wirk- lichkeit, dass nicht einmal Gott es ungeschehen machen könnte. Die Zukunft hingegen liegt in un- serer Hand, unterliegt weithin unserer Freiheit. Die Gegenwart ist jener Punkt, an dem die Zukunft zur Vergangenheit wird. In der Gegenwart entscheiden wir uns und haben uns damit für alle Zeiten entschieden.

*

Die Botschaft von unserer Zukunft als Christen hat zwei Aspekte, sie spricht nämlich vom Unter- gang und vom neuen Aufgang, vom Gericht und von der Erlösung, vom Ende und vom Anfang. Da- her ist unsere Zukunft geprägt von der Angst und von der Hoffnung.

Da ist im Evangelium des heutigen Sonntags von dem Rauschen des Meeres und der Fluten und von der Erschütterung der Kräfte des Himmels die Rede. Das meint, dass die Ordnung der Naturge- walten durcheinander gerät, dass Naturkatastrophen einander ablösen, dass das eine Unglück Vorbote eines neuen und größeren sein, dass der Zusammenbruch nicht in einem Augenblick erfol- gen wird.

Daher werden die Menschen vor Angst vergehen. Wir sagen mit Recht: Ich sterbe vor Angst. Das ist das Äußerste, der Gipfel der Angst, die über uns kommen kann. Wer hat das nicht schon irgendwie erlebt? Bestimmt nicht schon heute die Angst das Leben der Menschen, vieler Menschen, hinter- gründig gesehen? Tiefsinnig sprechen wir von einer Heidenangst.

Die Auflösung der kosmischen Schrecken aber erfolgt durch das Zeichen des Menschensohnes am Himmel. Es kündigt den Gerechten die Vollendung der Erlösung an: „Erhebet eure Häupter, denn es naht eure Erlösung“. Die Zerstörung der alten Welt ist die Voraussetzung für den Aufbau der neuen, das Ende ist eigentlich Anfang, der Zusammenbruch ist Verwandlung. Dabei können die Gerechten mit hoffnungsfroher Zuversicht den letzten Dingen entgegengehen. Sie brauchen keine Angst zu haben bei den Geburtswehen jener neuen Welt, die ihnen verheißen ist.

Aber, wann gehören wir zu jenen Gerechten? Wann brauchen wir keine Angst zu haben? Dass wir zu ihnen gehören, darauf kommt es an. Nicht gehören wir zu ihnen, wenn wir selbstgerecht sind. Das Zeichen des Menschensohnes ist für viele sicherlich der größte aller Schrecken. Hoffnung kön- nen wir nur haben, wenn wir wachen und beten. Nur dann können wir vor dem Menschensohn be- stehen.

Nicht wachsam ist, wer sein Herz beschwert durch Ausschweifung, durch Völlerei - das meint zu viel essen - und durch Trinkgelage und durch die Sorgen des Lebens. So sagt es der Römerbrief (Rö 13, 13). Wachsamkeit bedeutet also: ein zuchtvolles Leben führen, innere Ordnung zu schaffen und sich nicht der menschlichen Triebhaftigkeit auszuliefern, sich an Gott orientieren in seinem Leben. Dazu gehört die Übung des Verzichtes - wir sprechen hier von der Askese -, des Verzichtes auf Erlaubtes, damit man der Faszination des Unerlaubten widerstehen kann, damit man der ver- führerischen Kraft des Bösen nicht erliegt. Auf Erlaubtes verzichten, damit man verzichten kann, wenn es zur strengen Forderung Gottes wird, das ist von grundlegender Bedeutung für die Erzie- hung unserer Kinder, aber nicht weniger für die Selbsterziehung eines jeden Menschen. Wir füh- ren ein zuchtvolles Leben als Ausdruck unserer Liebe zu Gott. Die Liebe zu Gott, sie hat keinen Be- stand, und sie kann nicht wachsen ohne die Übung des Verzichtes.

Der Verzicht schenkt uns immer neu die Erfahrung der inneren Freiheit, jenes Glück, das aus der Selbstüberwindung hervorgeht. Die wahre Selbstverwirklichung ist die Selbstbeherrschung. Heute ist sie wichtiger denn je, da so viele Menschen, auch Christen, meinen, sie fänden das Glück in der augenblicklichen Erfüllung ihrer Wünsche und da für so viele das Genießen der entscheidende In- halt ihres Lebens geworden ist.

Zur Wachsamkeit muss das Gebet hinzutreten. Damit ist die Ausrichtung des Lebens auf Gott ge- meint. Das Gebet schenkt uns Besonnenheit und Mut im geistigen und religiösen Chaos unserer Zeit. Es ist kein Geheimnis, dass immer weniger gebetet wird, dass die Krise des Glaubens und die Krise der Moral, die aus der Krise des Glaubens folgt, in erster Linie eine Krise des Gebetes ist. Das Bemühen um das Gebet muss allem Bemühen um die Askese, allem Bemühen um den Verzicht, vorausgehen. Nichts wird uns letztlich gelingen ohne das Gebet. Ohne das Gebet geht alles „den Bach hinunter“.

Was das Gebet verhindert, das sind die zahllosen Zerstreuungen unseres Alltags, das ist vor allem das Fernsehen. Gerade das Letztere zerstört unser inneres Leben, sofern es uns viel kostbare Zeit raubt, vor allem aber auch sofern es uns das Wohlbehagen einer Welt ohne Gott vorgaukelt und uns ganz an diese immanente Welt bindet, uns so das Gefühl vermittelt, als sei das schon alles. Da kommt die Religion im Allgemeinen nicht vor oder nur in negativer Darstellung.

Der Verzicht auf das Fernsehen oder wenigstens die maßvolle Benutzung dieses Mediums dient unserer Selbstzucht, es schafft in uns Raum für Gott und zugleich für das Miteinander, sofern man dann nicht mehr gemeinsam auf den Bildschirm schaut, sondern sich einander zuwendet, in der Familie, sich gegenseitig wieder anschaut, wieder miteinander spricht und wieder miteinander et- was tut. Dann gewinnt man auch Zeit, viel Zeit für das Gebet, für das Gebet allein und für das Ge- bet miteinander, für das Gebet in der Familie oder für das Gebet zusammen mit dem Ehepartner. 

*

Die Angst prägt unsere Zeit. Das muss nicht so sein. Die Hoffnung kann an ihre Stelle treten. Unsere Zukunft ist in Gottes Hand, vorausgesetzt - das muss man schon hinzufügen, damit nicht eine ober- flächliche Redensart daraus wird -, vorausgesetzt, dass wir wachen und beten. Gott wird unserem Raum und unserer Zeit ein Ende bereiten. Er wird die Welt verwandeln. Diese Verwandlung be- ginnt bereits im zentralen Kult der Kirche, in der Feier des Todes und der Auferstehung Christi, in der Feier der heiligen Messe. In ihr werden gleichsam die Endereignisse vorweggenommen. Vor allem ist es die Wiederkunft Christi, die hier vorweggenommen wird. Wenn wir die heilige Messe so oft mitfeiern, wie es möglich ist, im rechten Geist, und dabei ganz in ihre Geheimnishaftigkeit eingehen, dann wissen wir, was die Mahnung Jesu bedeutet „wachet und betet“, und dann wer- den wir uns jeden Tag bemühen, aus ihr heraus zu leben. Amen.

 

PREDIGT ZUM CHRISTKÖNIGSFEST, GEHALTEN AM 22. NOVEMBER 2009
IN FREIBURG, ST, MARTIN

„EIN REICH DER WAHRHEIT UND DES LEBENS, DER HEILIGKEIT UND DER GNADE,
DER GERECHTIGKEIT, DER LIEBE UND DES FRIEDENS“

Das Christkönigsfest ist noch nicht einmal 100 Jahre alt, seit dem Jahre 1925 feiern wir es in der Kirche, früher am letzten Sonntag im Oktober, heute am letzten Sonntag des Kirchen- jahres. Das Geheimnis, das in dieser Feier begangen wird, ist jedoch alt, es reicht zurück in die Entstehung der Kirche, in die Zeit, in der Evangelien aufgeschrieben wurden. Schon da erfahren wir, dass Christus ein König ist, zwar ausdrücklich im Munde Jesu nur einmal, im Johannes-Evangelium, wie wir es soeben vernommen haben, aber das Königtum Christi ist die Grundmelodie aller Evangelien, die Grundmelodie der Verkündigung Jesu, wenn er im- mer wieder von der Königsherrschaft Gottes spricht, die mit seinem Kommen angebrochen ist.

Das Königtum Christi ist schon in seinem Messias-Namen angedeutet. Denn der Messias ist der Gesalbte. Das griechische Wort für das hebräische Wort Messias ist Christus. Als Gesalb- te bezeichnete man in alter Zeit die Könige und die Priester. Diese waren aber in der Regel verschiedene Personen. Das Zusammenfallen dieser beiden Ämter empfand man jedoch als Ideal. So war es auch in Israel. Dort war dieses Zusammenfallen der Gegenstand einer gro- ßen Hoffnung. In Jesus von Nazareth erfüllte sie sich. Seit eh und je galt aber auch Gott in Israel als König. Von diesem Königtum ist immer wieder in den Psalmen die Rede. Daher dürfen wir davon ausgehen, dass Jesus, wenn er sich vor Pilatus als König bekennt und sein Königtum dort als weltjenseitig bezeichnet, auf seine Gottheit anspielt.

Für uns ergeben sich daraus drei Fragen, die im Grunde das Gleiche meinen: Wie sollen wir das Königtum Christi im Einzelnen verstehen? Was hat es auf sich mit dem Reich, in dem Christus seine Königsherrschaft entfaltet? Handelt es sich bei dem Königtum Christi nur um eine bildhafte, um eine metaphorische Redeweise, oder liegt dem eine Wirklichkeit zu- grunde?

*

Im Ursinn des Wortes heißt König sein nicht von Volkes Gnaden, sondern von Geburt oder auch von Gottes Gnaden regieren und herrschen. In diesem Sinne wird man nicht ein Kö- nig, sondern ist man es. Das Königsein ist in solchem Verständnis nicht eine Funktion, sondern eine Wirklichkeit. Ein solcher König übt keinen Zwang aus, ihm unterwirft man sich, ihm muss man sich in letzter Freiheit unterwerfen, zum eigenen Wohl.

Die christliche Kunst stellt den König Christus gern dar als den auf den Wolken Thronen- den, als den Wiederkommenden, als den Weltenrichter. Sie will auf diese Weise darauf hin- deuten, dass die Macht Christi, die in dieser Welt verborgen ist, am Ende der Welt hervor- treten wird.

Die verborgene Macht Christi wird jedoch schon heute erkennbar, dort, wo er wirkt in sei- nem Wort und in den Sakramenten der Kirche, wo immer sie gläubig gefeiert werden. Sie wird schon heute dort erfahrbar, die verborgene Macht Christi, wo Gott die Herzen der Men- schen verwandelt und wo wir dem Phänomen des Heiligen in dieser Welt begegnen, wenn auch, von außen her betrachtet, in Ohnmacht und Schwachheit. In jedem Fall kommt die Macht Christi am Ende zum strahlenden Durchbruch. Dann kann sich ihr niemand mehr widersetzen.

Dass wir schon heute das verborgene Königtum Christi erkennen und dass wir es anerken- nen, das ist für uns alle, für einen jeden von uns, eine Schicksalsfrage.

Faktisch ist es so, wenn wir sagen: Christus ist der König der Welt, dann bedeutet das soviel wie: Er ist der Sohn des ewigen Gottes, er ist der Erhabene, er hat in allem den Vorrang, er steht neben Gott, er ist Gott selber, durch ihn ist alles geschaffen, in ihm, für ihn und auf ihn hin. Er ist der Weg zu Gott, weil er uns erlöst, weil er uns mit Gott versöhnt hat. Er ist die Mitte unseres Lebens und zugleich das Ziel, die Mitte der Welt und das Ziel der Geschichte. Er unterwirft sich nicht die Menschen, und er baut sein Königreich nicht mit Gewalt, sondern die Menschen unterwerfen sich ihm in Freiheit, und so finden sie das Heil, das weltjensei- tige Heil.

Viele stellen sich heute gegen das Königtum Christi, machen es ihm streitig, außerhalb der Christenheit, aber auch innerhalb ihrer. Der wahre König des Himmels und der Erde, er hat viele Konkurrenten, etwa in der Gestalt der Religionsstifter der Geschichte bis hin zu den Gurus unserer Tage. Konkurrenz machen ihm aber auch die säkularisierten Propheten der Jahrhunderte bis hin zu Karl Marx, die Menschheitsbeglücker, die freilich immer neues Elend heraufbeschworen haben über die Menschen bis in unsere Tage. Konkurrenten hat Christus heute auch in jenen Christen, die ihn nur mit Worten bekennen, in Wirklichkeit aber das irdische Wohlergehen zur Mitte und zum Ziel ihres Lebens erklärt haben, das irdi- sche Wohlergehen, das Geld, den Besitz, die Ehre bei den Menschen, die Macht und den Genuss. Überall da erhebt man sich über den König des Himmels und der Erde, unterwirft man sich ihm nicht mehr und verrät man ihn. Verraten wird er aber auch da, wo wir der Welt gleichförmig werden, statt ihm gleichförmig zu werden, wo wir nicht den Mut auf- bringen, der Welt entgegenzutreten, wo wir Christus sagen, aber den Antichristus meinen, wo wir das Wort Christi verfälschen, wo wir uns ein bequemes Leben machen und die Welt zum Teufel gehen lassen, wo wir nur „Herr, Herr“ sagen, das heißt, wo wir nur beten, aber den Willen Gottes nicht erfüllen.

Es gilt, dass wir uns dem König Christus unterwerfen und dass wir das verborgene König- tum Christi in unserem Leben und damit in dieser Welt sichtbar machen. Dass wir uns darum bemühen, davon hängt unsere ganze Ewigkeit ab.

Dem verborgenen Königtum Christi entspricht sein verborgenes Königreich. Wo immer Menschen Christi Königtum sichtbar machen, da bauen sie sein Reich in der Welt. Es ist ein Reich der Wahrheit und des Lebens. Das heißt: In ihm gibt es keine Lüge und keinen Tod. Es ist ein Reich der Heiligkeit und der Gnade. Das heißt: In ihm gilt das Gute, sofern es hervorgeht aus der Gemeinschaft des Menschen mit Gott und aus der Gemeinschaft Gottes mit dem Menschen. Es ist ein Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. Das heißt: In ihm wird alle Ungerechtigkeit und wird aller Krieg überwunden durch die Ge- rechtigkeit und durch die Liebe, wobei die Liebe gewissermaßen noch einen Schritt wei- tergeht als die Gerechtigkeit. Im Königreich Christi geht es um die Gerechtigkeit und die Liebe für alle, ob sie nah sind oder fern, ob sie Freunde sind oder Feinde.

Christus hat dieses Reich zum Hauptgegenstand seiner Verkündigung gemacht. Es wird be- stimmt durch Wahrheit, Leben, Heiligkeit, Gnade, Gerechtigkeit, Liebe und Frieden. Das Tor, das uns Eintritt verschafft zu diesem Reich, ist die Umkehr. Wir sollen es sichtbar ma- chen in der Welt durch unsere Unterwerfung unter Christus, den König, durch unsere Orien- tierung an seinem Wort, im Gehorsam nicht gegenüber irdischen Mächten, sondern gegen- über Gott, indem wir für Christus und für die Ewigkeit leben, indem wir bemüht sind, nicht Menschen zu gefallen, sondern Gott. Das aber muss geschehen - und nur so kann es ge- schehen - in der Hoffnung auf die Herrlichkeit Christi, die einst hereinbrechen wird in diese unsere Welt.

*

Wenn wir sagen, Christus ist ein König, so meinen wir damit: Er ist der Größte, er ist Gott, er herrscht als der verborgene König der Welt, er wird einmal seine Feinde zunichte machen und seine Macht der Welt kundtun. Christi Königtum meint seine Herrschaft über unsere Herzen, über unser Denken und Wollen. Die Unterwerfung unter ihn ist für uns eine Schick- salsfrage. Wo immer wir die Gesetze seines Reiches erfüllen, machen wir sein Königtum sichtbar, bauen wir sein Reich in der Welt und bereiten wir uns und die Welt damit für die letzten Dinge, in deren Mittelpunkt das Endgericht, unsere Rechenschaft vor Gott und vor der Ewigkeit, steht. Dieses wird ein Gericht der Gnade für uns, wenn wir Gottes Stimme ver- nehmen und täglich umkehren zur Wahrheit und zum Leben, zur Heiligkeit und zur Gnade, zur Gerechtigkeit, zur Liebe und zum Frieden. Amen.

 

PREDIGT ZUM 33. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 15. NOVEMBER 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„ER WIRD SEINE ENGEL AUSSENDEN, UND SIE WERDEN DIE ERLÖSTEN
SAMMELN VON ALLEN VIER WINDEN“

Das Evangelium des heutigen Sonntags enthält zwei bewegende Gedanken, die Vergäng- lichkeit der Welt und die Unvergänglichkeit Gottes und seines Wortes. Es erinnert uns dar- an, dass wir in die Spannung zwischen der Vergänglichkeit und der Unvergänglichkeit hin- eingestellt sind, dass wir beheimatet sind im Diesseits und im Jenseits, dass wir vergäng- lich sind und doch für die Ewigkeit bestimmt sind. Das eine wissen wir, dass wir vergäng- lich sind, weil wir es Tag für Tag erfahren, wenn wir nicht die Augen davor verschließen, das andere glauben wir, dass wir für die Ewigkeit bestimmt sind, weil Gott es uns mitge- teilt hat in seiner Offenbarung. Um es genauer zu sagen: Auch das andere wissen wir, zum Teil, denn dass es eine Ewigkeit gibt, die der tragende Grund der Zeit ist, das sagt uns schon die Vernunft. Das Gewordene setzt das Ungewordene voraus, das nicht notwendig Existierende setzt das notwendig Existierende voraus. Und unsere Seele, das Prinzip un- seres Menschseins, kann nicht sterben. Was wir von dieser Ewigkeit glauben, das ist die Tatsache, dass Gott uns in ihr unvorstellbar glücklich machen will, dass wir ihn in ihr in ewiger Glückseligkeit schauen sollen in nie endender Gemeinschaft.

Wir stehen zwischen der Zeit und der Ewigkeit gleichsam als Wanderer zwischen zwei Welten. Dabei kommen wir von Gott und gehen wir zu ihm, dank seiner Liebe. Der Schöp- fergott hat uns in der Erlösung zur ewigen Gemeinschaft mit ihm berufen und ausgestattet. Wir leben in der Zeit, das Ziel unseres Lebens aber ist die Ewigkeit bei Gott. Das ist das größte Geschenk, das Gott uns hat zuteil werden lassen, das zugleich aber die größte Auf- gabe ist, die wir in unserem Leben zu erfüllen haben, die Aufgabe, dass wir für die Ewig- keit leben. Denn das Ziel, zu dem Gott uns berufen hat und wofür er uns ausgestattet hat, können wir nur erreichen, wenn wir uns in der Zeit dafür bereiten durch ein Leben aus dem Glauben, durch unsere Treue im Gebet und im Dienst vor Gott und vor den Men- schen. Es gilt, dass wir das Leben der Gnade, das uns in der Taufe geschenkt worden ist, dass wir es bewahren und vertiefen.

Der doppelte Ausgang der Geschichte ist eine elementare Wahrheit unseres Glaubens. Er betrifft die Geschichte des je Einzelnen wie auch die Geschichte der Menschheit als Gan- zer. Diese Wahrheit wird heute aber, wie fast alles, was uns der Glaube lehrt, häufiger in Frage gestellt. Das geht nach dem Schema: Was ich nicht verstehe, das gibt es nicht.

Allgemein führt das dazu, dass sich heute viele, allzu viele ihren Glauben zurechtmachen, wie es ihnen gefällt. Sie selektieren und werfen das weg, was sie nicht gebrauchen kön- nen. Eine solche Auswahl ist allerdings die Vorstufe einer vollständigen Distanzierung vom Glauben. Das müssen wir wissen. Soweit das in der Theologie geschieht, und da geschieht es allzu häufig, gräbt sich diese selber ihr Grab.

Die Verfälschung des Glaubens, das ist die große Sünde unserer Zeit. Sie erfolgt heute auf vielen Ebenen. Gern bezeichnet man das dann mit einem gelehrten Ausdruck als Neuinter- pretation. Ist solche Selektion oder Neuinterpretation auf Dummheit und Ignoranz zurück- zuführen, kann sie nicht als Schuld angerechnet werden, denn für das, was man nicht weiß, kann man nicht bestraft werden. Aber die Sache ist ein wenig komplizierter. Oft ist es nämlich so, dass Dummheit und Ignoranz aus der Sünde hervorgehen, und ebenso oft ist es umgekehrt so, dass die Dummheit und Ignoranz die Sünde hervorbringen. 

Im Markus-Evangelium heißt es unmissverständlich: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden, wer nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk 16, 16), am Ende des Mar- kus-Eangeliums, das heißt: Der Evangelist versteht diese Aussage Jesu als eine besonders markante. Zum Glauben, der rechtfertigt, muss natürlich das Leben aus dem Glauben hin- zukommen. Das ist hier zu ergänzen. Was das im Einzelnen bedeutet, das sagt uns die Kirche, der Gott seine Offenbarung anvertraut hat.

Einmal heißt es in den Reden Jesu: „Es kommt die Nacht, da niemand mehr wirken kann“ (Joh 9, 4). Und Paulus ermahnt die Philipper und mit ihnen uns alle mit den Worten: „Wirkt euer Heil mit Furcht und Zittern“ (Phil 2, 12). Diese Paulus-Stelle verstehen wir nur recht, wenn wir sie um jenes andere Schriftwort ergänzen, das da lautet: „Die Liebe vertreibt die Furcht“ (1 Joh 4, 18).

Ehern ist das Christus-Wort des Matthäus-Evangeliums: „Tretet ein durch die enge Pforte, denn breit ist der Weg, der ins Verderben führt“. Christus fügt an dieser Stelle noch hinzu: „… und viele sind es, die ihn gehen (Mt 7, 13).

Gott fordert uns, aber er überfordert uns nicht. Dabei respektiert er unsere Freiheit, die ein Geschenk seiner Liebe ist, unterstützt uns jedoch durch seine Gnade, dass wir das Gute wählen und darin ausharren.

Gott ist gerecht: Wem viel gegeben ist, von dem verlangt er auch viel. Darauf verweist Christus im Gleichnis von den Talenten (Mt 25, 15). Gott ist nicht nur gerecht, sondern er ist die Gerechtigkeit in Person.

Kardinal Newman (+ 1890), einer der bedeutendsten Theologen des 19. Jahrhunderts sagt einmal über das Amt des Predigers: „Sein ganzes Tun ist dazu bestimmt, die Menschen daran zu erinnern, dass die Zeit kurz, der Tod gewiss und die Ewigkeit lang ist“ (Predigten, VIII, Stuttgart 1956, 150). Davon ist die gegenwärtige Verkündigung der Kirche weit ent- fernt. Weithin erschöpft sie sich in unernster Plauderei. Vor allem bleibt sie dabei ganz im Horizontalen.

Beim Weltgericht gibt es nur noch zwei Möglichkeiten. Die einen werden das ewige Leben erlangen, die anderen die ewige Strafe (Mt 25, 46). Vorher, bis dahin, gibt es noch eine dritte Möglichkeit, die Läuterung, wir sprechen hier gewöhnlich vom Fegfeuer oder ein- fach vom Reinigungsort, vom Purgatorium. Die Läuterung der Seelen ermöglicht uns das Gebet für die Verstorbenen, das ohne sie sinnlos wäre.

Gott kennt die geheimsten Gedanken der Menschen. Deshalb tut er keinem Menschen Un- recht, wenn er sich für immer von ihm trennt. Weil wir in unserer Begrenztheit nur von außen her urteilen können, deswegen lautet das Urteil Gottes oftmals ganz anders als das Unsere. Er weiß um die begrenzte Einsicht der Menschen und um ihre innere Unfreiheit, er weiß aber auch um die Abgründe des menschlichen Herzens. Deshalb können wir auch Hoffnung haben für jene, die ein Leben ohne Gott und in der Sünde geführt haben und auch für sie beten.

Feststeht indessen, dass es kein Heil für den Menschen gibt ohne die Bekehrung, die aber muss vor dem Tod erfolgen. Wer sich von Gott trennt mit der nötigen Einsicht und Freiheit und in dieser Haltung bis zum Tod verharrt - das muss nicht in Worten geschehen, das kann auch in Taten zum Ausdruck kommen, und so ist es für gewöhnlich -, für den gibt es keine Rettung, von dem trennt auch Gott sich, und zwar für immer. Im Grunde ist es so, dass, wenn wir in unserer Erdenzeit das Ziel nicht erreichen, von dem Gott will, dass wir es erreichen, nicht Gott uns verurteilt, sondern dass wir selber es tun.

Wer meint, Gottes Liebe müsse so verstanden werden, dass er niemanden verloren gehen lasse, der hat zum einen ein kindliches Gottesbild, und zum anderen weiß er nicht um das Geheimnis der Sünde und der Bosheit.

Das Böse begegnet uns in solcher Mächtigkeit in unserer Welt, dass hier alle irdischen Ka- tegorien versagen. Das gilt nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen. Schon in dieser Welt ist die Sünde in ihrer Abgründigkeit immer wieder die Quelle unsagbarer Leiden für jene, die von ihr betroffen sind, aber immer wieder auch für die Sünder selber. Und in seinem Stolz geht der Mensch oftmals so weit, dass er sich nicht scheut, „alles auf eine Karte zu setzen“.

*

Im Evangelium des heutigen Sonntags verkündet Christus die Vergänglich-keit der Welt und damit auch unsere persönliche Vergänglichkeit mit großer Eindringlichkeit. Wir alle sind berufen, an der ewigen Seligkeit Gottes teilzuhaben. Dafür müssen wir uns jedoch be- währen. Das ewige Leben fällt uns nicht in den Schoß. Seine Alternative ist indessen das ewige Verderben. Diese brauchen wir nicht zu fürchten, wenn wir uns ernsthaft bemühen, das göttliche Leben in uns zu bewahren und zu vertiefen. Wir gehen dem Gericht Gottes entgegen, ein jeder von uns, aber dieses braucht uns keine Furcht einzuflößen, wenn wir uns ehrlich bemühen um den Willen Gottes, wenn wir beten und wenn wir uns in dieser Welt als Zeugen Gottes  und seines Wortes verstehen. Amen.

 

PREDIGT ZUM 32. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 8. NOVEMBER 2009 IN FREIBURG, ST. MARTIN            

„WAHRLICH ICH SAGE EUCH, DIESE ARME WITWE HAT MEHR HINEINGELEGT
IN DEN OPFERKASTEN ALS ALLE ANDEREN“

Das Evangelium des heutigen Sonntags besteht aus zwei Teilen, die aufeinander hinge- ordnet sind: Im ersten Teil prangert Jesus den Lebenswandel der Schriftgelehrten an, die zum größten Teil der Partei der Pharisäer angehörten, ihre Eitelkeit, ihre Habgier und ihre Heuchelei und Scheinheiligkeit, und im zweiten Teil lobt er die Gesinnung einer armen Witwe. Er stellt der Scheinfrömmigkeit der angesehenen Schriftgelehrten, die den Witwen ihren kärglichen Besitz wegnehmen, den Opfersinn einer einfachen und namenlosen Frau entgegen. Damit rechtfertigt er nicht die Ersteren, sondern jene, die nicht viel haben und die nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, vorausgesetzt, dass sie ihr Schicksal demütig tragen und dass sie nicht jene beneiden, die reich sind und von den Menschen geehrt werden, sondern auf Gott und die Ewigkeit bauen. Und ein Weiteres sagt uns dieses Evangelium: Wichtiger als die Gabe ist die Gesinnung, in der die Gabe gegeben wird. Wird sie nicht aus Liebe zu Gott gegeben, ist sie wertlos und wäre ihr materieller Wert noch so groß. Wie so oft, zeigt sich auch hier, dass Gott andere Maßstäbe hat als die Men- schen sie haben. Damit legt uns das Evangelium zwei Gedanken vor, bei denen wir heute morgen ein wenig verweilen wollen: Gott bevorzugt die Armen und die Verachteten, und er sieht auf die innere Gesinnung des Menschen.

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Oft wird den Vertretern der Kirche heute vorgeworfen, sie hielten es mit den Reichen und mit den Angesehenen. Ganz falsch ist der Vorwurf nicht. Sie entfernen sich damit jedoch von dem, in dessen Dienst sie stehen. Dieser Versuchung erliegen sie dann, wenn sie Funktionäre werden in ihrer Gesinnung, wenn das innere Leben ihnen fremd wird, wenn sie auf Besitz und auf Ansehen und Ehre bei den Menschen setzen und wenn die Eitelkeit Macht über sie gewinnt. Das Herz Jesu und das Herz Gottes gehört, wenn ich so sprechen darf, in erster Linie den Armen und den Verachteten. Bei ihnen ist die Ehrlichkeit eher ge- geben als bei denen, die an der Sonnenseite des Lebens angesiedelt sind, weil sie dank ihres Schicksals eher ihre Hoffnung auf Gott und auf die Ewigkeit richten und weil sie ihr Vertrauen eher auf die jenseitigen Güter und auf die jenseitige Gerechtigkeit setzen, als die anderen es tun. Das ist jedoch nicht immer so, denn es gibt Arme, die verhinderte Rei- che sind, wie es auch Reiche gibt, die verhinderte Arme sind. Das heißt: Es gibt Wohlha- bende, die nicht an ihren Gütern hängen und die viel Gutes tun mit ihnen, und Arme, die sich geradezu verzehren im Streben nach den Gütern dieser Welt. Und Eitelkeit und Gel- tungssucht gibt es nicht nur bei denen, die mit Ehre und Ansehen bei den Menschen ge- segnet sind, sondern auch bei jenen, die wenig Anerkennung finden bei den Menschen.

Gott liebt in erster Linie jene, die nichts gelten in dieser Welt, die nicht mit den Gütern dieser Welt gesegnet sind und nicht geliebt werden in dieser Welt, Gott stellt die Maßstäbe der Menschen oft auf den Kopf. Was in der Welt glänzt, das ist oft billiges Metall vor Gott, was die Menschen für wertvoll halten, das zählt oft nicht vor Gott, und was vor Gott zählt, das wird oft von den Menschen nicht beachtet. Darum werden, so drückt es Jesus einmal aus, am Ende, bei der Endabrechnung, „die Ersten die Letzten und die Letzten die Ersten sein“ (Lk 13, 30).

Maria, die Mutter Jesu, die auch unsere Mutter ist, singt im Magnificat: „Er (Gott) hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Geringen erhöht“ (Lk 1, 52). Das hat er nicht nur ge- tan, das tut er auch in der Gegenwart und das tut er auch in der Zukunft. Auch Paulus be- singt die Vorliebe Gottes für die Armen und Verachteten wenn er feststellt: „Was nichts gilt vor der Welt, das hat Gott erwählt, um das, was vor der Welt etwas gilt, zunichte zu ma- chen“ (1 Kor 1, 28).

Wenn es so ist, dann müssen wir uns bemühen um die Gesinnung der Armen und Verach- teten, um die Gesinnung derer, die am vergangenen Sonntag am Allerheiligenfest im Evangelium die Armen im Geiste genannt wurden. Ja, unsere ganze Sorge muss sich eigentlich darauf richten, dass wir Gott die Ehre geben und darauf, dass wir die Menschen nach den Maßstäben Gottes beurteilen.

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Gott sieht auf die Gesinnung der Menschen, das ist der zweite Gedanke, den das Evange- lium des heutigen Sonntags uns nahe legt. Das Opfer der Witwe wird von Jesus deshalb so hoch eingeschätzt, weil es Ausdruck ihrer Hingabe, ihrer Ganzhingabe an Gott ist. Dadurch unterscheidet sie sich in ihrer Frömmigkeit von der Scheinfrömmigkeit der Schriftgelehr- ten. In ihrer grundsätzlichen Ehrlichkeit gibt sie ohne Hintergedanken. Sie will keinen ir- dischen Lohn für ihre Gabe. Ihre Motivation ist absolut rein und lauter. Ihre äußeres Opfer ist ganz und gar Ausdruck ihrer inneren Hingabe. Sie gibt alles hin, was sie hat, genauer: alles, wovon sie an diesem Tag leben soll, während die anderen das geben, was sie ent- behren können.

Anders ist das bei den Reichen, die zwar große Gaben in den Opferstock werfen, die das aber tun, um gesehen zu werden und vielleicht auch, um sich den Himmel zu kaufen. Auf jeden Fall sehen sie dabei auf die eigene Person und nicht auf Gott.

Zu ihnen gehören all jene, deren Opfer im Dienste ihrer Anerkennung vor den Menschen stehen. Zu ihnen gehören aber auch all jene, deren religiöse Übungen veräußerlicht sind. Die Ehrlichkeit vor Gott und die Verinnerlichung der Religion sind ein Grundanliegen Jesu in seiner Verkündigung. Darum geht es ihm immer in den Mahnungen, die er den Schrift- gelehrten und den Pharisäern erteilt.

Das äußere Opfer zählt nicht, wenn es nicht der Spiegel der inneren Opfergesinnung ist, selbst wenn man damit ganze Kirchen bauen kann. Darum müssen Almosen und andere fromme Leistungen immer der Größe des Besitzes entsprechen.

Das äußere Gebet ist vergeblich, wenn es nicht ein Ausdruck des inneren Gebetes ist. Men- schen kann man täuschen, Gott aber nicht. Äußere Opfer und äußere Taten sind nicht überflüssig, aber ihr Wert bemisst sich von der inneren Gesinnung her,  von der Ehrlichkeit her, in der wir unsere Gaben und uns selber Gott und den Menschen übergeben.

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Das Evangelium des heutigen Sonntags warnt uns davor, dass wir auf der Seite der phari- säischen Schriftgelehrten stehen. Die Versuchung, es ihnen gleich zu tun, ist nicht gering. Das Herz Gottes und Jesu gehört - so erfahren wir es im Evangelium des heutigen Sonn- tags - in erster Linie den Armen und den Verachteten. Gewiss, es gehört auch den ande- ren, es gehört allen, aber in erster Linie denen, die an der Schattenseite dieses Lebens an- gesiedelt sind. Gott hat andere Maßstäbe als die Menschen sie haben. Dabei  kommt es ihm in erster Linie auf die innere Gesinnung an, wie sie uns idealer Weise in der armen, unbeachteten und namenlosen Witwe begegnet. Was sie auszeichnet, das ist zum einen ihre Ehrlichkeit, zum anderen ihre Demut. Treffend sagt der Pfarrer von Ars in seiner Originalität: Was der Teufel am meisten fürchtet, das ist die Demut (Hans-Albert Reul, Wie lebt der Christ? Goldene Worte des heiligen Pfarrers von Ars, Tengen 2, o. J., 14). Die gute Tat der armen Witwe ist der Spiegel ihrer lauteren Gesinnung, und sie sucht nicht die Ehre bei den Menschen. Ihre Gesinnung müssen wir uns zu Eigen machen, indem wir uns be- mühen, unser Leben und unsere Welt mit den Augen Gottes zu betrachten. Amen.

 

PREDIGT ZUM ALLERHEILIGENFEST, GEHALTEN AM 1. NOVEMBER 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„ICH SAH EINE GROSSE SCHAR AUS ALLEN VÖLKERN, STÄMMEN
NATIONEN UND SPRACHEN“

Im Credo bekennen wir uns zur Gemeinschaft der Heiligen. Damit ist die umfassende Ge- meinschaft der Erlösten gemeint, die Gemeinschaft derer, die Anteil haben an der heili- genden Erlösung Jesu Christi. Dazu gehören die Vollendeten des Himmels die das Ziel er- reicht haben, dazu gehören die, die zwar diese unsere Welt verlassen haben, aber noch der Läuterung bedürfen im Jenseits, dazu gehören endlich wir, die wir noch auf dem Weg sind, die wir zwar alles gewinnen sollen, aber auch alles verlieren können, die wir zwar durch die Sakramente der Kirche geheiligt sind, die aber diesen Schatz in irdenen das heißt zerbrechlichen Gefäßen tragen (2 Kor 4, 7). Mit uns auf dem Wege sind alle die, die nicht zur sichtbaren Kirche gehören, aber ehrlich an Christus, den Erlöser, glauben, sowie all jene, die Christus nicht kennen, aber in gutem Glauben Gott suchen. Ehrlich an Chri- stus, den Erlöser, glauben und in gutem Glauben Gott suchen: Es gibt viel Unwahrhaftig- keit, Unehrlichkeit, Verstellung und Lüge, speziell im Bereich des Religiösen, zuweilen nicht allein vor den Menschen, sondern auch vor Gott. Unter diesem Aspekt sagt der heili- ge Augustinus (+ 430): Es gibt viele, die drinnen sind, aber in Wirklichkeit draußen sind, und es gibt viele, die draußen sind, in Wirklichkeit aber drinnen sind.

Die Gemeinschaft der Heiligen umfasst die streitende, die leidende und die triumphieren- de Kirche. So sagte man es früher. Zur streitenden Kirche gehören dabei viele, die nicht einmal darum wissen.

Die Gemeinschaft der Heiligen feiern wir immerfort in der kultischen Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers, des Todes Christi. Das geschieht in der Feier der heiligen Messe. In ihr verströmt sich die Liebe Gottes fortwährend in die Welt hinein, damit sie das Heil findet, damit sie gerettet wird.

Das Allerheiligenfest will uns, wenn es uns jene zeigt, die gestern das waren, was wir heute sind, eine Mahnung sein, das wir bewusster, fester und entschlossener das Ziel un- seres irdischen Lebens ins Auge fassen. Wenn wir in all unserem Denken, Reden und Tun die letzten Dinge vor Augen haben, werden wir in Ewigkeit nicht sündigen. So sagt es ein- mal das Alte Testament an einer bedeutenden Stelle (Sir 7, 36).

Durch ihr Leben sind uns die vollendeten Heiligen Orientierungslichter auf unserem irdi- schen Pilgerweg. Sie wurden nicht als Heilige geboren, wenn wir einmal von der Mutter Jesu absehen. In der (ersten) Lesung, die wir soeben vernommen haben, heißt es, dass sie aus der großen Trübsal gekommen sind, aus der großen Bedrängnis. Das will sagen, dass sie das Kreuz des Leidens in ihrem Leben getragen haben. Im Allgemeinen waren sie nicht auf Rosen gebettet in ihrem Leben. Entweder wurde ihnen das Kreuz auferlegt oder sie haben es sich selber auferlegt, in der Liebe zum Opfer, zum Verzicht, zur Selbstüber- windung, worin uns erst die wahre Freude geschenkt wird, schon in diesem Leben.

Wie es die Bergpredigt Jesu vorsieht, waren sie demütig, sanftmütig, barmherzig, fried- fertig und gerecht, sie trauerten über ihre Sünden, sie bewahrten sich ein reines Herz und waren bereit, für die Wahrheit und die Gerechtigkeit Verfolgungen auf sich nehmen. Sie gingen den Weg der konsequenten Hingabe an Gott.

Ihre Heiligkeit ist ein Geschenk Gottes, eine Gabe Gottes an sie persönlich und an die Welt, aber - darauf kommt es an - sie haben diese Gabe angenommen und sie als Aufgabe verstanden. Immer sind Gottes Gaben zugleich Aufgaben für die Menschen. Die Heiligen haben die Gabe Gottes angenommen und etwas daraus gemacht. Man kann eben nicht nur das Ja Gottes empfangen, man muss es auch zurückgeben.

Irgendwie gerieten die Heiligen immer in Gegensatz zur Welt, mehr oder weniger, weil sie die Menschen ihrer Zeit beunruhigten. Aber ihre Kraft lag ganz in der Hoffnung auf Gott und auf die Ewigkeit. Sehr groß ist gar die Zahl der Blutzeugen unter ihnen.

Zu Heiligen wurden sie nicht durch die Begeisterung des Augenblicks, sondern durch die Treue und Beharrlichkeit im Alltag. Allzu leicht bemächtigt sich unser die Treulosigkeit ge- genüber unseren Vorsätzen und gegenüber dem Willen Gottes. In den herrlichsten Far- ben stellt sie sich uns dar, die Treulosigkeit. Die Versuchung ist erfinderisch. Das Böse kann verlockend sein. Darum hat Christus uns unterwiesen, täglich zu beten: Und führe uns nicht in Versuchung. Es geht hier um die Treue im Kleinen.

Die Heiligen sind für uns ein lebendiges Evangelium, sie sind uns Wegweiser. Ohne sie wäre unser Leben allzu oft wie eine Nacht ohne Sterne. Und sie sind uns unsichtbare Hel- fer in der Meisterung unserer Lebensaufgaben durch ihre Fürsprache bei Gott. Leuchtende Vorbilder sind sie für uns und mächtige Fürsprecher.

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6 500 namentlich bekannte Heilige und Selige zählt die Kirche, sie weiß aber, dass ihre wirkliche Zahl unzählbar ist. Daran erinnert uns die (erste) Lesung dieser heiligen Messe. Die namenlosen Heiligen des Himmels, sie zeichnen sich nicht durch außergewöhnliche Taten aus, aber sie taten das Gewöhnliche in außergewöhnlicher Weise. Im Dienst vor Gott und an den Menschen erwiesen sie sich vor allem treu und beständig.

Die vollendeten Heiligen, sie können für uns tätig werden, und sie werden es. Sie gehen mit uns, wenn wir mit ihnen gehen. Sie lehren und erwirken sie uns Treue und Bestän- digkeit in den zahllosen Versuchungen, die uns bedrängen. Sie geben uns ein Beispiel durch ihr kostbares Leben, und sie treten ein für uns bei Gott.

Der Weg zu Gott über die Heiligen ist nicht länger, sondern kürzer. Da täuschen sich man- che, die diese Frage abstrakter sehen. In der Gemeinschaft mit den vollendeten Heiligen wird unser religiöses Tun, wird unser Glauben, unser Hoffen und unser Lieben, lebendiger und nicht zuletzt auch menschlicher. Amen. 

 

PREDIGT 30. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 25. OKTOBER 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„MACH HELL MEINE AUGEN, DASS ICH NICHT
IM TODE ENTSCHLAFE“

Die Situation eines Blinden ist grauenvoll, ohne das Augenlicht lebt er in der Dunkelheit, zeitlebens, nie mehr wird er sehen können. Wir müssen uns einmal vorstellen, was das be- deutet, wenn wir persönlich davon betroffen sind: Ich kann nicht mehr sehen, bis an mein Ende ist Nacht um mich. Der Blinde ist hilflos und einsam und ganz auf die Menschen an- gewiesen. Erst wenn wir uns das Blindsein existentiell klar machen, auf unsere eigene Existenz bezogen, können wir ermessen, welches unvorstellbare Glück dem Blinden unse- res Evangeliums in seiner Heilung durch Christus zuteil geworden ist.

Heute gibt es 60 Millionen Blinde in aller Welt, trotz des Fortschritts in der Augenheilkun- de, so berichtet die Weltgesundheitsorganisation, in unserem Land sind es 200 000, hinzu- kommen 550 000, die hochgradig sehbehindert sind, deren Sehkraft nur noch 10 % oder weniger beträgt. Die allermeisten Blinden und in ihrer Sehkraft extrem Geschwächten sind heute über sechzig Jahre alt.

Das Evangelium von der Heilung des blinden Bettlers berichtet uns genaue Details. Es schildert uns, wie dieser sich an Jesus wendet und ihn beschwört und wie die Umstehen- den ablehnend reagieren, es nennt den Namen des Geheilten und den Ort, an dem die Heilung geschehen ist. Jericho ist die älteste uns bekannte Stadt, ihre Geschichte reicht zurück in die Mitte des 2. Jahrtausends vor Christus. Sie liegt etwa dreißig Kilometer nord- östlich von Jerusalem am Westufer des Jordan. Heute zählt diese Stadt etwa 25 000 Ein- wohner. Am Ausgang der Stadt, am Tor der Stadtmauer, hat Jesus das Wunder gewirkt. Der Blinde wird geheilt, weil er einen lebendigen Glauben und ein unbesiegbares Vertrau- en hat. Dafür belohnt ihn Gott. Nicht der Glaube hat ihn geheilt, wie man bei vielen Kom- mentatoren heute lesen kann, sofern sie diese Begebenheit nicht überhaupt in das Reich der Legende verweisen, sondern Jesus ist es, der das Wunder wirkt, er wirkt es, weil der Blinde glaubt und vertraut. Dieser nennt ihn „Sohn Davids“ und bekennt ihn damit als den Messias, als den Gottgesandten. Er weiß, dass der Messias die Augen der Blinden öffnen wird. Davon ist immer wieder in den alten messianischen Weissagungen die Rede. Dem Blinden werden diese nicht unbekannt gewesen sein. Er wird sich vielleicht in diesem Augenblick auch an die Jesaja-Weissagung erinnert haben:  „Das  Volk, das im Finstern wandelt, schaut ein großes Licht“ (Jes 9, 1).

Das Evangelium bestätigt den beispielhaften Glauben und das beispielhafte Vertrauen des Geheilten, wenn es feststellt, dass dieser nach seiner Heilung in großer Dankbarkeit sei- nem Wohltäter nachfolgt.

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Blind sein, das bedeutet: Augen haben und doch nicht sehen können. Die Blindheit des Leibes verweist uns auf die Blindheit der Seele, näherhin auf die Blindheit des Geistes und des Herzens, die verhängnisvoller ist als das Versagen der äußeren Sinne, denn bedeut- samer noch als die Augen unseres Leibes, sind die Augen unseres Geistes und unseres Herzens.

Die Blindheit des Geistes, das bedeutet: Einen Verstand haben und doch nicht die Wahr- heit erkennen. Die Blindheit des Herzens, das bedeutet: Nicht nach den Weisungen und den Geboten Gottes zu leben, sondern autonom, wie man es heute gern ausdrückt.

Viele sind heute blind gegenüber dem Dasein Gottes, der uns erschaffen und der uns erlöst hat, gegenüber seiner Güte und gegenüber seiner Barmherzigkeit. Blind ist unser Geist, wenn wir uns einreden lassen, dass Christus nicht der Sohn Gottes ist, dass er nicht gegen- wärtig ist in der heiligen Eucharistie, dass Gott keine Wunder wirken kann in unserer Welt und dass alle Konfessionen und alle Religionen gleich sind.

Unser Herz aber ist blind, wenn wir uns abwenden von der Botschaft der Kirche, wenn wir uns der schleichenden Gottlosigkeit unserer Tage überlassen und einfach mit den Wölfen heulen. Blind ist unser Herz aber auch, wenn wir es an vergängliche Güter hängen, wenn wir das Vorläufige so verstehen, als wäre es ewig, wenn wir das irdische Leben so ge- nießen, dass wir dabei das ewige verlieren und wenn wir irdischen Ruhm suchen und seine Eitelkeit nicht erkennen, dabei aber jenen anbeten, den die Heilige Schrift den Fürsten dieser Welt nennt. Blind ist unser Herz auch, wenn wir nicht die Werke der Barmherzigkeit tun, wenn wir meinen, ohne selbstlose Liebe könnten wir vor Gott be- stehen. Blind ist unser Herz, wenn wir die Sakramente der Kirche verschmähen, wenn wir nicht den Wert des Busssakramentes und des eucharistischen Sakramentes erkennen. 

Allzu oft fällt es uns schwer, das Böse zu erkennen und uns ihm zu widersetzen. Vielmals erscheint uns die Nacht wie Licht und der helle Tag wie Dunkelheit. So kommt es dann, dass wir uns mit den Feinden Gottes, mit den Feinden Christi und seiner Kirche, verbün- den und uns vor den falschen Wagen spannen lassen, den wir vielleicht eigentlich gar nicht ziehen wollen, und dass wir denen vertrauen, die eigentlich unser Vertrauen nicht verdienen. Da sind wir zuweilen geradezu mit Blindheit geschlagen.

Konkret ist hier, um ein aktuelles Thema anzusprechen, an die In-Frage-Stellung von Ehe und Familie zu erinnern in unserer Öffentlichkeit, die mit dem Schein der Gesetzlichkeit umgeben wird, und an die Aushöhlung des Elternrechtes, wodurch nicht nur das Wirken der Kirche unterminiert wird, sondern auch die Grundlagen unserer Gesellschaft untergra- ben werden.

Der Hass gegen Gott führt zum Hass gegen den Menschen. Das Ende von Ehe und Familie ist die Unmenschlichkeit. Bei Jean Paul Sartre (+ 1980), einem Exponenten der modernen Gottlosigkeit, steht der Satz: „Ich habe Gott getötet, weil er mich von den Menschen trenn- te, und nun versetzt mich sein Tod in umso größere Einsamkeit“. Leider hat er diese Tat nicht bereut. So hat es jedenfalls den Anschein.

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Das Evangelium des heutigen Sonntags wird lebendig, wenn wir in dem blinden Bettler am Wege uns selber wiedererkennen in unserer geistigen Blindheit. Wenn die Augen un- seres Leibes auch hell sind, so sind es oftmals nicht die Augen unserer Seele. Allzu oft sind wir blind gegenüber der Wahrheit und gegenüber dem Guten und wissen nicht, wie wir das wahre Leben finden können. Der Geist und das Herz sind verblendet, wo immer wir uns von dem modernen Unglauben beeindrucken lassen. Diese Blindheit ist  schlimmer noch als die Blindheit des Leibes, die nur unser vergängliches Leben betrifft.

Um das Unheil der Blindheit der Seele wusste einst der alttestamentliche Prophet, als er betete: „Mach hell meine Augen, auf dass ich nicht im Tod entschlafe“ (Ps 13, 4). Die Folge der Blindheit des Geistes und des Herzens ist, sofern wir nicht unschuldig sind an dieser Blindheit, der Tod, der ewige Tod, nicht selten aber auch der zeitliche. Wenn wir den lebendigen Glauben des blinden Bettlers haben und sein sieghaftes Vertrauen, dann wirkt Gott auch heute noch Wunder, nicht nur Wunder des Geistes. Amen.

 

PREDIGT ZUM 29. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 18. OKTOBER 2009 IN FREIBURG,
ST. MARTIN

„WER GROSS SEIN WILL, DER SEI EUER DIENER“

Vor vier Wochen behandelte das Evangelium der Sonntagsmesse das gleiche Thema wie heute, die Tugend der Demut. Sie ist von besonderer Bedeutung für das christliche Le- ben. Deshalb die Wiederholung. Damals ging es um einige Verse aus dem 9. Kapitel des Markus-Evangeliums, heute entstammen die Verse dem 10. Kapitel des gleichen Evange- liums. Damals ging es darum, dass die Jünger Jesu sich um den ersten Platz gestritten hatten und dass Jesus ihnen erklärt hatte, wer der Erste sein wolle, der solle der Letzte und der Diener aller sein. Heute ist die Situation ähnlich. Zwei der Jünger wollen mehr sein als die anderen, sie wollen wenigstens am Ende den anderen übergeordnet sein, und Jesus ermahnt sie, die Jünger insgesamt, noch einmal, dieses Mal eindringlicher, die Demut zu lieben, nicht herrschen zu wollen, sondern zu dienen, und er stellt sich ihnen selbst als Beispiel und Vorbild hin, sein Leben und Wirken und vor allem sein Sterben.

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Nicht nur hier, an zahlreichen weiteren Stellen kommt Jesus in den Evangelien auf die Tugend der Demut zu sprechen, und auch in den übrigen Schriften des Neuen Testamen- tes ist immer wieder von ihr die Rede.

Der Demütige ist, wie Jesus ihn sieht, anspruchslos. Er macht nichts aus seiner Person, er schätzt sich richtig ein, er erkennt sich so, wie er ist, er macht sich nicht selber etwas vor, er hat Geduld, und er kann warten. Er hat den Mut zu dienen, ohne dabei Ansprüche zu stellen. Unser deutsches Wort Demut kommt von Dienmut. In der Bezeichnung Knecht er- kennt der Demütige einen Ehrentitel. Für den Knecht gilt, dass er dient und dabei weiß, dass er nichts anderes getan hat als seine Schuldigkeit (vgl. Lk 17, 10).

Wer demütig ist, der kann zuhören, er hat Zeit für die Menschen, vor allem für jene, die in Not sind. Er kann nachgeben, er ist nicht rechthaberisch, er gibt es zu, wenn er im Un- recht ist. Wer wird sich nicht schon einmal irren? Sparsam ist der Demütige in der Ver- wendung der ersten Person der Personalpronomina und zurückhaltend im Hinblick auf „Ich-Berichte“. Vor allem aber kann er anerkennen und danken, Gott und den Men- schen, nicht nur in Worten.

Nicht zuletzt schließt die Demut im Verständnis Jesu die Leidensbereitschaft in sich, die immer wieder auch in der Selbstüberwindung ihren Ausdruck findet, im Opfer. Ohne das Opfer gibt es keine christliche Existenz.

Demut ist nicht Kleinmut. Kleinmütig ist jener, der im Gleichnis Jesu von den Talenten aus Angst hinging und sein Talent verbarg (Mt 25, 25). Der Kleinmütige legt die Hände in den Schoß. Wenn er etwa von den gegenwärtigen Missständen in der Kirche hört oder wenn ihm über die Not in der Welt berichtet wird, sagt er: „Da kann man nur beten“. Ja, er hält sich gar auch für zu gering, um dienen zu können. Faktisch ist er nicht nur schwach, sondern auch bequem. Er drückt sich vor den Aufgaben, die sich ihm stellen, im natürlichen wie auch im übernatürlichen Bereich.

An die Stelle des Kleinmutes tritt bei dem wirklich Demütigen die Hochherzigkeit. Sie darf nicht mit dem Hochmut verwechselt werden. Der Hochherzige sagt im Gleichnis von den Talenten: „Herr, fünf Talente hast du mir gegeben, fünf weitere habe ich hinzugewonnen (Mt 25, 20). Mit Paulus erklärt der Hochherzige: „Ich vermag alles in dem, der mich stärkt“ (Phil 4, 13). Im Vertrauen auf die Hilfe Gottes setzt er sich ganz ein und tut er immer, was er kann. Die Hochherzigkeit ist ein bedeutender Ausweis der rechten Demut.

Der wirklich Demütige weiß um seine Unzulänglichkeit, richtet dabei aber vertrauend sei- nen Blick auf Gott. Er hat die richtige Einschätzung seiner selbst, sofern er sich immer gering einschätzt. Von Natur aus schätzen wir uns alle zu hoch ein, von Natur aus sehen wir uns und unser Wesen gleichsam immer in künstlichem Licht, erst der Glaube, wenn er wirksam ist in unserem Leben, gibt uns den rechten Blick für die Wahrheit unserer Exi- stenz und unseres Lebens.

Wenn wir die richtige Selbsteinschätzung haben und frei sind von Illusionen über uns selbst, dann sehnen wir uns nach der Erlösung, dann wissen wir, dass wir uns nicht selbst erlösen können, dass die Erlösung uns geschenkt werden muss, die Erlösung von unseren Sünden.

Die rechte Demut verbindet uns zutiefst mit Gott und mit den Menschen, während der Stolz uns immer von Gott und zugleich auch von den Menschen trennt.

Der Stolz ist die Quelle aller Übel und aller Sünden, alle Sünden gehen aus ihm hervor. In ihm erkennen wir auch den Hintergrund der Ursünde, der Auflehnung der ersten Men- schen gegen Gott.

Der Stolze lässt sich von keinem etwas sagen, er weiß alles besser, er kümmert sich um niemanden und überrennt jene, die ihm im Wege stehen, immer sucht er nur seinen per- sönlichen Vorteil, weil nur sich selber kennt.

Heute wiederholt sich diese Sünde unzählige Male, wo immer der Egoismus eskaliert, wo immer die Menschen nur nach ihrem eigenen Geschmack leben, sich von keinem sagen lassen, wie sie leben sollen, und alles tun, was ihnen Spaß macht, und wo immer sie nicht fragen: Was muss ich tun?, sondern: Was will ich tun?

Wer viel mit Menschen zu tun hat, der erfährt immer wieder die zerstörerische Macht des Stolzes, des Hochmutes und der Selbstherrlichkeit.

Dabei müssen wir sehen, dass sich der Stolz zuweilen hinter der Maske der Demut ver- birgt. Die Demut erweist sich dann als die subtilste Form des Stolzes. Das wird uns nicht überraschen, wenn wir uns vor Augen halten, dass der Teufel der Vater der Lüge ist. 

Der Kern der Botschaft Jesu ist der, dass die Heilung unserer Welt und unseres Lebens eigentlich nur durch unsere Demut erfolgen kann, die sich vor allem in der Bereitschaft zu dienen niederschlägt, in der Bereitschaft, Gott und dem Nächsten zu dienen. Das Evange- lium lehrt uns, dass wir das wahre Leben nicht auf dem Weg des Herrschens, sondern auf dem Weg des Dienens finden.

*

Christus hat die Tugend der Demut nicht nur in die Mitte seiner Verkündigung gestellt, er hat sie auch beispielhaft gelebt. In spezieller Weise hat er sie  geheiligt durch seinen Ge- horsam. „Er war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2, 8), so lautet ein Kernsatz der christlichen Verkündigung seit den Tagen der Urkirche. Gott selber ist als Mensch den Weg des Dienens gegangen, den Weg der Selbstentäußerung. Darum gibt es für uns keinen anderen Weg zum Heil als den des bescheidenen und selbstlosen Dienstes, als den Weg der Hingabe an unsere Aufgaben, der Hingabe an Gott und an die Men- schen. Gott schenke uns die Gnade, dass wir die sittliche Schönheit der Tugend der De- mut in wachsendem Maß erkennen. Das Bemühen um diese Tugend ist die Bedingung für das Eingehen in das Reich Gottes. Die Stolzen und Hochmütigen finden keinen Einlass. Amen.

Vgl. Paul Rusch, Wachstum im Geiste, Innsbruck 21962, 56 - 66.

 

PREDIGT ZUM 28. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 11. OKTOBER 2009 IN FREIBURG,
ST. MARTIN

„WAS NENNST DU MICH GUT … WIE SCHWIERIG IST ES FÜR EINEN REICHEN,
IN DAS GOTTESREICH EINZUGEHEN“

Zwei Gedanken unterstreicht das uns wohl bekannte Evangelium des heutigen Sonntags, die Perikope von dem reichen Jüngling, wenn es davon spricht, dass Gott allein der Gute ist und dass die Güter dieser Welt uns zum Verhängnis werden können.

*

Der reiche Jüngling tritt an Jesus heran mit der Frage: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? Und Jesus antwortet ihm: Was nennst du mich gut? Nie- mand ist gut als Gott allein. Mit dieser Antwort will er nicht sagen, dass die Anrede des reichen Jünglings verfehlt war. Vielmehr will er ihm und uns damit sagen, dass Gott al- lein gut ist im Vollsinn des Wortes, dass alles Gutsein des Menschen seinen Ursprung in Gott hat.

Gott ist das Gute, er ist der Gute schlechthin, das heißt: der Vollkommene, er ist die Güte selbst. Am Gutsein Gottes erhalten wir Anteil, wenn wir uns ihm innerlich zuwenden.

Das will sagen: Was den Menschen gut macht, das ist die innere Zugewandtheit zu Gott. Unser Gutsein wächst durch unser inneres Einswerden mit Gott. Das Gutsein des Men- schen setzt eine lebendige Gemeinschaft mit Gott voraus und ein wachsendes inneres Einswerden mit ihm.

Bei wem anderem aber sollten wir das lernen, wenn nicht bei dem Mensch gewordenen Sohn Gottes, der uns bis ans Ende geliebt hat, bis zu seinem Tod (Joh 13, 1).

Gute Knechte und Mägde sollen wir werden, wir alle. Das aber können wir nur werden, wenn wir in einer lebendigen Beziehung zu Christus stehen, der uns zum Vater führt.

Nur wenn wir gute Knechte und Mägde sind, können wir eingehen in die Freude des Herrn, wie es im Gleichnis heißt (Mt 25, 21). Das wird heute oft nicht gesagt in einer ober- flächlichen und horizontalen Glaubensverkündigung und Katechese, worin man, unkri- tisch einem Trend folgend, vor allem bemüht ist, im Unverbindlichen zu bleiben.

Unser Leben muss sich im Dialog mit Christus abspielen. Dabei müssen sein Wesen und seine Eigenschaften in uns eindringen, müssen uns sein Wesen und seine Eigenschaften formen.

In diesem Punkt ist uns Maria ein leuchtendes Vorbild. Sie war inniger verbunden mit Christus als je ein Mensch mit ihm innerlich verbunden gewesen ist. Sie führt uns zu Chri- stus. Sie ist der sichere Weg zu ihm. Sie nimmt uns an die Hand, wie eine Mutter ihr Kind an die Hand nimmt und ihm Geborgenheit schenkt, wenn wir uns führen lassen. Wenn Christus uns fern erscheint in den Stürmen der Zeit, Maria ist uns nahe, die Dienerin des Herrn. In ihr hat die Güte Gottes beispielhaft Gestalt gefunden. Auf ganz menschliche Weise begegnet sie uns in ihr. Mit ihrer Güte trägt sie immer neu Christus, das große Licht Gottes, in die Welt hinein. Er hat uns sie als Mutter gegeben, damit wir von ihr das Ja ler- nen, das uns gut werden lässt. Und sie führt uns damit zum Quell aller Güte.

Der zweite Gedanke, den das Evangelium des heutigen Sonntags uns nahe legt, ist der, dass die Güter dieser Welt uns zum Verhängnis werden können.

Jesus erkennt die Gefahren des Reichtums und nennt sie beim Namen. Für ihn ist der Reichtum einer der schlimmsten Feinde des Menschen, weil er uns allzu leicht auf diese unsere vergängliche Welt fixiert. Unmissverständlich erklärt er: „Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen“ (Mt 6, 24).

Dabei verwirft er den Reichtum nicht völlig, er ist nicht einseitig und fanatisch, aber er sieht in ihm eine große Gefahr, und er hält es für ungeheuer schwer, sich der Faszination der irdischen Güter zu entziehen.

Er verurteilt sie nicht, die Güter dieser Welt, bei aller persönlichen Distanz von ihnen, weiß er doch, dass man mit ihnen viel Gutes tun kann. Ganz selbstverständlich nimmt er die Dienste der Reichen in Anspruch, zusammen mit seinen Jüngern. Er weiß, dass das Almosengeben, das eine zentrale Rolle spielt in seiner Unterweisung, voraussetzt, dass man Güter besitzt, dass der, der nichts hat, auch nichts geben kann. Das Almosen ist seine Lebensgrundlage und die seiner Jünger. Das übersieht er nicht

Jesus weiß, dass das Streben nach Besitz dem Menschen immanent ist, dass Besitz Freiheit bedeutet für den Menschen und dass dieses Streben von Gott kommt. Er weiß aber auch, dass es allzu leicht der Unordnung verfällt und so zu einer Gefahr wird für den Menschen, dass der Mensch stets geneigt ist, die Güter dieser Welt an die Stelle Gottes zu setzen und ihnen göttliche Ehren zu erweisen.

In der Habgier entartet das an sich gute Streben des Menschen. Das Unheil der Habgier ergibt sich schon aus der Tatsache, dass unendlich viel Streit aus ihr hervorgeht und dass sie schon viele Familien auseinandergebracht hat. Aber nicht nur Familien.

Jesus verlangt nicht den vollständigen Verzicht auf den Besitz, aber einigen empfiehlt er ihn, wie das bei dem gut gearteten Jüngling im Evangelium der Fall ist. Und er selber lebt diesen Verzicht. Damit will er ein Zeichen setzen, damit will er die irdischen Güter relati- vieren und alle daran erinnern, dass die ewigen Güter wichtiger sind als die zeitlichen und dass wir die ewigen Güter nur gewinnen können, wenn wir nicht der Faszination der zeitlichen Güter erliegen und wenn wir die zeitlichen Güter in den Dienst der ewigen stel- len. 

*

Gut werden wir, wenn wir die Nähe Gottes suchen. Zu ihr gelangen wir durch die Ge- meinschaft mit Christus und mit seiner heiligen Mutter. Wenn wir uns bemühen, gut zu sein, werden wir die Güter dieser Welt relativieren und uns von ihnen nicht knechten la- ssen, werden wir uns hüten vor der Untugend der Habgier. Dann werden wir den Gütern dieser Welt den Platz zuerkennen, der ihnen zukommt, werden wir sie vor allem in den Dienst der ewigen Güter stellen. Amen.

 

PREDIGT ZUM 27. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 4. OKTOBER 2009 IN FREIBURG, ST. MARTIN

„LASSET DIE KINDER ZU MIR KOMMEN“

Nicht von ungefähr fügt sich im Evangelium des heutigen Sonntags an das Gespräch Jesu mit den Pharisäern und mit den Jüngern über den hohen Stellenwert der Ehe der Bericht über die Begegnung Jesu mit den Kindern an. Die Würde der Ehe ist nicht zuletzt bedingt durch die Kinder, um deretwillen Gott die Ehe gestiftet und Jesus sie zum Sakrament er- hoben hat. Die Erfahrung bestätigt es uns, heute mehr denn je: Wo immer die Ehe als In- stitution zerfällt, da wird auch der Wert des Kindes nicht mehr gesehen, und wo der Wert des Kindes nicht mehr gesehen wird, da verliert die Ehe ihre Würde.

*

Der Mensch gewordene Gottessohn ist nicht einfach nur ein Kinderfreund. Seine Zuwen- dung zu den Kindern ist programmatisch, sie ist von zentraler Bedeutung für seine Ver- kündigung. Darum segnet er die Kinder und nimmt sie in seine Arme, und darum ist von dieser Geste und von den sie begleitenden Worten wiederholt die Rede in den Evangeli- en.

Die Kinder sind für den Erlöser zum einen die ersten Erben der Gottesherrschaft, die der eigentliche Inhalt seiner Verkündigung ist, der Gottesherrschaft, die ihre Erfüllung findet im ewigen Leben, und zum anderen stellt er die Kinder uns Erwachsenen als Vorbilder vor Augen. Für ihn kommt den Kindern die Gottesherrschaft zu, den Kindern und denen, die so geartet sind wie sie. Im Matthäus - Evangelium erklärt er: „Wer das Reich Gottes (damit meint er die Gottesherrschaft) nicht annimmt wie ein Kind, der kommt nicht hin- ein“ (18, 17). Im Gottesreich steht das Kind an erster Stelle. Daher ist es das Kind, das die Ehe groß macht.

Wenn Jesus dem Kind solche Wertschätzung entgegenbringt und ihm eine solche Stel- lung zuerkennt, ist das revolutionär für die Schriftgelehrten und für die Jünger Jesu, denn so etwas gab es damals nicht im Judentum. Das Kind galt als Typus des Unreifen und des Unmündigen, ihm fehlte ja die Kenntnis des Gesetzes. Wer aber das Gesetz nicht kannte, der wurde verachtet. Sich mit einem Kind abzugeben, galt als Zeitvergeudung. Demge- genüber schenkt Jesus den Kindern außergewöhnliche Zuneigung, erklärt er wiederholt, dass ihnen das Reich Gottes in erster Linie gehört und dass sie ein Vorbild sind für die Er- wachsenen.

Wenn die Kinder so kostbar sind in den Augen Jesu, dann müssen sie es auch für uns sein. Dann tragen wir alle eine große Verantwortung für sie. Diese erstreckt sich einer- seits darauf, dass wir ihnen den Eintritt ins Dasein nicht verwehren, andererseits darauf, dass wir dafür Sorge tragen, dass sie ihr Kindsein leben und bewahren und dass die na- türlicherweise in ihnen angelegte religiöse Sehnsucht geweckt wird, damit sie ihre frühe Berufung zum Gottesreich im späteren Leben nicht verlieren.

Die religiöse Erziehung der Kinder ist eine Frage, die uns alle angeht, weil sie heute mehr vernachlässigt wird als je zuvor. Die dreizehn Jahre Religionsunterricht bei uns, die eine einmalige Chance sein könnten, sind weithin vergeblich und unwirksam. Vielfach muss man gar sagen, wenn man ehrlich ist, kein Religionsunterricht wäre besser als die- ser. Bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten ermunterte Kardinal Höffner als Erzbischof von Köln unter diesem Aspekt in einer Versammlung von Priestern zur Abmeldung vom Religi- onsunterricht. Eine religiöse Belehrung und Erziehung der Kinder durch die Eltern und in engerem Anschluss an die Kirche, wie es in Jahrhunderten der Fall war bei uns und in vielen Ländern noch heute der Fall ist, würde wahrscheinlich mehr Früchte und vor allem auch bessere Früchte zeitigen.

Für Jesus gehört das Reich Gottes den Kindern und denen, die in irgendeiner Weise den Kindern gleich geartet sind, den unverbildeten Kindern. Deshalb können wir nur dann in das Reich Gottes eingehen, wenn wir irgendwie so geartet sind wie sie. Das bedeutet, dass wir, anders als die Pharisäer in ihrem Gerechtigkeitsstolz und in ihrer Selbstgerech- tigkeit, unsere Schwachheit und Kleinheit erkennen und uns eingestehen. Das unverbil- dete Kind weiß um seine Ohnmacht, es erfährt sie immer wieder aufs Neue, es weiß, dass es klein und unbedeutend ist und der Hilfe bedarf, der Hilfe der Menschen und, wenn man die in ihm schlummernde religiöse Sehnsucht geweckt hat, der Hilfe Gottes. Daraus er- wächst sein beispielhaftes Vertrauen.

Wir entwickeln einen kindlichen Sinn, wenn wir Vertrauen haben, Vertrauen zu Gott und Vertrauen zu den Menschen, sofern sie es verdienen, und Vertrauen zur Kirche, die als der fortlebende Christus teilhat an der Autorität Gottes und deren Auftrag es ist, den Gott der Offenbarung der Welt zu verkünden und zu vermitteln.

Verschüttet ist dieses Vertrauen heute nicht selten durch ein überstarkes Selbstvertrauen, das freilich oftmals in sein Gegenteil umschlägt. Tatsächlich leiden heute viele an ihrem fehlenden Selbstvertrauen, dass sie dann allerdings oft verbergen hinter einem hochmü- tigen und rücksichtslosen Auftreten.

Im Blick auf das Kind können wir lernen, uns unsere Schwachheit, unsere Kleinheit  und unsere Ohnmacht einzugestehen und Vertrauen zu haben zu Gott, zu den Menschen und zur Kirche.

Wenn wir auf das Kind schauen, in dem das in ihm angelegte Gute geweckt worden ist, können wir aber auch den Gehorsam lernen, den Gehorsam gegenüber Gott und gegen- über denen, die an seiner Autorität teilhaben. Der Gehorsam ist eine Grundtugend im Christentum, denn schon der Glaube, die Wurzel des Christentums, ist als Gehorsam zu verstehen, als vernünftiger Gehorsam gegenüber dem sich offenbarenden Gott. Der Glau- be ist seinem Wesen nach freier Gehorsam, der in der Einsicht gründet. So definiert ihn bereits der Apostel Paulus im Römerbrief (Rö 1, 5; 15, 18). Der Geist des Gehorsams aber ist eng verwandt mit dem Geist des Dienens, dessen Fundament die Selbstlosigkeit ist.

Am vergangenen Donnerstag begingen wir den Gedenktag der heiligen Karmelitin There- se von Lisieux (+ 1897). Sie starb mit vierundzwanzig Jahren. Beispielhaft hat sie das Kindsein vor Gott gelebt. Sie ist exemplarisch für den kleinen Weg der Kindheit, wie sie ihn in ihrer Selbstbiographie „Die Geschichte einer Seele“ beschrieben hat. In ihm geht es für sie um Vertrauen und Hingabe, um Gehorsam und Dienstbereitschaft. Sie verstand ihren Lebensweg als einen Weg der Hingabe an Gott und an die Mitmenschen, als den „kleinen Weg“ der Liebe, der Liebe zu Gott, die sie in den kleinen Gesten des Alltags zum Ausdruck brachte. Mit ihrem „kleinen Weg“ hat sie viele Millionen Menschen nach- haltig fasziniert, zu ihrer Zeit, aber auch heute noch. Ihre Autobiographie ist noch heute das meist gelesene spirituelle Buch in Frankreich.

Zum Gedenktag der Heiligen erklärte der heilige Vater respektvoll, die Heilige zeige uns den kleinen Weg, der auf das Wesentliche blicke, den demütigen Weg der Liebe. Die von ihr begangene Straße sei allen zugänglich, weil sie die Straße des totalen Vertrauens auf Gott sei, auf Gott, der die Liebe in Person sei und uns nicht verlasse (Ansprache bei Ab- schied von Castel Gandolfo am 2. Oktober 2009).

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Bei dem französischen Priester und Autor Michel Quoist (+ 1997) heißt es einmal: „Ich lie- be die Kinder, sagt Gott, weil mein Bild in ihnen noch ungetrübt ist“. Das unverbildete Kind ist gemäß den Worten Jesu vorbildlich für seine Jünger, weil es ohne Arglist ist, ver- trauensvoll offen und gläubig gehorsam, selbstlos und dienstbereit. Amen.

 

PREDIGT ZUM 26. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 27. SEPTEMBER 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„TRETET EIN DURCH DIE ENGE PFORTE“

Das Evangelium des heutigen Sonntags enthält ernste Worte über unser Leben in der Welt, Worte, die gern von den Predigern umgedeutet und verfälscht werden. Christus warnt vor dem Ärgernis. Indirekt sagt er damit, dass das ewige Heil des Menschen von Grund auf gefährdet ist, das Heil auch des erlösten Menschen. Gerade diese Wirklichkeit wird in unserer Zeit oftmals in Frage gestellt. Das Evangelium passt von daher nicht zu der weichen Welle, die unser Leben beherrscht. Demgemäß wird es zur Versuchung, die Worte Jesu abzuschwächen. Für Jesus geht es indessen um Sein und Nichtsein des Men- schen, und das für Zeit und Ewigkeit. Für ihn ist das ewige Heil des Menschen alles andere als selbstverständlich. Dieser Gedanke hat seinen Ort geradezu im Zentrum seiner Botschaft. Für Jesus ist der Weg, der in das ewige Leben führt, dornenreich. Steil und schmal nennt er ihn, breit und bequem aber nennt er den Weg, der ins Verderben führt (Mt  7, 13 f). Man fragt sich: Wie konnte es dazu kommen, dass unsere Zeit hier den Rotstift ansetzte und es besser wusste?

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Im Mittelpunkt des heutigen Evangeliums steht der Begriff des Ärgernisses. Ärgernis ge- ben wir, wenn wir durch unser Verhalten einem anderen Anlass zur Sünde werden. Wir können anderen, aber auch uns selbst Anlass zur Sünde, zum Ärgernis, werden. Das Är- gernis kann bewusst gegeben werden oder auch unbewusst. Immer ist es eine Verfeh- lung gegen die Liebe.

Das griechische Wort, das das Neue Testament verwendet, wo immer es vom Ärgernis spricht, lautet „skandalon“. Im Lateinischen wurde daraus das „scandalum“. Wir verwen- den dieses Wort als Fremdwort, wenn wir von einem Skandal sprechen. Wörtlich über- setzt bedeutet „scandalon“ das Stellholz in der Falle oder ein Hindernis auf dem Boden, über das man fallen kann. Unser deutsches Wort „Ärgernis“ kommt von dem Wort „arg“, „arg“ aber bedeutet böse.

Das Ärgernis und die Sünde vergiften die geistige Atmosphäre. Das ist schlimmer, als wenn die Umwelt verschmutzt wird.  Das kann man freilich nur verstehen, wenn man fest in Gott verankert ist.

Mannigfach ist das Ärgernis in unserer Welt heute. Man muss schon einen klaren Kopf haben, um es in seinen verschiedenen Formen zu erkennen und sich nicht von ihm zu Fall bringen zu lassen.

Wir geben Ärgernis und werden mitschuldig an der Sünde anderer, wenn wir gleichgültig sind im Religiösen, wenn wir träge sind im Tun des Guten, wenn wir schweigen, wo wir reden müssten, und wenn unser Christentum theoretisch bleibt und sich nicht oder nur wenig praktisch auswirkt. Ärgernis geben wir, wenn wir unkritisch dem Zeitgeist nachlau- fen, wenn wir dem Genossen, wie man mit Recht sagt, dem Genossen „Trend“ huldigen. Ärgernis geben wir oftmals auch durch unsere Kleidung. Das gilt vor allem für die Mäd- chen und Frauen. Nur selten haben die Modeschöpfer ein christliches Gewissen, wenn sie überhaupt eines haben. Allgemein gilt: Zum Ärgernis werden wir, wenn wir dem Wider- sacher Gottes in die Hände spielen. Da müssen wir auf der Hut sein.

Wenn wir den Kleinen - das sind die Bedeutungslosen in unserer Gesellschaft, vielleicht aber auch die Kinder - Ärgernis bereiten, so sagt es das Evangelium des heutigen Sonn- tags, dann ist das dadurch angerichtete Unheil so groß, dass für den, der das Ärgernis gibt, die Versenkung in die Meerestiefe noch das mildere Los wäre im Vergleich zu dem, was ihn beim Gericht erwartet. Das ist natürlich eine überspitzte Redeweise, eine hyper- bolische Sprache, wie sie uns immer wieder bei Jesus begegnet, wenn er seinem Wort besonderen Nachdruck verleihen will.

Im Hinblick auf das Ärgernis geht vieles auf das Konto Gedankenlosigkeit. Als Christen müssen wir jedoch geistig wach sein, damit wir den gemeinen Zynismus der geheimen Drahtzieher erkennen, die hinter der Verführung stehen, und nicht blind sind für das Är- gernis, dass wir es erkennen und uns nicht zu Fall bringen lassen. Boten Gottes sollen wir sein in dieser Welt und die Menschen unter Einsatz aller Kräfte zu Gott führen.

Nicht immer ist das Ärgernis ein Unrecht. Unter Umständen kann es gar geboten sein, gleichsam als Herausforderung. Hier handelt es sich dann um ein Ärgernis im subjektiven Sinne. In dieser Gestalt hat das „Skandalon” den Sinn, zum Guten zu verführen.

Für die Schriftgelehrten und für ihre Anhänger war Jesu Lehre und Wirken ein Ärgernis, durch das sie zu Fall kamen. Sie erwarteten einen ganz anderen Messias. Für sie offen- barte sich in Jesus das Göttliche in einer sie ganz und gar enttäuschenden Weise. Das wusste Jesus. Darum forderte er sie bewusst heraus. Durch das Ärgernis, das er ihnen nicht ersparen konnte, sollten sie zur Einsicht kommen.

Nicht nur anderen können wir zum Ärgernis werden, auch uns selbst können wir zum Är- gernis werden. Die Hand, der Fuß und das Auge, wichtige Organe des Menschen, können uns zum Ärgernis werden, zum Verführer. Mit dem Hinweis darauf klingt das Evangelium des heutigen Sonntags aus.

Bei dem Ärgernis, das wir uns selber bereiten, geht es um die die innere Unordnung, die uns zu sittlichen Verfehlungen führt.

Auch hier spricht Jesus in einer hyperbolischen Sprache, überspitzt er das, was er sagen will, bedient er sich bewusst einer übertreibenden Redeweise, wenn er die radikale Preisgabe dieser Organe fordert. Er will damit sagen, dass das ewige Leben wichtiger ist als das zeitliche und dass es besser ist, ohne diese Organe, so wichtig sie sind für unser Leben, in das ewige Leben einzugehen als mit ihnen in das ewige Verderben. Er will da- mit sagen, dass zur Vermeidung des Ärgernisses kein Preis zu hoch ist. Dabei weiß er durchaus, dass die Organe des Menschen nur das ausführen, was im Innern gedacht und empfunden wurde, dass der Mensch auch ohne die Organe sündigen kann, er weiß, dass die Schuld tiefer liegt, nämlich im Herzen des Menschen, dass das Böse immer aus den Abgründen seiner Seele hervorgeht.

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Wir können dem anderen zum Ärgernis werden, wir können uns aber auch selber Anlass zur Sünde werden. Was uns davor bewahrt, das ist die Liebe, die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Dabei müssen wir aufmerken und uns gegen die Gedankenlosigkeit stellen. Und wir müssen uns stets vor Augen halten, dass es um alles geht in unserem Leben, um Sein und Nichtsein, nicht nur für die Zeit, sondern auch für die Ewigkeit, weil die Zeitlich- keit unseres Lebens nicht das Letzte ist. Amen.

 

PREDIGT ZUM 25. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 20. SEPTEMBER 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„WENN EINER DER ERSTE SEIN WILL, SEI ER DER lETZTE
UND DER DIENER ALLER“

Jesus nimmt ein Kind und stellt es in die Mitte seiner Jünger. Er macht es zum Lehrer für sie. Das geschieht nicht nur an dieser Stelle, wiederholt geschieht das in den Evangelien. Zwei Gedanken sind es, die Jesus seinen Jüngern und mit ihnen uns hier nahe bringen will. Sie, die Jünger und wir, sollen sein wie das unverbildete Kind, nämlich klein und demütig, und die Demütigen und die Kleinen lieben und ihre Gemeinschaft suchen. Was heißt das im Einzelnen?

 *

Die Jünger Jesu und wir sollen demütig sein wie das Kind im Naturzustand, wie das un- verbildete Kind. Jesus veranschaulicht am Kind, was die Demut meint. Das Kind ist klein und hilflos, es ist angewiesen auf die Hilfe der Eltern. Ohne sie kann es nicht existieren. Es schaut nach oben, nicht nach unten. Deswegen schaut es stets nach oben, weil es klein ist. Es bleibt ihm nichts anderes übrig. Es lebt gänzlich von der schenkenden Liebe der Eltern, und wenn es diese nicht erhält, geht es zugrunde, seelisch und körperlich. Es kann keine Ansprüche stellen, es kann nur bitten. Bittende Gebärden des Kindes sind die aus- gestreckten Hände und die weit geöffneten Augen. Die Stärke des Kindes ist sein alles bezwingendes Vertrauen. Verachtung und Stolz sind ihm fremd, weil es immer neu seine Kleinheit erfährt.

Wie aber das Kind sich zu seinen Eltern verhält, das unverbildete Kind, so sollen wir uns zu Gott verhalten. Wie Kinder sollen wir leben vor Gott.

Daran werden wir auch dadurch erinnert, dass Jesus die Vateranrede in den Mittelpunkt seiner Jüngerunterweisung gestellt hat, Wort und Beispiel.

Wenn wir wie Kinder vor Gott leben, dann wissen wir, dass unser Verhältnis zu Gott in er- ster Linie von liebendem Vertrauen bestimmt sein muss, dass wir Gott gegenüber keine Ansprüche haben, dass wir nur vertrauensvoll bittend vor ihn hintreten können, dass alles, was wir haben, Geschenk ist aus der Hand Gottes, die Arbeit, die Gesundheit, die Freude und die Erholung.

Bei dem frommen Dichter Reinhold Schneider (+ 1958), der oft in dieser Kirche gebetet hat, lesen wir: „Wenn wir über unser Leben nachdenken, müssen wir uns am meisten über die Tatsache wundern, dass wir am Leben sind“. Das ist ein wirklich heilsamer Ge- danke, der aus der Demut hervorgeht und uns anspornt zu Dankbarkeit, zur Dankbarkeit gegenüber Gott und gegenüber den Menschen.

Alles, was wir als selbstverständlich hinnehmen, ist es eigentlich nicht. Das kommt uns zum Bewusstsein, wenn wir tiefer nachdenken über unser Leben und unser Leben mit dem Leben jener vergleichen, die nicht einmal einen Bruchteil haben von dem, was wir haben.

Wir sind Beschenkte. Wenn wir uns das vor Augen halten, wird uns der Stolz vergehen. Mit ihm aber wird uns alle Unzufriedenheit vergehen. Der Stolze, der Hochmütige, ist unzufrieden. Das erkennt man allerdings erst dann, wenn man ein wenig tiefer hinein- schaut in die Wirklichkeit. Gott hat uns reich gemacht, und er macht uns jeden Tag aufs Neue reich. Es ist bezeichnend, dass der Demut die Freude und die Gelassenheit, dem Stolz aber die Bitterkeit und der tierische Ernst folgen.

Die Haltung der Demut ist das Lebensprogramm des heiligen Franz von Assisi gewesen, der im Jahre 1226 gestorben ist, geboren war er im Jahre 1182. In letzter Konsequenz hat er das Kindsein vor Gott gelebt, die Demut. Wenn wir es so machen wie er und demütig sind vor Gott, dann werden wir auch den Menschen in Demut begegnen. Dann werden wir nicht auf unsere Leistungen pochen und auf unsere Rechte und nicht immer nur von uns selber reden, sondern schlicht und einfach Gott und den Menschen dienen mit den Kräften, die Gott uns geschenkt hat.

In unserem Evangelium erteilt Jesus seinen Jüngern die Lektion über die Demut, nach- dem sie sich gestritten haben über die Frage, wer der Größte von ihnen sei. Und er macht ihnen klar, dass der der Größte ist, der um sein Kindsein vor Gott weiß, der in der demüti- gen Haltung des Kindes das Ideal erblickt, der aus der schenkenden Liebe Gottes lebt und diese Liebe Gottes weitergibt in der Welt.

Wir sagten, dass Jesus den Jüngern im Evangelium des heutigen Sonntags zwei Gedan- ken anschaulich vor Augen führt, wenn er ein Kind in ihre Mitte stellt: Sie sollen demütig und klein sein wie das unverbildete Kind, und sie sollen die Demütigen und Kleinen lie- ben, ihnen muss ihr Herz gehören. Zu dem zweiten Gedanken noch einige Bemerkungen:

Zunächst gilt die Aufforderung Jesu an seine Jünger, die Demütigen zu lieben, im buch- stäblichen Sinne: Sie sollen die Kinder lieben. Wie es damit bei uns bestellt ist, darüber brauchen wir nicht lange zu reden. Nur das Eine sei hier gesagt: Unsere Kinderfeindlich- keit wird uns noch einmal zum Verhängnis. Diese unsere Kinderfeindlichkeit besteht dar- in, dass wir zum Einen den Kindern allzu oft den Weg ins Dasein versperren, und dass wir sie zum Anderen verhätscheln und verwöhnen, wenn sie einmal da sind, allzu oft, indem wir ihnen mit einer völlig unvernünftigen Liebe begegnen, mit einer Liebe, in der wir uns selber suchen, mit einer Liebe, die nichts anderes ist als verbrämte Selbstsucht. Es han- delt sich hier um zwei verschiedene Seiten ein und derselben Medaille. Die Medaille trägt die Namen Egoismus, Unfähigkeit zu lieben, Stolz und Selbstsucht.

Nicht nur im Blick auf die Kinder fällt es uns schwer, die Demütigen aufzunehmen, auch sonst fällt es uns schwer, uns in die Gesellschaft der Demütigen zu begeben. Statt dessen sind wir lieber bei den Stolzen, um von ihrem Glanz vielleicht noch etwas mitzubekom- men. Wenn wir die zentrale Botschaft Jesu nicht ganz und gar vergessen haben, dann wissen wir: Wo wir die Stolzen hofieren und die Demütigen und Kleinen zurückstoßen und von ihnen uns abwenden, da sind wir weit entfernt von der Gottesherrschaft, da sind wir noch gänzlich dem Geist der Welt verhaftet.

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Eine bedeutsame Aussage über Jesus, den Gottessohn, ist im Neuen Testament die, dass er demütig gewesen ist. Er war der demütige Knecht Gottes und wurde wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt. In der Bergpredigt preist er jene selig, die ihm in dieser Haltung nachfolgen. Der Demütige bekennt sich zur Wirklichkeit. Die Demut ist im Grunde eine Anwendung der Tugend der Wahrhaftigkeit. Der Stolze ist eigentlich immer dumm, weil er die Wirklichkeit nicht erkennt und anerkennt, eben den Geschenkcharakter unseres Da- seins und unser Kindsein vor Gott. Er ist dumm, weil er in Illusionen lebt und sich so das Leben schwer macht. Mit der Dummheit können wir jedoch unser Gewissen nicht entla- sten, denn nicht immer ist die Dummheit schicksalhaft. Es gibt eine Dummheit, die schuld- haft ist. Für jene aber müssen wir uns vor Gott verantworten. Wenn wir indessen nach der De- mut streben, dann können uns die Stolzen nicht imponieren, dann wird unser Herz stets den Demütigen gehören und den Kleinen. Amen.

 

PREDIGT ZUM 24. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 13. SEPTEMBER 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

 „DENEN, DIE GOTT LIEBEN, GEREICHT ALLES ZUM GUTEN“

Petrus erhält im heutigen Evangelium einen scharfen Tadel durch Jesus, nachdem er so- eben ein Bekenntnis zu dessen Gottessohnschaft abgelegt hat. Er wird getadelt, weil er nicht Gottes Gedanken denkt, sondern Gedanken der Menschen. Er hat Jesus nämlich Vorwürfe gemacht, weil er von seinem Leiden und vom Kreuz gesprochen hat. Der Tadel Jesu gilt mit Petrus allen, die die Gedanken der Menschen an die Stelle der Gedanken Gottes setzen möchten oder tatsächlich setzen. Damit gelten sie auch uns, denn es ist eine große Versuchung für uns alle, dass wir Gottes unbegreifliche Gedanken durch unse- re eigenen Plausibilitäten, durch unsere eigenen Vorstellungen ersetzen. Wer hätte nicht schon in diese Versuchung eingewilligt? Sie wird vor allem dann wirksam, wenn es uns schlecht geht, wenn Leid und Not uns bedrängen, Krankheit und Unglück. Dann sind wir oft versucht, mit Gott zu rechten, ihm Vorwürfe zu machen, ihn anzuklagen

*

Die Lektion, die uns hier erteilt wird, in diesem Evangelium, ist die, dass wir in Demut die Wahrheit Gottes und seine Entscheidungen hinnehmen, dass wir Gottes Offenbarung und seine Heimsuchungen nicht durch unsere eigenen Überlegungen ersetzen und Gott nicht anklagen, wenn wir ihn nicht mehr verstehen.

Oftmals wissen wir es besser, nicht nur in der Begegnung mit den Menschen, auch in der Begegnung mit Gott. Heute scheint es so, als ob die Zahl der Besserwisser ins Unendliche gewachsen sei. Das hängt damit zusammen, dass die Selbstüberschätzung des Einzelnen heute zu einem menschlichen und gesellschaftlichen Problem geworden ist, das giganti- sche Ausmaße angenommen hat. Darum die vielen Auseinandersetzungen. Das Problem wird gefördert durch den so genannten Pluralismus der Meinungen, der vielfach schon so etwas wie eine Ideologie geworden ist.

Die Versuchung, Gottes Offenbarung durch unsere Menschenweisheit zu ersetzen, ist zwar auch sehr groß und oft erliegen wir ihr, gerade heute, wenn wir etwa den Glauben zurechtbiegen und ihn unseren Erwartungen anpassen - so geschieht es nicht selten bei den Predigern -, aber in unserem Evangelium ist in erster Linie an jene andere Versu- chung gedacht, in der wir gegen das Schicksal rebellieren, gegen den Willen Gottes, ge- gen das Leid, das Gott uns auferlegt. Da vergessen wir, dass nicht Gott sich vor uns ver- antworten muss, sondern wir uns vor ihm verantworten müssen, dass wir ihm in allem verpflichtet sind. Dann müsste Gott sich vor uns verantworten, nicht wir vor ihm, wenn er ein Produkt unseres Geistes wäre. Genau das aber ist er heute nach der Meinung vieler, die seine Existenz unabhängig von uns und von unserem Denken und seine Macht und Größe schon lange geleugnet haben. Diese Position fassen wir unter den Begriff des Agnostizismus. Der Agnostizismus ist die Weltanschauung der praktischen Atheisten.

Gott ist nicht allmächtig und er ist nicht allwissend, das wird heute nicht selten im Namen der Vernunft propagiert. Dann aber ist er nur ein Gedanke, eine Projektion des Denkens der Menschen. Auch in der Theologie denkt man nicht selten so. Bei den Protestanten schon lange, heute aber auch in der katholischen Kirche. Wenn das Gottesbild nicht stimmt, wenn es nicht kohärent ist, dann stimmt alles nicht. Dann verliert die Botschaft der Kirche ihr Fundament. Ohne Fundament aber hängt alles in der Luft.

Weil Gott der schlechthin Vollkommene ist, deshalb können nicht wir mit ihm rechten, wohl aber kann er es mit uns. Und er tut es, und er wird es tun. Nicht Gott braucht uns, wir aber brauchen ihn. Und er ist, ob wir es wahr haben wollen oder nicht. Und er führt seine Pläne durch, ob wir damit einverstanden sind oder nicht.

In der dritten Vaterunser-Bitte beten wir, dass der Wille Gottes geschehe. Dieses Gebet ist für uns eine Verpflichtung, die uns immer neu bindet, wenn wir es beten. Wir beten das Vaterunser so oft, aber allzu oft gedankenlos. Da ist es gut, wenn wir uns bemühen, die dritte Bitte ganz bewusst zu beten, vielleicht von heute an, und dabei zu bedenken, was sie in sich enthält.

Es darf uns nicht verwundern, wenn uns Gott in seinen Anordnungen und in dem, was er zulässt, oft zum Rätsel wird. Wäre Gott nicht rätselhaft und unverständlich, dann wäre er nicht Gott. Dennoch ist es zuweilen schwer, den Willen Gottes und seine Fügungen zu be- jahen, scheint eine solche Bejahung zuweilen unsere Kräfte zu übersteigen.

Die Anklage gegen Gott, das Murren gegen seine Fügungen, das fällt uns leichter, als das Schwere und Unbegreifliche, das Gott uns zumutet, zu bejahen. Aber unser Ja dazu ist Ausdruck der Anerkennung, der Verehrung und der Anbetung Gottes.

Eine solche Bejahung gebietet uns der Glaube, aber auch die Vernunft tut es, schon aus pragmatischen Gründen, denn das Leiden, das wir bejahen, das wir annehmen, ist leich- ter zu ertragen als das Leiden, gegen das wir uns aufbäumen. Es ist äußerst töricht, ge- gen das Unabänderliche sich aufzubäumen, das Leid, das einem zugeteilt wird, nicht an- nehmen zu wollen, denn dadurch wird es größer und schmerzlicher. Alles Schwere wird leichter, wenn wir uns positiv dazu stellen, wenn wir ein inneres Ja dazu sprechen. Zu- dem hat das Leid läuternde Kraft, es macht uns ernster und verantwortungsbewusster, wir reifen im Leiden, vorausgesetzt, wir nehmen es an.

Tiefer noch und bedeutsamer ist der Trost, den der Glaube uns schenkt im Leiden. Denn er verweist uns auf die Weisheit und Liebe Gottes, der besser weiß, was uns zum Heile dient, und der auch das Böse zum Guten zu wenden und das Leid in Freude zu wandeln vermag.

Ohne dass Gott seine Zustimmung dazu gibt, fällt kein Haar von unserem Haupt. Alles, was geschieht, ist von Gott verfügt, seinen Augen entgeht nichts und denen, die seine Fü- gungen im Vertrauen annehmen, in Dankbarkeit und Liebe, ihnen gereicht alles zum Gu- ten.

Gottes Willen annehmen, das heißt aber nicht, die Hände in den Schoß legen oder gar in völlige Lethargie verfallen. Gott erwartet von uns, dass wir unser Schicksal in die Hand nehmen, dass wir das Unglück abwenden, dass wir uns dafür einsetzen, dass alles gut wird, dass wir tun, was wir tun können, dass wir aber nicht verzweifeln, wenn all unsere Mühen und Arbeiten zerschlagen und all unsere Hoffnungen und Pläne zunichte werden, dass wir uns dann in den Willen Gottes hineingeben. Beispielhaft begegnet uns diese Tu- gend im Alten Testament bei dem Dulder Hiob, nicht von Anfang an, aber er hat sie ge- lernt, diese Tugend.

Endlich sagt uns der christliche Glaube, dass wir durch das Leid mit Christus verähnlicht werden, in dieser Welt und vor allem in der kommenden. Größeres können wir nicht zu der Frage nach dem Leid sagen, zu der Frage der Theodizee, wie man diese Frage oft bezeichnet hat. Theodizee ist das griechische Wort für Rechtfertigung Gottes.

*

Petrus wird getadelt, weil er menschliche Überlegungen an die Stelle des Willens Gottes setzt. Das Nein zum Willen Gottes ist Rebellion, Auflehnung gegen Gott. Dieses Nein, es ist töricht, weil Gott seine Pläne auch ohne unsere Zustimmung  durchführt, weil dann das Leid noch schwerer wiegt und weil es uns dann nicht zum Heil dienen kann.

Es gilt, dass wir Gottes Gedanken denken, dass wir uns in der Tugend der Gelassenheit üben und dass wir Gott danken, wenn wir im Leid mit Christus verähnlicht werden.

Sollte uns die Zustimmung zu dem unbegreiflichen Willen Gottes gar zu schwer fallen, so können wir immer noch im Gebet um die nötige Kraft bitten und können wir uns mit dem leidenden Gottesknecht, dem gekreuzigten Erlöser, im Geiste vereinigen. Amen.

 

PREDIGT ZUM 23. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN IN ST. MARTIN IN FREIBURG AM 6. SEPTEMBER 2009

„ER MACHT DIE TAUBEN HÖREN UND DIE STUMMEN REDEN“

Die Heilung des Taubstummen, von der unser Evangelium heute berichtet, will, wie alle Wunder des Neuen Testamentes, deutlich machen, wer dieser Jesus ist und was sein Wir- ken bedeutet. Das Wunder des Evangeliums will die göttliche Macht und Liebe Jesu bezeugen. Mit den Zeitgenossen Jesu sollen wir erkennen: Hier ist einer, der größer ist als Abraham und die Großen der Vorzeit, einer, der alle gewohnten Kategorien sprengt, der mehr ist als ein Mensch. Zugleich aber sollen wir in seinem Wirken erkennen, wie Gott sich uns zuwendet, wenn wir im Glauben und im Vertrauen auf ihn unsere Hoffnung set- zen.

Seinem Wesen nach ist er der Sohn Gottes, seinem Wirken nach der Heiland der Welt. Dass wir das erkennen, nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen, das ist der Sinn aller Wunder, die Jesus gewirkt hat, darum geht es auch in diesem Wunder. Dass wir erkennen, dass in diesem Jesus sich der Himmel geöffnet hat und dass er sich fortwährend in ihm öffnet, dass der ewige Gott in ihm ein Mensch geworden ist und dass er der Heiland der Welt ist, das heißt, dass er die heillose Welt einst heil gemacht hat und dass nur er sie auch heute wieder heil machen kann. Nicht ganz zu Unrecht hat man von der Agonie der Welt in der gegenwärtigen Stunde der Geschichte gesprochen. Wie da- mals wird er, der Heiland, indessen auch heute nur dann tätig, wenn wir auf ihn hören, wenn wir nicht meinen, wir könnten uns allein aus dem Sumpf herausziehen oder unsere Hoffnung auf wohl klingende Namen setzen, wie sie uns die Geschichte der Menschheit präsentiert.

Die Bezeichnung Heiland wird heute nur noch wenig verwendet für Christus, und doch trifft sie genau die Wirklichkeit. Darin besteht sein Wirken, damals und heute, er heilt die kranke Welt und er macht uns gesund an Leib und Seele. Der Erlöser ist der Heiland der Welt. Besser und zutreffender können wir den Sinn seines Kommens nicht umschreiben.

Heil ist ein anderes Wort für Unversehrtheit, für das umfassende Glück, das nicht nur den Leib betrifft, sondern auch die Seele, nicht nur die vergängliche Zeit, sondern auch die Ewigkeit.

Unser deutsches Wort „Heiland“, das uns schon im Althochdeutschen begegnet und somit weit in die Geschichte zurückreicht, weit über 1000 Jahre, ist eine Übersetzung des grie- chischen „Soter“ und des lateinischen „Salvator“. In diesen Worten wird der Heiland stär- ker noch als der Retter gesehen, als der, der den Menschen aus der äußersten Gefahr her- ausführt.

Wenn wir Christus als den Heiland bekennen, dann bringen wir damit zum Ausdruck, dass es nur einen einzigen Ausweg gibt aus dem Unheil, für die Welt wie auch für den Einzel- nen, nämlich der Glaube an und das Vertrauen auf den, der einst den Taubstummen ge- heilt hat und der im Grunde der einzige ist, der nicht nur die Rettung verspricht, sondern sie auch bringt. - Davon sind  jedoch heute viele nicht mehr überzeugt, ja, viele meinen nicht einmal, dass unsere Welt und dass wir dieser Rettung bedürfen. Allzu viele wiegen sich in Sicherheit oder vertrauen hinsichtlich der Zukunft unserer Welt und auch ihres persönlichen Lebens auf Menschen oder auf das eigene Ich. Das ist ein verhängnisvoller Irrtum. Aber mit ihm schmeicheln wir uns selbst und schmeicheln wir den Menschen. Darauf aber kommt es uns an.

*

Blicken wir noch einmal zurück auf unser Evangelium: Jesus vollbringt die Heilung des Taubstummen mit einem einzigen Wort, mit einem Wort von tiefer Hintergründigkeit, mit dem Wort Ephpheta. Das Wort entstammt der aramäischen Sprache, jener Sprache, in der Jesus sein Evangelium verkündet hat. Das Aramäische war ein hebräischer Dialekt, so würden wir heute sagen.

Ephpheta bedeutet soviel wie „öffne dich“. Dieser Imperativ ist so etwas wie ein Schlü- sselwort für die gesamte Offenbarung. Wir verwenden ihn heute noch bei der Spendung des Sakramentes der Taufe. Immer geht es in der Offenbarung darum, dass wir uns öff- nen, für Gott und für die Menschen. Nur dann heilt Christus die Welt und uns, nur dann rettet er uns und die Welt, wenn wir uns ihm öffnen und seinem Wirken Raum geben. So ernst nimmt Gott den Menschen. Wenn wir uns verschließen, können wir nicht gerettet, können wir nicht heil werden. Gerade das tun jedoch nicht wenige heute, sie verschlie- ßen sich, sie schirmen sich ab, nach oben hin. Sie sind gleichsam taub gegenüber der Stimme Gottes. Oftmals wollen sie es so, weil sie autonom sein wollen, weil sie selber über ihr Leben bestimmen wollen. In der Regel aber sind sie gedankenlos oder stehen sie unter dem Einfluss der öffentlichen Meinung, die sie einfach gewissermaßen auf das Dies- seits fixiert.

Gott heilt uns durch den Heiland, aber nur dann, wenn wir demütig erkennen, dass wir der Heilung bedürfen und dass wir uns selber nicht heilen können, wenn wir uns öffnen, wenn wir nicht taub sind oder wenn wir uns nicht taub stellen. Auf das Ephpheta kommt  es an.

Was vielen von uns fehlt, das ist das Ohr für Gott und für die Ewigkeit. Das Reden aber setzt das Hören voraus.

Wenn wir offen sind für Gott, dann sind wir es auch für die Menschen, in der Regel. Und wenn wir wirklich offen sind für die Menschen, dann sind wir es auch im Allgemeinen für Gott.

Mit Gott wird die Welt menschlicher. Gott verbindet die Menschen, und er befreit sie aus dem Gefängnis des eigenen Ich.

In jedem Fall heilt Gott die Welt nur dann und nur dann rettet er sie, wenn wir ein Ohr ha- ben für ihn und für seine Stimme, wenn wir uns öffnen, wenn wir glauben und vertrauen und wenn wir seinem Wirken Raum geben.

Christus wirkt auch heute noch seine Wunder als der Heiland der Welt, physische Wunder und Wunder der Gnade, wo wir uns ihm öffnen und seinem Wirken Raum geben.

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Die Wunder Jesu, sie weisen uns allesamt darauf hin, dass in ihm Gott selber zu uns ge- kommen ist, um uns seine Liebe zu schenken. Und sie zeigen uns, dass er der Heiland ist, dass wir bei ihm das Heil der Seele und die Gesundheit des Leibes finden und dass er un- sere heillose Welt retten kann und will. Diese Wirkung können wir freilich nur erfahren, wenn wir uns ihm öffnen im Glauben und im Vertrauen und wenn wir die Gemeinschaft mit ihm suchen.

Öffnen wir uns für den Heiland, so öffnen wir uns auch für die Menschen. Die Hinwendung zu dem Mensch gewordenen Gottessohn disponiert uns für die Menschen. Die Isolierung der Menschen unserer Tage und die vielen Auseinandersetzungen, bedingt durch den wachsenden Egoismus, sind eine Folge ihrer Abwendung von Gott.

Das Evangelium von heute lehrt uns, den Heiland der Welt zu suchen, ihn zu lieben und mit ihm zu leben. Wir müssen hören auf ihn, dann ist er unser Heiland, das gilt für den Einzelnen, das gilt aber auch für die Welt.

Die Wunder, die er einst gewirkt hat, können wir auch heute noch von ihm erwarten, auch die physischen Wunder, die er einst gewirkt hat, wenn wir einen starken Glauben haben - er selber spricht von dem bergeversetzenden Glauben - und wenn unser Vertrau- en groß ist. Amen.

 

PREDIGT ZUM 22. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN IN FREIBURG, ST. MARTIN,
AM 30. AUGUST 2009

„DIESES VOLK EHRT MICH MIT DEN LIPPEN … IHR SCHIEBT GOTTES GEBOTE
BEISEITE UM MENSCHLICHER SATZUNGEN WILLEN“

Jesus nimmt in unserem Evangelium die Veräußerlichung der Pharisäer zum Anlass, ihnen und uns existentielle Wahrheiten nahezubringen, Wahrheiten, die wichtiger sind für uns als andere in der Welt. Er sagt ihnen und uns, wie wir den Weg zum ewigen Le- ben finden und wie wir ihn verfehlen. Er zitiert dabei den alttestamentlichen Propheten Jesaja: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, ihr Herz aber ist fern von mir“. Und er fügt hinzu: „Ihr schiebt Gottes Gebot beiseite um menschlicher Satzungen willen“ (Jes 29, 13). Die Pharisäer, sie beten, aber sie kümmern sich nicht um Gottes Gebote, jedenfalls nicht genug, sie ziehen die menschlichen Satzungen - wir würden heute sagen: die menschli- chen Konventionen - den göttlichen Geboten vor. Zudem ist ihr Beten eher auf die äußere Wirkung ausgerichtet. Sie beten, ja, aber weithin nur mit dem Munde. Ihre Religion ist formalistisch erstarrt, und es fehlt ihr die Verikale, weithin. Ihr Denken ist nicht in Ord- nung, und ihre Gesinnung ist nicht rein und aufrichtig.

Christus erinnert uns in unserem Evangelium daran, dass das Gebet der Spiegel der in- neren Gesinnung sein muss, der Gesinnung der Hingabe an Gott, und dass diese Gesin- nung wiederum Gestalt finden muss in der gewissenhaften Erfüllung der Gebote Gottes. Das Einhalten der menschlichen Satzungen ist da zu wenig, mit menschlicher Wohlan- ständigkeit können wir vor Gott nicht bestehen. So sagt man heute etwa gern: Er geht zwar nicht in die Kirche, aber er ist ein anständiger Mensch. Oder: Sie lebt zwar unver- heiratet mit einem Mann zusammen, aber das tun sie ja alle, das wird ja allgemein ak- zeptiert heute. Da treten menschliche Satzungen an die Stelle der Gebote Gottes.

*

„Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, ihr Herz aber ist fern von mir“, das heißt nicht, dass es auf das Beten nicht ankommt. So behauptet man es heute immer wieder. Man sagt dann: „Auf das Beten kommt es nicht an. Hauptsache, man ist ein guter Mensch!“ Und unter dem Letzteren versteht man dann einen Menschen, der angesehen ist in der Gesellschaft, weil er sich gut anpasst, weil er sich nicht gegen die menschlichen Satzun- gen in seinem Umfeld verfehlt. Damit stellt man sich nicht nur gegen das Christentum und im Grunde gegen jede Religion, sondern auch gegen jede Moral. Und: Wer so redet, der leugnet Gott und die Ewigkeit, praktisch, nicht  theoretisch. So hat Jesus nicht gespro- chen, ja, niemals hat ein religiöser Mensch je so gesprochen. Wer so redet, begnügt sich mit dem irdischen Leben, mit den Satzungen der Menschen, mit der Anerkennung der Menschen und mit der Ehre, die diese ihm entgegenbringen. Demgegenüber beginnt jede Religion mit dem Gebet, erst recht das Christentum. Das Gebet ist die erste Antwort des Glaubens. Die zweite ist das sittliche Leben, das Leben nach den Geboten Gottes.

Es ist gut und notwendig, das Gebet, aber es darf nicht nur aus leeren Worten bestehen. Wichtiger als das äußere Gebet ist das innere, das Gebet des Herzens. Bei ihm gibt es naturgemäß keine Veräußerlichung. Das innere Gebet, das ist das Verweilen bei Gott. Das äußere und das innere Gebet gehören zusammen. Das äußere Gebet muss immer auch innerlich sein. Und das innere Gebet, wenn es gepflegt wird, bewahrt es das äußere Ge- bet vor der Veräußerlichung.

Man kann nie zu viel beten, wenn man in rechter Weise betet. Für das rechte Gebet gilt das Wort des heiligen Paulus: „Betet ohne Unterlass“ (1 Thess 5, 17). Und wenn in unse- ren Gebeten wirklich das Herz bei Gott ist, dann werden sie auch fruchtbar in unserem Leben. Wer aber nicht einmal betet, wie will der den Willen Gottes erfüllen? Die Erfah- rung bestätigt es uns: Wenn schon die oft nicht Gottes Gebote halten, die noch beten, dann tun es erst recht die nicht, die nicht mehr beten. In der Regel ist es jedenfalls so. Wer nicht zu beten weiß, der weiß auch nicht recht zu leben. Er mag ein anständiger Mensch sein, aber das ist zu wenig, damit kann er vor Gott nicht bestehen. Der anstän- dige Mensch hält sich an die Satzungen der jeweiligen Gesellschaft. Er ist daran inter- essiert, dass die Menschen ihn anerkennen.

Je mehr wir beten und je mehr unser inneres Beten dem äußeren entspricht, umso mehr werden wir uns in unserem Leben Gott verpflichtet fühlen. Faktisch verliert der Mensch ohne das Gebet, ohne den Umgang mit Gott, sehr bald auch das Gespür für die Gebote Gottes. Was dann übrig bleibt, ist eine Allerweltsmoral, die aber auch nur da gilt, wo es Zuschauer gibt. Da geht es dann nur noch um menschliche Satzungen, wie es in unserem Evangelium heißt.

Es ist eine Tatsache, dass heute für immer mehr Menschen Gottes Gebote keine Rolle mehr spielen und dass auch das Gebet, das äußere und erst recht das innere, mehr und mehr versiegt. Wenn man nüchtern unsere Zeit betrachtet, muss man feststellen, dass noch nie so viele so wenig gebetet haben und dass sich noch nie so viele so leichtfertig über Gott und seine Gebote hinweggesetzt haben, wie das heute der Fall ist.

Der Grund dafür ist der: Gott selber ist vielen von uns zur Frage geworden. Die Existenz Gottes, eigentlich das Selbstverständlichste, ist für eine wachsende Zahl von Menschen nicht mehr selbstverständlich. Es geht heute im Grunde nicht mehr um das Gebet, son- dern um den Adressaten des Gebetes, und es geht heute nicht mehr um die Gebote, sondern um den, der sie gegeben hat. Wenn es ihn gar nicht gibt, klar, dann hat auch das Gebet seinen Sinn verloren, und dann werden auch seine Gebote hinfällig.

„Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit“, so lesen wir wiederholt im Alten Te- stament (Ps 110, 10; Spr 1, 7). Das will sagen: Weise ist der, der weiß um Gottes Existenz und um seine Größe. Weil Gott ein Fremdling geworden ist in unserer Welt, darum zählt auch sein Wille nicht mehr und erst recht nicht mehr das Gebet, das Gespräch mit ihm.

Die Weltlichkeit ist heute so perfekt geworden, dass eine große Zahl von Menschen Gott weder im Gebet sucht, noch sich um seine Gebote kümmert. Es gibt zwar Aufbrüche, neue Hinwendungen zu Gott, aber die haben den Charakter der Ausnahme, aufs Ganze gesehen treffen sie nur für einzelne Personen und für kleine Gruppen zu. Und auch mit der neuen Religiosität, von der man oft gesprochen hat, ist es nicht weit her, wenn man genauer hinschaut. Es gibt zwar noch Religionen, die Mehrheiten faszinieren, aber die moderne Zivilisation wird sie wahrscheinlich bald überrennen.

Die meisten Menschen leben oberflächlich dahin und haben jeden Sinn für die Verant- wortung vor Gott verloren. Sie tun, was man tut, und denken, was die Vordenker in den Massenmedien ihnen vordenken. Da braucht das Gebot Gottes gar nicht mehr beiseite geschoben zu werden, weil es gar nicht mehr da ist, weil es gar nicht mehr zur Kenntnis genommen wird. Und im Sog einer säkularen Öffentlichkeit beten sie nicht mehr, die meisten Menschen, nicht einmal mehr schlecht. Dadurch aber wird ihr Blick vollends von den Geboten Gottes abgewendet. Wo das Gebet stirbt, da schwindet das Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und das Bewusstsein der Verantwortung überhaupt. Und das Gebet stirbt da, wo Gott und die Religion grundsätzlich zur Frage werden. - Das Gebet und die Erfüllung des heiligen Gotteswillens sind aber die Voraussetzungen für das Gelin- gen unseres Lebens, das mit dem Tod eben nicht zu Ende ist.

*

Bei dem alttestamentlichen Propheten Micha, der mehr als 700 Jahre vor Christus im Süd- reich, in Juda, gewirkt hat, lesen wir: „Es ist dir, o Mensch, gesagt, was gut ist, was Gott von dir verlangt: Das Rechte zu tun und das Gute zu lieben und in Demut zu wandeln mit deinem Gott” (Mich 6, 8). Das will sagen: Worauf es ankommt in unserem Leben, das ist das Gebet mit dem Herzen und mit dem Munde, das Gebet in reiner Gesinnung, und die Erfüllung des Willens Gottes aus der Kraft des Gebetes, des Umgangs mit Gott: „Das Rech- te zu tun und das Gute zu lieben und in Demut zu wandeln mit deinem Gott“. Amen.

 

PREDIGT ZUM 21. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 23. AUGUST 2009 IN FREIBURG, ST. MARTIN

ANIMA NATURALITER RELIGIOSA - VON NATUR AUS IST
DER MENSCH EIN RELIGIÖSES WESEN

Was die Zuhörer Jesu von uns unterscheidet, das ist, dass sie interessiert waren an Gott und an der wahren Religion. Sie wollten es wissen, wie Gott verehrt werden will, wie er in unsere Welt hineinwirkt und welche Gebote er dem Menschen gegeben hat. Das ist an- ders bei uns, bei den meisten Menschen heute. Die einen wissen, dass alle Religion Illu- sion ist, dass es den entscheidenden Gegenstand der Religion, nämlich Gott, nicht gibt und dass es außer dieser unserer sichtbaren Welt nichts gibt, dass infolgedessen auch der Mensch keine unsterbliche Geistseele hat, dass für ihn mit dem Tod alles aus ist, nicht an- ders als das beim Tier der Fall ist. Die anderen sagen, ob es Gott gibt und ob es eine Ewigkeit für den Menschen gibt, das weiß niemand. Wieder andere sagen: Ob es Gott gibt und die Ewigkeit für den Menschen oder ob niemand das weiß, das ist mir egal. Sie alle leben in den Tag hinein und lassen es sich gut sein, soweit das möglich ist. Sie denken nicht tiefer nach, ihr Leben ist geprägt von einer rein weltlichen Öffentlichkeit, die nach außen hin glänzt, aber innerlich hohl ist. Sie begnügen sich mit dieser unserer vergäng- lichen Welt und handeln stets so, wie es ihnen nützlich erscheint. In allem suchen sie den höchst möglichen Vorteil für sich und sind sie bemüht, so wenig Ärger zu haben, wie es nur möglich ist.

*

Aber Gott und die unsterbliche Seele, darum wissen wir im Tiefsten. Wir wissen um Gott, der unvergänglich ist und uns eine unsterbliche Seele eingeschaffen hat, wir wissen, dass die Religion unvergänglich ist, wie wir selber unvergänglich ist. Wie wissen, dass die Re- ligion zum Menschen gehört. Solange es Menschen gibt auf dieser Erde, wussten sie, dass sie Gott verehren müssen, dass sie als freie Wesen verantwortlich sind vor Gott, dass sie eine Seele haben, die nicht sterben kann und dass sie verantwortlich sind für ihr Leben, für ihr Tun und Lassen, so sehr, dass die ganze Ewigkeit für sie davon abhängt. Wir ent- wickeln uns zurück, wenn wir uns mit unserer vergänglichen Welt begnügen.

Zwar können wir uns Gott und der Ewigkeit verweigern, aber wir sind töricht, wenn wir das tun, denn wir zerstören damit unser Leben, das ewige in jedem Fall, in vielen Fällen aber auch das zeitliche.

Der SS-General Oswald Pohl, der im Jahre 1951 für seine Untaten mit dem Tod bestraft worden ist - er war maßgeblich am Holocaust beteiligt -, hat in der Zeit vor der Vollstrek- kung des Urteils im Gefängnis in Landsberg ein kleines Büchlein geschrieben mit dem Ti- tel „Credo, mein  Weg zu Gott“. In ihm denkt er über sein gottfernes Leben nach und be- schreibt seine Hinwendung zu Gott, seine Bekehrung im Angesicht seines bevorstehenden Todes. In jenen Monaten hat er in seiner Gefängniszelle wie ein Mönch in seiner Kloster- zelle gelebt.

Die Geschichte seiner Gottesferne und seiner Bekehrung gipfelt in der Feststellung: Es ist natürlich für den Menschen, an Gott zu denken, wenn er allein ist, ganz allein, und an den Tod denkt. Genau das aber vermeiden viele Menschen heute, das Alleinsein und das Denken an den Tod. Oswald Pohl konnte nur deshalb solche Verbrechen ausdenken, wie er sie begangen hat, und an solchen Verbrechen teilnehmen, wie sie damals geschehen sind, weil er vor Gott und vor der Ewigkeit und vor seiner Verantwortung die Augen ver- schlossen hatte. In all das hat er sich immer mehr verstrickt. Das Böse entfaltet seine eige- ne Dynamik, wenn man sich ihm überlässt, wenn man sich gehen lässt, vor allem dann, wenn man zu wissen meint, dass es keinen Gott und dass es keine Ewigkeit gibt für uns. Wo Gott nicht ist, wo man seine Existenz bestreitet, da ist der Gegenspieler Gottes über- mächtig.

Weil viele Menschen heute der Einsamkeit entfliehen und ebenso den Gedanken an den Tod verscheuchen, darum leben sie ohne Gott und ohne Religion, darum setzen sie an die Stelle Gottes das eigene Ich und umgeben es mit göttlichen Ehren.

Wir können uns Gott verweigern, missbrauchen damit jedoch unsere Freiheit. Verweigern wir uns Gott, so hat das böse Konsequenzen, wenngleich diese nicht immer so abgründig und so grauenvoll sind, wie im Fall von Oswald Pohl. Eines ist sicher: Die zwei Kriege des 20. Jahrhunderts und der braune und der rote Terror wären nicht über uns gekommen, wenn wir Gott nicht verlassen hätten.

Dass es Gott gibt und die unsterbliche Seele, das sagt uns auch das Gewissen in seinem unerbittlichen Anspruch. Das Gewissen ist das Echo der Stimme Gottes. Wir können uns allerdings über unser Gewissen hinwegsetzen, denn wir können nicht nur anderen etwas vorlügen, wir können das auch bei uns selbst. Und wenn wir es lange genug tun, dann nehmen wir unsere Lügen schließlich für bare Münze. Wir können unser Gewissen gleich- sam totschlagen. Aber irgendwann meldet es sich dann wieder - hoffentlich dann nicht zu spät, so möchte man sagen.

Früher begann der Katechismus mit der Frage: Wozu sind wir auf Erden? Und die Ant- wort lautete: Um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und einst ewig bei ihm zu leben. Das Leben bei Gott, wozu Gott uns berufen hat, fällt uns nicht in den Schoß. Das sagt uns schon die Vernunft. Und die Offenbarung bestätigt es mehr als einmal. Wenn Gott existiert und wenn er gesprochen hat, dann ist unser Dienst vor Gott eine Schick- salsfrage für uns, nicht nur für unser zeitliches Leben. Nicht Gott braucht uns, aber wir brauchen ihn. Dabei ist es nicht egal, wie wir ihn verehren, wie wir uns bemühen, seinen Willen zu erkennen und zu erfüllen.

Alle Religion und insbesondere die christliche beginnt bei der Gottesverehrung. Wenn wir Gott anbeten, offenbart er uns seinen heiligen Willen. Im Geist und in der Wahrheit sollen wir ihn anbeten. So sagt es das Evangelium. Die Anbetung Gottes führt uns zur Wahrheit. Durch sie erfahren wir, wie wir leben sollen, wie wir das wahre Leben finden können. Authentisch sagt es uns die Kirche, sofern sie  von Gott den Auftrag hat und von ihn in- stand gesetzt wurde, seine Offenbarung im Heiligen Geist zu interpretieren, zu aktuali- sieren und zu verkündigen.

*

Glücklich macht es uns nicht, wenn wir uns all unsere Wünsche erfüllen, glücklich macht es uns nicht, wenn wir leben, als gäbe es Gott nicht und als hätte er uns nicht seine Gebo- te gegeben. Wirklich glücklich werden wir, wenn wir uns vor Gott verdemütigen, wenn wir beten, wenn wir den Willen Gottes erfüllen, wenn wir uns selbst überwinden und wenn wir zur rechten Zeit Verzicht üben. Glücklich macht uns vor allem auch das Opfer, wo immer es aus der Liebe hervorgeht. Amen.

 

PREDIGT ZUM FESTTAG DER AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL, GEHALTEN AM 16. AUGUST 2009 IN FREIBURG, ST. MARTIN

„WIRKET, SOLANGE ES TAG IST, ES
KOMMT DIE NACHT“

Gestern begingen wir das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Heute begehen wir es noch einmal, um das Festgeheimnis in seiner Bedeutung recht zu würdigen. In ihm richten wir den Blick auf das Endschicksal Mariens: Ohne Sünde hat sie gelebt und nach ihrem irdischen Leben wurde sie mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen. Da- durch unterscheidet sie sich von allen Heiligen: Sie ist nicht nur mit ihrer Seele bei Gott, sondern auch mit ihrem Leib, mit ihrem verklärten Leib. Maria ist die Ersterlöste, und bei ihr hat die Erlösung ihre vollendete Gestalt erreicht. Die Auferstehung der Toten, die Zu- kunft aller Menschen, wie wir sie im Credo bekennen, ist für sie bereits Gegenwart. Daher können wir das Fest ihrer Aufnahme in den Himmel auch als eine Nachfeier der Aufer- stehung Christi verstehen.

*

Die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmelt stellt „der Kirche und der Menschheit das Bild und den trostvollen Beweis vor Augen, wie letztlich ihre Hoffnung verwirklicht wird“. So drückt es Papst Paul VI im Jahre 1974 aus (Marialis cultus). Gestern sagte Papst Bene- dikt XVI. in einer Predigt in Castelgandolfo, durch den Aufstieg Mariens erhalte die menschliche Hoffnung auf Gott einen sichtbaren Ausdruck. Nicht zuletzt erinnert uns die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel an die Würde unseres Leibes, sofern er Anteil haben soll an unserer Endvollendung, und an die sich daraus für uns ergebende Verant- wortung. Nicht nur unsere Seele ist für die Ewigkeit bestimmt, auch unser Leib ist es.

Dass die Seele nicht stirbt, das wussten schon die alten Griechen, ja, das haben die Men- schen schon immer gewusst, denn die Unsterblichkeit der Seele des Menschen ist eine Grundaussage aller Religionen. Das Neue des Christentums ist der Glaube an die Aufer- stehung der Toten, die uns eigentlich schon im Alten Testament begegnet, die zur Zeit Je- su allerdings in den theologischen Schulen der Pharisäer und der Sadduzäer verschieden beurteilt wurde.

Es ist der Leib, der aufersteht, die Seele kann nicht auferstehen, weil sie ja nicht sterben kann. Er wird wieder mit der Seele vereinigt. Der Leib, der aufersteht, ist verklärt, wie der Leib des auferstandenen Christus, aber es der gleiche Leib, den wir von unseren Eltern erhalten haben. Wie das zu denken ist, das übersteigt unsere Vorstellung. Bedeutsam ist hier die Identität des Leibes. Das betont der heilige Paulus mit Nachdruck im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes

Mit der leiblichen Auferstehung lehrt uns der Glaube die Würde des Leibes, jene Würde des Leibes, die heute in vielfältiger Weise missachtet wird, heute vielleicht mehr als je zuvor, früher eher durch andere, heute eher durch uns selber.

Missachtet wird der Leib etwa da, wo man ihn mutwillig zerstört oder seine Gesundheit und seine Unversehrtheit in Gefahr bringt, etwa im Straßenverkehr oder im unbeherrsch- ten Essen und Trinken oder im unkontrollierten Gebrauch der Genussmittel oder gar im Gebrauch der Drogen um der Erhöhung der Lebensqualität willen. Man verfehlt sich aber auch gegen die Würde des Leibes, wo man den Leib des Mitmenschen oder den eigenen Leib im Hinblick auf die Geschlechtlichkeit ausbeutet, wo man die Geschlechtlichkeit als Mittel zur Lustgewinnung instrumentalisiert und hier die Ordnung Gottes auf den Kopf stellt.

Das ist ein besonders heikles Kapitel heute, nicht zuletzt deshalb, weil es zu wenig ange- sprochen in der Kirche. Es geht hier um die Tugend der Keuschheit, um die standesge- mäße Keuschheit, der man eine so genannte aufgeklärte Sexualmoral entgegenstellt, die man totalitär progagiert. Die einen tun das aus ideologischen Gründen, die anderen aus wirtschaftlichen Gründen, wieder andere, weil sie meinen, so könnten sie glücklich wer- den und die Menschheit beglücken. Was sie nicht bedenken, das ist, dass sie so in ver- hängnisvoller Weise die Würde des Menschen zerstören und mit ihr die Ehe und die Fa- milie. Das aber ist tödlich. Denn ohne geordnete Ehen und Familien, wonach sich im Grunde alle Menschen sehnen, gibt es keine Zukunft. Die einen bedenken das nicht, die anderen sind verblendet, oder ihnen ist eh alles egal, weil sie resigniert haben oder weil sie bewusst die Ordnung Gottes zerstören wollen.

Die sexuelle Ausschweifung und die Unzucht treten in unserer Spaßgesellschaft, die von Verantwortungslosigkeit geprägt ist, weithin an die Stelle der Religion. Der sexuellen Ausschweifung und der Unzucht aber folgen unaufhaltsam Gewalt, Brutalität und Grau- samkeit.

Wo die sexuelle Aktivität überbordet, da verliert die Religion sehr bald ihr Fundament, und wo man die Religion verabschiedet hat, da versklaven die Triebe den Menschen. Der stärkste Trieb aber ist nun einmal der Geschlechtstrieb.

Gottes Gebote wollen die Menschen nicht schikanieren, sich wollen ihnen vielmehr hel- fen, ihre Freiheit recht zu gebrauchen und ihr Leben nicht zu zerstören. Es geht hier um die Würde des Menschen. Wenn der Mensch seine Würde zerstört, zerstört er seine Zu- kunft. Tatsächlich zerstört er seine Würde und seine Zukunft nachhaltig durch die sexuelle Anarchie, die brutal propagiert wird bei uns, durch das, was man heuchlerisch oder aus Dummheit als aufgeklärte Sexualmoral bezeichnet, was aber faktisch keine Moral mehr ist, weil es hier keinerlei Normen mehr gibt.

Die Wiederherstellung der Tugend der Keuschheit, der standesgemäßen Keuschheit, ist heute zu einer entscheidenden Lebensfrage für die Gesellschaft und für die Kirche ge- worden. Wir können dazu beitragen, indem wir Selbstdisziplin üben, indem wir die Medien meiden, die in dieser Hinsicht weithin verantwortungslos sind, indem wir immer wieder auf die verheerenden Folgen der unbeherrschten Sexualität hinweisen und indem wir im Rahmen unserer Möglichkeiten unsere Kinder und Jugendlichen schützen und ihnen die Schönheit eines keuschen Lebens immer wieder vor Augen führen. In der Ge- schichte sind ganze Völker und Kulturen an der unbeherrschten Sexualität zugrunde ge- gangen.

*

Die Aufnahme Mariens in den Himmel erinnert uns daran, dass auch unser Leib für das ewige Leben bestimmt ist. Dadurch erhält er eine hohe Würde. Diese wird heute in viel- fältiger Weise missachtet. Wenn wir die Würde auch des Leibes nicht respektieren, ver- lieren wir nicht nur das ewige Leben. Mit Maria finden wir den rechten Weg, vor allem finden wir mit ihr den Mut und die Kraft, gegen den Strom der Zeit zu schwimmen. Ja, die Mutter Jesu, die auch die Mutter der Kirche und darüber hinaus die Mutter der erlösten Menschheit ist, sie zeigt uns den sicheren Weg durch die Zeit, ja, sie ist der sichere Weg .

Unsere Ewigkeit beginnt in der Zeit, sie beginnt heute und morgen. Christus mahnt uns im Evangelium: „Wirket, solange es Tag ist“ (Joh 9, 49). Amen.

 

 PREDIGT ZUM 19. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 9. AUGUST 2009 IN FREIBURG, ST. MARTIN

„IHR HABT DAS SIEGEL DES HEILIGEN GOTTESGEISTES
EMPFANGEN“

Wir haben das Siegel des Heiligen Geistes empfangen, so heißt es in der (zweiten) Le- sung des heutigen Sonntags. Von der Besiegelung durch den Heiligen Geist ist wieder- holt die Rede im Neuen Testament (2 Kor 1, 22; Eph 1, 13; 4, 30). Auch im letzten Buch des Neuen Testamentes, in der Offenbarung des Johannes, ist  die Rede von ihr. Da werden die Geretteten als Besiegelte bezeichnet (Apk 7, 4). Ausdrücklich angesprochen wird die Besiegelung heute noch bei der Spendung der Firmung, wenn es da heißt: „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist“. Die Kirche versteht das Sakrament der Fir- mung als das Sakrament der Besiegelung. Aber schon in alter Zeit wurde auch die Taufe als Besiegelung verstanden, die Taufe, die ja ohnehin ganz nahe bei der Firmung ange- siedelt ist.

*

Wenn nun heute in der (zweiten) Lesung von der Besiegelung durch den Heiligen Geist die Rede ist, was will der Apostel damit zum Ausdruck bringen? Zur Zeit des Apostels und überhaupt in der Antike spielte das Siegel eine große Rolle. Man besiegelte Dinge, Tiere und Menschen. Durch die Besiegelung bezeichnete man das, was einem gehörte. Man kennzeichnete es so als sein Eigentum, um es vor Verlust und vor fremdem Zugriff zu schützen.

Demnach bedeutet unsere Besieglung durch die Sakramente der Taufe und der Firmung, dass wir Gottes Eigentum sind, das nur noch Gott über uns verfügen kann, niemand an- ders, dass wir nicht einmal selber mehr über uns verfügen können.

Wenn wir unsere Taufe und unsere Firmung ernst nehmen, wissen wir, dass wir Gott ge- hören, ja, dass wir Tempel Gottes sind und dass der Heilige Geist in uns wohnt und mit ihm der Vater und der Sohn. Das gilt allerdings nur, wenn wir in der heiligmachenden Gnade leben, wenn wir das göttliche Leben nicht durch eine schwere Sünde verloren ha- ben. Wer den Tempel Gottes verwüstet, den wird Gott verderben, heißt es im 1. Korinther- brief (1 Kor 3, 16 f).

Nun sind wir aber schon deshalb Gottes Eigentum, weil Gott uns geschaffen hat. Demge- genüber ist die Besiegelung im Heiligen Geist durch Taufe und Firmung eine neue Über- eignung, die auf einer höheren Ebene erfolgt, eine Übereignung, die ihrerseits immer neu aktualisiert und vertieft wird in den Sakramenten der Eucharistie und der Buße. Als im Heiligen Geist Besiegelte sind wir Gottes Eigentum in einer ganz besonderen Weise. Wir können diesen Tatbestand vielleicht so verdeutlichen: Wir gehören Gott in der natürlichen wie auch in der übernatürlichen Ordnung, denn Gott hat uns erschaffen, und er hat uns erlöst. So wird die natürliche Zuordnung zu Gott überhöht durch die übernatürliche.

Auf zweifache Weise sind wir Gottes Eigentum. Daraus ergeben sich für uns nicht wenige Konsequenzen. Ein Teil von ihnen wird in unserer Lesung angesprochen, wenn es da heißt, dass Bitterkeit und Groll und Zorn und Schreien und Schmähen oder Unversöhn- lichkeit und Unbarmherzigkeit in unserem Leben keinen Platz haben dürfen, ja, dass darüber hinaus jede Form von Bosheit aus unserem Leben verbannt werden muss.

Allzu oft ist es so in unserem Alltag: Wir haben eine Kränkung erfahren, es kommt dann zuerst das Gefühl der Bitterkeit in die Seele, sodann tritt die Erregung hinzu und endlich flammt der Zorn auf, der sich nach außen hin äußert in Geschrei und in der Schmähung der anderen. Genau wie es der Apostel schildert.

So entspricht es unserer Natur. Eingedenk dessen, dass wir Tempel des Heiligen Geistes sind und im Vertrauen auf die helfende Gnade Gottes, müssen wir diese unsere Natur jedoch in der Kraft des Glauben, der Hoffnung und der Liebe überwinden. Das mag ein langer Prozess sein, aber wir lernen die Selbstbeherrschung, indem wir sie üben und sie recht motivieren, eben durch die Liebe. Alles ist leicht, wenn es aus Liebe geschieht.

Die Botschaft Jesu und seiner Kirche fordert von uns höchste sittliche Kraft im Widerstand gegen das Böse und in der Überwindung des Bösen durch das Gute.

Das ist ein bedeutender Aspekt unseres Glaubens, der heute in einer seichten Verkündi- gung, die zudem oftmals extrem subjektiv und auf Wirkung angelegt ist, weithin unter den Tisch fällt. Immer wieder hat man heute den Eindruck, dass das, was als Verkündi- gung geboten wird in unseren Kirchen und in den verschiedenen Formen des Religions- unterrichtes, sich eher als ein zweiter Aufguss der ursprünglichen Botschaft darstellt. Die Folge ist die, dass die so verwässerte Botschaft Christi und seiner Kirche nicht mehr ernst genommen wird. Darum werden die Kirchen nicht voller und darum erstirbt die Begei- sterung für ein Leben nach den evangelischen Räten und für das Priestertum der Kirche. Das ist wohl der eigentliche Grund für unsere Misere, der zweite Aufguss.

Grundlegend für unser Christenleben - daran erinnert uns die Rede von der Besiegelung im Heiligen Geist - ist die Konsequenz, in der wir uns ganz und gar von Gott in Dienst neh- men lassen. Tun wir das, dann leben wir für Gott, dann arbeiten wir für ihn und dann ster- ben wir für ihn.

Diesen Gedanken bringt das Neue Testament zum Ausdruck durch das Bild von dem Knecht, der sich einsetzt für seinen Herrn. Immer wieder heißt es da: Wir sind Knechte Gottes. Zwar werden wir da auch Freunde und Söhne oder Kinder Gottes genannt, aber dadurch wird das Knechtsein in diesem Sinne nicht aufgehoben. Als Knechte Gottes sind wir Gott in allem verpflichtet, schon deshalb, weil er uns erschaffen hat. In einer ganz neuen Weise sind wir es dann aber, weil wir dank der Erlösung aufs Neue und in einer tieferen Weise Eigentum des dreifaltigen Gottes geworden sind, übernatürlich erhoben, weshalb wir unser Leben nun in letzter Konsequenz als Dienst vor Gott verstehen müssen.

Dem modernen Menschen geht dieser Gedanke nur schwer ein, der Gedanke unserer Zu- gehörigkeit zu Gott und unseres konsequenten Dienstes vor Gott. Denn eher als Gott gehö- ren die Menschen unserer Tage den Trieben, die sie knechten, eher gehören sie den Wünschen und Sehnsüchten, die ihnen Freiheit versprechen, die sie jedoch extrem ab- hängig machen. Oder sie sind den Massenmedien hörig und der öffentlichen Meinung, oder sie sind den Schlagworten und dem widergöttlichen „man“ verpflichtet. Sie sind Knechte, aber nicht Knechte Gottes. Sie fordern Freiheit, unterwerfen sich aber willig der Knechtschaft dieser Welt und verschmähen die wahre Freiheit. Während sie denken und reden und handeln, wie alle es tun, berufen sie sich gern auf ihr Gewissen, meinen aber in Wirklichkeit die Rechtfertigung ihrer Beliebigkeit.

Allzu oft lassen die Menschen unserer Tage sich ihre Lebensgrundsätze von solchen auf- drängen, die es nicht wert sind, dass sie ihnen ihre Aufmerksamkeit schenken.

Indem sie sich ihrem eigentlichen Herrn entziehen, liefern sie sich mehr und mehr den Despoten dieser Welt aus, die sich oft hinter anonymen Mächten verbergen. Gott verbürgt uns die wahre Freiheit. Ihm dienen, heißt in Wahrheit herrschen. Wir herrschen über uns und mit Gott, wenn wir wissen, dass wir Gott gehören sowohl in der natürlichen als auch in der übernatürlichen Ordnung und wenn wir aus dieser Wirklichkeit heraus leben.

Wir hätten mehr Verständnis für die grundlegende Forderung, uns als Gottes Eigentum zu verstehen und ihm konsequent zu dienen, wenn die Wirklichkeit Gottes uns nicht so fern läge. Tatsächlich ist Gott für uns weithin nur noch so etwas wie ein Gedanke, wie eine Idee in uns, tatsächlich ist er für uns weithin nicht mehr draußen in der Wirklichkeit, ist er für uns nicht mehr eine objektive Gegebenheit. Das gilt heute auch für viele, die sich no- minell noch als Christen verstehen. Aber im Grunde ist es so, dass die atmosphärische Gottlosigkeit unserer Zeit an keinem von uns spurlos vorübergeht.

*

Das Siegel Gottes tragen, das bedeutet: Gottes Eigentum sein. Das ist eine Gabe, die uns zur Lebensaufgabe werden muss. Immerfort müssen wir werden, was wir sind. Das ist das Grundgesetz der Heilsordnung, in die uns Gott hineingestellt hat. Es gilt, dass wir konse- quent dem Bösen widerstehen und das Böse durch das Gute überwinden. Jeden Morgen und jeden Abend sollten wir uns im Gebet daran erinnern, dass wir Gott gehören, und uns ihm dabei immer wieder aufs Neue übereignen. Die immer neue Übereignung, die ihren eigentlichen Ort in der rechten Mitfeier der heiligen Messe hat, sie ist das Unterpfand un- serer Hoffnung auf den Tag der vollen Erlösung. Amen.

 

PREDIGT ZUM 18. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 2. AUGUST 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN 

„WER EIN FREUND DIESER WELT SEIN WILL, WIRD ZUM FEIND GOTTES“

Es ist das erste und entscheidende Anliegen Jesu, die Menschen zu Gott zu führen, sie zu lehren, ihre Hoffnung nicht auf diese vergängliche Welt zu setzen, sondern auf die Ewig- keit. Es geht ihm nicht darum, ihren leiblichen Hunger zu stillen, ihnen irdische Wohlfahrt zu bringen, in erster Linie will er den Hunger ihrer Seelen wecken und stillen. Das macht das Evangelium des heutigen Sonntags, die Auseinandersetzung Jesu im Anschluss an die wunderbare Brotvermehrung, deutlich. Jesus enttäuscht damit aber die Erwartung sei- ner Zuhörer. Überrascht sein kann er darüber nicht, denn allzu oft hat er es erfahren, dass das Herz der Menschen mehr auf das Sichtbare gerichtet ist als auf das Unsichtbare. Im- mer wieder ist davon die Rede in den Evangelien im Zusammenhang mit dem Wirken Je- su: Die Menschen wollen irdisches Wohlergehen, er aber will ihre Gedanken auf Gott richten. Sie wollen materielle vergängliche Güter, ihm aber geht es um die immateriel- len unvergänglichen Güter. Nicht zuletzt deshalb stirbt er den Tod am Kreuz. Die Tatsa- che, dass sein Anliegen ein religiöses war, war nicht der einzige Grund für seine Hinrich- tung, aber doch ein wesentlicher.

Der Konflikt zwischen der Erwartung der Menschen und dem, was Gott ihnen bringen will und was er will von ihnen, das ist das Kreuz der Verkündigung der christlichen Botschaft und der geistlichen Betreuung der Menschen zu allen Zeiten. Nimmt der Verkündiger des Glaubens, der Zeuge Christi, das Maß an dem, den er eigentlich zu vertreten hat, so be- kommt er Schwierigkeiten, jedenfalls nicht selten, heute mehr denn je. Erfüllt er die Er- wartung der Menschen, beschränkt er das Evangelium auf Mitmenschlichkeit und soziale Verantwortung und reduziert der die Seelsorge auf Gemeindebetrieb - Gemeindearbeit nennt man das heute gern -, so findet er Zustimmung, zumindest mehr Zustimmung, als wenn er in der treuen Nachfolge seines himmlischen Auftraggebers steht und das Gebet und die Erfüllung des Willens Gottes in den Mittelpunkt stellt.

Die Massen wollen Brot und Spiele, „panem et circenses“, so war es auch bei den alten Römern, die Massen wollen Brot und Spiele, und wer ihnen das bringt, der wird ihren Beifall erhalten.

*

Das Thema unserer Überlegungen, angeregt durch das heutige Sonntagsevangelium, ist also die Frage: Worum geht es im Christentum? Worum muss es in der Kirche gehen? Um das irdische Wohl der Menschen oder um ihr ewiges Heil?

Das ist ein Thema, das gegenwärtig von großer Aktualität ist, weil die Religion als solche in der Geschichte der Menschen noch nie so angefochten gewesen ist wie heute, weil ein Leben ohne Gott und ohne Religion noch nie so plausibel gewesen ist für einen Großteil der Menschen, zumindest in unserer westlichen Industriegesellschaft, wie das heute der Fall ist.

Die Antwort des Evangeliums ist einfach. Sie lautet: „Bemüht euch nicht um eine ver- gängliche Speise, bemüht euch um jene Speise, die bewahrt für das ewige Leben ... Das wahre Brot, das euer Vater euch gibt, ist der Sohn, der vom Himmel herabgestiegen ist, um der Welt das ewige Leben zu bringen“.

Wir denken hier vielleicht an die eucharistische Speise, an das Sakrament des Altares, das wichtiger ist als die Nahrung des Leibes. Aber das ist nur ein Aspekt, die unvergäng- liche Speise, die hier gemeint ist, ist umfassender, sie meint nicht nur dieses Sakrament, sie meint auch die übrigen Sakramente und sie meint auch das Wort Gottes. Und mehr noch, sie meint auch die Frucht der Sakramente und der Annahme des Wortes Gottes, den Umgang mit Christus und mit Gott im Alltag, das Gebet und das christliche Leben.

Das Reich Gottes, das Jesus verkündet, ist nicht ein irdisches Reich. Sein Reich ist nicht von dieser Welt. Das erklärt er klar und deutlich auch seinen irdischen Richtern (Joh 18, 36).

Das Christentum ist nicht Politik und soziales Bemühen, es ist nicht Verbrüderung mit der Welt und Gutheißung dessen, was die Welt uns präsentiert, sondern Vorbereitung auf die Ewigkeit. Schon damit wird die Kirche zur „Kontrastgesellschaft”. Heute scheint sie alles andere eher zu sein als das. Das Christentum ist die Botschaft von Gottes Liebe zu den Menschen und die Mahnung an die Menschen, dieser Botschaft im Leben zu entsprechen, ihr die rechte Antwort zu geben. Im Christentum geht es in erster Linie um ein Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Diese findet ihren Ausdruck in der Gottesverehrung und im Gebet und in der Erfüllung des Willens Gottes aus Dankbarkeit.

Die Liebe zu Gott legt uns Pflichten auf. Sie ist geheuchelt, und sie verliert aus unserer Perspektive ihr Fundament, wenn wir keinen Blick haben für die leibliche und die geisti- ge Not der Menschen. Sie ist oft so groß, diese Not, dass die von ihr Betroffenen in nicht wenigen Fällen kein Ohr mehr haben für die Botschaft Jesu von der Liebe Gottes. Das ewige Heil ist durchaus auch mit der irdischen Wohlfahrt verbunden. Es verpflichtet uns geradezu zum Einsatz für die Menschen, zur Gerechtigkeit für alle, aber um der Ewigkeit willen, um Gottes willen. Einen anderern wirklich überzeugenden Grund gibt es nicht für den Einsatz für die Menschen und für eine gerechte Welt. Es ist konsequent, wenn in un- serem „postchristlichen Zeitalter” der Egoismus dominiert, der jede Gemeinschaft zer- stört.

Es ist eine verhängnisvolle Fehldeutung des Christentums, eine Fehldeutung, die uns heu- te oft begegnet, die aber eigentlich zeitlos ist, wenn man Gott die Mitte streitig macht um des Menschen willen, wenn man vergisst, dass die Ehre Gottes das Heil des Menschen ist. Über den Hunger des Leibes vergisst man dann den Hunger der Seele. Dann wird das Christentum, dann wird der Auftrag der Kirche verfälscht, von Grund auf. Wer den zweiten Schritt vor dem ersten tun will, der stolpert. Erst wenn wir Gott die Ehre geben, ihn su- chen, auf ihn hören, dann können wir den Menschen und uns selbst gerecht werden. Das setzt in jedem Fall viel Selbstbeherrschung voraus, Disziplin, Opfer und Verzicht.

Die Erfahrung zeigt uns, dass ohne die Ausrichtung auf die Ewigkeit auch die Mensch- lichkeit immer mehr verschwindet. Und der Glaube sagt uns, dass wir das ewige Heil ver- fehlen, wenn wir nicht jene Speise wollen, die unvergänglich ist, wenn wir nicht auf die Botschaft der Kirche, auf die authentische Botschaft der Kirche hören. Auch dieser Gedan- ke muss betont werden, heute mehr denn je. Nicht alle finden das Heil. Nur die finden es, die sich darum bemühen, die der Gnade Gottes entsprechen, die die Hand Gottes ergrei- fen. Die Sprache Jesu ist hier eindeutig und unmissverständlich, wir müssen ihr nur un- voreingenommen unsere Aufmerksamkeit schenken.

Unsere Verkündigung ist heute so widersprüchlich wie die Theologie, vielfach jedenfalls, auf der einen Seite steht ein extremer Aktionismus, der pelagianisch ist, auf der anderen Seite ein Heilsoptimismus, der alles Bemühen des Menschen an der Wurzel lähmt.

*

Die Versuchung, aus dem Christentum eine irdische Heilslehre zu machen, aus der Kirche einen Wohltätigkeitsverein oder eine politische Partei oder eine Freizeit-Institution zu ma- chen und aus den Priestern Funktionäre des irdischen Wohlergehens der Menschen zu machen, diese Versuchung gibt es nicht erst heute, aber heute ist sie außerordentlich groß. Was die Priester angeht, sucht der Heilige Vater dem entgegenzutreten, indem er ihnen den Pfarrer von Ars als Vorbild vor Augen stellt. Wenn sich manche dagegen stellen, zeigt das, wie weit die Entfremdung der Priester von ihrem Ideal gediehen ist, wie sehr sie sich auf ihrem Irrweg verhärten und wie weit sie einem säkularen Geist ver- haftet sind.

Die irdischen Dinge gehören zum Evangelium dazu, aber nicht an erster Stelle. Sie sind sekundär. Die Ehre Gottes ist das Entscheidende, unser Leben mit Gott und die Erfüllung seiner Gebote. Als Gläubige müssen wir in uns den Hunger nach Gott und nach der Ewig- keit wachrufen und erhalten und in der Gemeinschaft mit Gott leben, so dass das die Gottesverehrung und das Gebet im Vordergrund stehen, als Priester müssen wir in erster Linie die Ausrichtung auf die jenseitige Welt, auf den weltjenseitigen Gott, vertreten, diese unsere Welt relativieren und die kommende Welt verkünden, ob man das hören will oder nicht, ob wir uns damit beliebt machen oder nicht.

Oftmals geht die Popularität der Priester auf Kosten ihrer integralen Verkündigung der Botschaft Christi und ihrer Loyalität zur Kirche. Im Jakobusbrief lesen wir: „Wer ein Freund dieser Welt sein will, wird zum Feind Gottes“ (4, 4).

Von der unverfälschten Verkündigung der Botschaft und von ihrer Annahme hängt für uns alle das ewige Heil ab, freilich im Maße unserer Einsicht. Was wir suchen und das, worum wir uns bemühen, das werden wir finden. Nur wer das ewige Leben bei Gott entschlossen sucht, nur ihm wird es gewährt. Das gilt jedenfalls normalerweise. Denn normalerweise muss der Mensch gemäß dem Willen Gottes mitwirken an seinem Heil. Was Gott uns schenkt, darum müssen wir uns bemühen. Gottes Geschenke sind nicht nur Gabe, immer sind sie auch Aufgabe für uns. Amen.

 

PREDIGT ZUM 17. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN IN FREIBURG, ST. CYRIAK, AM 25. JULI 2009, UND IN FREIBURG, ST. MARTIN, AM 26. JULI 2009

„GESEGNET SEI DER DA KOMMT IM
NAMEN DES HERRN“

Die wunderbare Brotvermehrung will die göttliche Macht Jesu zeigen. Darüber hinaus will sie ein Gleichnis sein. Das natürliche Brot, das das leibliche Leben nährt, will uns zum übernatürlichen Brot der Seele führen, zum Geheimnis der Eucharistie. Die wunder- bare Brotvermehrung ist von daher eine Vorausdarstellung des eucharistischen Opfer- mahles. Die natürliche Speisung der 5000 will uns hinführen zur übernatürlichen Spei- sung der Millionen, die heute - 2000 Jahre später - in aller Welt am Tisch des Herrn das Brot des Lebens empfangen. Das ist das größere Wunder: Christus, die wunderbare Spei- se der Seelen.

Wichtiger als die natürliche Speise ist die übernatürliche. Das Hintergründige ist immer bedeutsamer als das Vordergründige. Die übernatürliche Speise hat deshalb einen höhe- ren Stellenwert als die natürliche, weil sie auf das ewige Leben hin ausgerichtet ist, weil sie dieses nährt, nicht aber das vergängliche Leben. Deshalb ist es für den gläubigen Christen zuhöchst angemessen, dass er bei der Brotbitte, der vierten Bitte im Vaterunser in erster Linie an die übernatürliche Speise der Seele denkt. Ihr täglicher Empfang ist das Ideal.

Wie die natürliche Speise das natürliche Leben in uns erhält, das vergänglich ist, so er- hält die übernatürliche Speise in uns das übernatürliche Leben, das Leben der Gnade, das seine Vollendung findet im ewigen Leben bei Gott. Das kann diese wunderbare Speise jedoch nur dann bewirken, wenn wir sie im Glauben, im lebendigen Glaubenan ihre unsichtbare Wirklichkeit empfangen. Der Glaube ist jedoch weithin verloren gegan- gen in der Kirche, der Glaube im Allgemeinen und der Glaube an das eucharistische Ge- heimnis im Besonderen. Als solcher wird er vielfach nicht mehr ernst genommen, der Glaube, von denen, die formell draußen sind, schon lange nicht mehr, heute aber in wachsendem Maß auch nicht mehr von denen, die formell noch drinnen sind. Das ist ein Erdrutsch, den wir gar nicht hoch genug einschätzen können. Angesichts des euchari- stischen Geheimnisses zeigt sich der Verfall des Glaubens in unserer Zeit besonders schmerzlich und verhängnisvoll.

Denn in „diesem Sakrament ist das ganze Geheimnis unseres Heiles beschlossen“, wie Thomas von Aquin (Summa theologiae III, q. 83, a. 4) sagt, dieses Sakrament „ist schlecht- hin das Größte unter den Sakramenten“ (q. 65, a. 3), weil in ihm alle übrigen Sakramente, ja, schließlich alle Wahrheiten den Glaubens konvergieren. Darum muss es auch täglich vollzogen werden. In diesem Sakrament ist das Geheimnis der Erlösung enthalten, und in ihm wird die Erlösung in idealer Weise vermittelt.

Die Besonderheit dieser Speise erkennt der heilige Thomas darin, dass, während die leib- liche Speise sich in das Wesen dessen wandelt, den sie nährt, diese Speise den Men- schen in sich selbst verwandelt (q. 79, a. 5 ad 1). Dabei stellt er fest: „Dass in diesem Sa- krament der wahre Leib und das wahre Blut Christi Wirklichkeit ist, das kann weder durch die Sinne noch durch die Vernunft erfasst werden, sondern einzig durch den Glauben, der sich stützt auf die Autorität Gottes“ (Summa theologiae III, q. 75, a. 1).

Der häufige Empfang der heiligen Kommunion, der an sich gut ist, ist in sehr vielen Fällen ohne Wirkung, weil er ohne Glauben, weil er ohne innere Ergriffenheit erfolgt, gewohn- heitsmäßig und gedankenlos, weil viele die eucharistische Speise im Grunde mit natürli- chem Brot verwechseln und darin nichts anderes mehr sehen als ein Symbol für den Leib Christi, als ein Sinnbild für den auferstandenen Christus, nicht mehr dessen Wirklichkeit.

*

Der Glaube an die Gegenwart Christi im Geheimnis des allerheiligsten Altarssakramentes hat sich stark abgenutzt. Dass in der heiligen Wandlung das Brot und der Wein wirklich verwandelt werden in Christi Fleisch und Blut und dass damit das Geheimnis des Kreuzes gegenwärtig wird, das bekennen zwar relativ viele noch mit dem Mund, aber im Herzen glauben es nur noch wenige. Sonst würde unsere Welt angesichts der vielen Kommunio- nen, die auch heute noch allsonntäglich empfangen werden, ein anderes Gesicht haben. Vor allem ist es die Routine, die den Glauben an das eucharistische Geheimnis getötet hat. Wenn aber der Glaube abgestorben ist, dann ist das Sakrament unwirksam.

Vielfach gehen wir allzu leichtfertig um mit dieser Speise. Wir haben vergessen, dass sie einen schützenden Raum braucht, weshalb auch ihre Anbetung so bedeutsam ist. Unsere Leichtfertigkeit im Umgang mit dieser Speise ist in sich schon ein Anzeichen für den feh- lenden Glauben, wenn er aber noch vorhanden ist, der Glaube, bei solchem Umgang mit dieser Speise geht ihm bald die Luft aus. Das ist unvermeidbar.

Die entscheidende Voraussetzung für den Glauben und für das Wirksamwerden des Glau- bens ist die Ehrfurcht. Das gilt allgemein, im Besonderen gilt das aber für das Sakrament des Altares, für das „sacramentum sacramentorum”.

Vor mehr als 1500 Jahren schreibt der Kirchenvater Johannes Chrysostomus: „Niemand trete gleichgültig hinzu, niemand lässig, alle seien voll Feuer, voll Begeisterung, voll Eifer"(Homiliae in Matthaeum 82, 4). Und der heilige Augustinus, sein etwas jüngerer Zeit- genosse, fügt dem hinzu: „Bevor du diese Speise genießest, musst du sie anbeten“ (vgl. Enarrationes in psalmos 98, 9). Besser kann es nicht sagen, worauf es hier ankommt.

Eines der Zeichen der Ehrfurcht gegenüber dem Sakrament des Altares ist die eucharisti- sche Nüchternheit, die als Gebot inzwischen auf eine Stunde reduziert ist. Das heißt aber nicht, dass es nicht einen guten Sinn hat, weiterhin die eucharistische Nüchternheit aus- zudehnen. Es handelt sich hier um eine Erleichterung, aber Erleichterungen sind nicht verpflichtend.

Ein bedeutsames Zeichen der Ehrfurcht ist auch die Kniebeuge, die wir vor dem Allerhei- ligsten machen, wo immer das ewige Licht seine Gegenwart anzeigt. Ein Pfarrer sagte den Ministranten vor einem ökumenischen Gottesdienst: Heute braucht ihr keine Kniebeu- ge zu machen! Eine seltsame Form von Rücksichtnahme! Oder ist es nicht doch mehr als das?

Ein nicht weniger bedeutsames Zeichen der Ehrfurcht ist das Stillschweigen, das wir in unseren Kirchen einhalten, einhalten sollten. Die Gegenwart des eucharistischen Herrn unterscheidet die katholischen Kirchen von den evangelischen zutiefst. Das müsste deut- lich werden durch unser Verhalten in ihnen. Wir nennen unsere Kirchen noch immer Got- teshäuser. Und sie sind es im wahrsten Sinne des Wortes.

Ein bedeutsames Zeichen der Ehrfurcht ist hier endlich auch die Vorbereitung auf die hei- lige Kommunion und - damit verbunden - die Danksagung nach dem Empfang der hei- ligen Kommunion. Ob man zur heiligen Kommunion geht, das kann man nicht von dem Augenblick abhängig machen. Das sollte man schon vor dem Beginn der heiligen Messe überlegen. Und wenn es einem nicht gelungen ist, die heilige Messe gut mitzufeiern oder wenn man sich während der heiligen Messe noch geärgert hat oder wenn man von star- ken Zweifeln gequält wurde, dann sollte man dieses Mal lieber zurückbleiben. Der Vor- bereitung entspricht die Danksagung. Ein Gast, mit dem man nicht spricht, den nimmt man nicht ernst, man beleidigt ihn. Für die Danksagung empfehlen sich vor allem die Psalmen. Warum sollte man nicht den einen oder anderen der Psalmen auswendig ler- nen? Aber auch das wortlose Staunen angesichts der Größe Gottes könnte eine gute Danksagung sein. Dazu bedarf es aber der äußeren Stille, und wir brauchen dafür ein we- nig Zeit. Diese können wir im Gottesdienst finden, oder - auch das ist durchaus sinnvoll - wir können nach der heiligen Messe noch ein wenig im Gotteshaus verweilen.

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Es ist besser, das Sakrament nicht zu empfangen, als es ohne Glauben und ohne Ehr- furcht und ohne die rechte Disposition zu empfangen. Die rechte Disposition, das meint: das eucharistische Sakrament ist ein Sakrament der Lebenden, man empfängt es sakri- legisch, wenn man nicht im Stand der heiligmachenden Gnade ist. Wenn wir uns nicht gewissenhaft prüfen, ob wir im Stand der Gnade sind, führt das Sakrament uns tiefer in die Gottesferne hinein.

Die Eucharistie ist ein zartes Geheimnis, sie ist leicht zerbrechlich, und sie ist unwirksam, wenn wir gleichgültig hinzutreten und lässig, ohne Feuer, ohne Begeisterung, ohne Eifer und ohne Ehrfurcht. Ehrfurcht meint liebende Scheu und scheue Liebe. Ja, wir löschen schließlich den letzten Funken des Glaubens in uns, wenn wir uns gleichgültig des Sakra- mentes bemächtigen, wie es heute allzu oft geschieht, weshalb uns diese Speise auch so oft zum Unheil gereicht. Wir täuschen uns, wenn wir meinen, Gott sei so etwas wie ein etwas seniler Greis im Lehnstuhl, der immer nur nachsichtig lächelt.

Bei der Brotbitte des Vaterunsers sollten wir in erster Linie an die himmlische Speise den- ken. Wir sollten Gott dabei bitten, dass wir diese Speise möglichst häufig empfangen, vor allem aber immer gläubig und ehrfürchtig und in der rechten Verfassung, denn nur so kann sie unser übernatürliches Leben nähren und nur so kann sie uns zur ewigen Ge- meinschaft mit Gott führen. Amen.

 

PREDIGT ZUM 16. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN IN ST. MARTIN
IN FREIBURG AM 19. JULI 2009

„WIE SCHAFE OHNE HIRTEN“

Jesus ist nicht ungehalten, als er beim Aussteigen aus dem Boot die Menschenmassen vor sich sieht. Er bedauert sie, die Menschen, er hat Mitleid mit ihnen, er erbarmt sich ihrer, weil er ihre geistige Not erkennt: Sie sind wie eine führerlose Herde, die seiner Beleh- rung bedarf. Darum beginnt er sogleich mit seiner Predigt. Es folgt dann das Wunder der Brotvermehrung. Mit ihm will er zunächst auf die augenblickliche leibliche Not der Men- schen antworten, dann aber vor allem auch seiner Belehrung Nachdruck verleihen und seine besondere Autorität deutlich machen.

Das Erbarmen mit den Menschen ist programmatisch für Jesus und für sein Wirken. So schildert ihn uns nicht nur das Evangelium des heutigen Sonntags. Die geistige Not der Menschen veranlasst ihn, unermüdlich und rastlos tätig sein.

Sein Vorbild nimmt uns jedoch alle in Pflicht, zunächst die Hirten, das sind die Priester und Bischöfe, dann aber einen jeden von uns. 

*

Wir alle tragen Verantwortung für die Wahrheit Gottes und für ihre Ausbreitung, weil Gott sie uns anvertraut hat, einerseits, uns allen, und andererseits, weil uns die Liebe ver- pflichtet, die wir allen Menschen schulden. Die Wahrheit drängt nach außen, das ist gleichsam ein ihr innewohnendes Gesetz. Was wahr ist, das müssen alle wissen. Denn aus der Wahrheit folgt das richtige Handeln.

Wenn wir auf den guten Hirten des Evangeliums schauen, dann weiden wir uns nicht sel- ber, dann setzen wir uns vielmehr selbstlos für die Wahrheit ein und dienen so uneigen- nützig Gott und den Menschen.

Immer müssen die Gläubigen das Zeugnis der Priester und Bischöfe unterstützen, zuwei- len müssen sie gar an ihre Stelle treten, dann, wenn ihr Zeugnis nicht kraftvoll genug ist oder wenn sie nicht den Mut haben, die ganze Wahrheit zu sagen.

Es geht hier um den selbstlosen Einsatz für die Sache Gottes in der Nachfolge Christi. Die- ser fällt uns umso leichter, je mehr wir um die geistige Not der Menschen wissen. Das gilt für die Gläubigen wie auch für die Hirten.

Wir hätten viel mehr Priester, wenn die Not der Menschen uns deutlicher vor Augen ste- hen würde und wenn das Beispiel des guten Hirten Christus uns alle mehr in Pflicht neh- men würde. Aber es geht hier ja eigentlich weniger um die Quantität als um die Qualität. Wie dem auch sein, woran es heute fehlt, das sind Menschen, die eine Überzeugung ha- ben und die sich selbstlos einsetzen dafür. Gäbe es sie wieder in großer Zahl, dann hätten wir Priester im Überfluss, gute, überzeugte und überzeugende und grenzenlos einsatzbe- reite. Nicht die Schaffung neuer Ämter in der Kirche, nicht der großzügige Einsatz von be- zahlten Helfern, nicht die Hervorbringung perfekter Seelsorgestrukturen löst das Problem. Im Gegenteil, dadurch wird es vielmehr verschärft. Allein, diese Erkenntnis setzt sich nur schwerlich durch.

Wir alle müssen auf Christus schauen und uns einsetzen für die Menschen, wie er sich eingesetzt hat für sie, unermüdlich, selbstlos und rastlos. Für sein Wirken im Dienst der Menschen hat er Verfolgung, Missachtung und Verspottung getragen und ist er schließlich in den Tod gegangen. Auch in dem Punkt ist er vorbildlich für einen jeden von uns.

Er hat nicht gefragt, was gefällt, er hat den Menschen nicht das verkündet, was sie hören wollten. Er hat ihnen das verkündet, was ihnen zum Heile diente. Zum Heile dienen aber kann uns immer nur die Wahrheit.

In unserem Alltag nimmt die Sorge um das leibliche Wohl in der Regel den ersten Platz ein, wichtiger aber ist die Sorge um das seelische Wohl und um das ewige Heil. Was nützt es uns, wenn wir zu essen und zu trinken haben, aber das Ziel des Lebensweges verfehlen, unser Leben ist vergänglich. Wie wenig Essen und Trinken den Menschen glücklich machen, das erleben wir heute in unserer Wohlstandsgesellschaft, wenn wir nur die Augen aufmachen. Der Hunger der Seele ist letzten Endes schmerzlicher als der Hunger des Leibes, schmerzlicher und folgenreicher. Auf ihn antwortet der gute Hirt in unserem Evangelium.

Es ist notwendig, dass Hunger und Elend in der Welt beseitigt werden, dass mehr Gerech- tigkeit herbeigeführt wird, das ist keine Frage, aber wichtiger noch ist die Verkündigung des Evangeliums, dass die Menschen dem Irrtum und der Lüge entrissen und dass ihnen die Augen geöffnet werden. Die Verkündigung des Evangeliums ist um soviel wichtiger als das Unvergängliche in seiner Bedeutung das Vergängliche überragt. Darum auch sind die geistigen Werke der Barmherzigkeit wichtiger als die leiblichen. Sie üben wir, wenn wir die Sünder zurechtweisen, die Unwissenden lehren, den Zweifelnden recht raten, die Betrübten trösten, die Lästigen ertra- gen, den Beleidigern verzeihen und für Lebende und Tote beten.

Sehr viele Menschen haben heute alle religiösen und ethischen Maßstäbe verloren. Spe- ziell gilt das für die junge Generation. Das ist die Folge davon, dass die falschen Hirten heute so zahlreich sind und allzu viele sich ihnen anvertrauen. Je auf ihre Weise ver- künden sie das “Evangelium” von der Gesetzlosigkeit, von der Anomie, predigen sie die hemmungslose Befriedigung aller irdischen Bedürfnisse und einen brutalen Egoismus. Ihre Botschaft lautet: Tu, was du willst, dann wirst du glücklich. Dabei wissen sie, dass es keinen Gott und keine Ewigkeit gibt, dass es keine Rechenschaft gibt, keinen jenseitigen Lohn und keine jenseitige Strafe. Alle Ordnungen lösen sie auf, damit, wie sie sagen, eine neue bessere Welt entstehen kann. Eine solche steht jedoch in den Sternen, sie hat keinen Bestand haben, ja, sie kann nicht einmal entstehen. Eine Welt ohne Gott und ohne sittliche Verantwortung, wie soll das gehen? Das ist der Untergang.

Viele ahnen das angesichts der Tatsache, dass die Anarchie immer bedrängender wird in unserer Welt und die Auseinandersetzungen im Großen wie im Kleinen immer zahlrei- cher werden. Auch daran ist hier zu erinnern, dass das Leid, die Not, die Enttäuschung und der Überdruss einer immer größeren Zahl von Menschen immer mehr hervortreten, nachdem sich das alles eine lange Zeit hinter einer fröhlichen Fassade verborgen hat.

In dieser Situation erhält das Wort des Evangeliums von den Schafen ohne Hirten bittere Aktualität, muss es uns aber gebieterisch an unsere Verantwortung erinnern. Diese Ver- antwortung verpflichtet uns selbstverständlich nur im Rahmen des Möglichen. Aber wir müssen uns immer wieder fragen, wie weit dieser Rahmen ist. Viele Möglichkeiten wer- den heute nicht ausgeschöpft. Das ist sicher. Und viele Chancen werden verspielt, weil wir von dem Erbarmen, von der Selbstlosigkeit und von der Rastlosigkeit Christi, wovon im heutigen Evangelium die Rede ist, so wenig angesprochen werden. Eines können wir immer, wenn  unsere Möglichkeiten auch noch so begrenzt sind: Beten, dass Gott uns vie- le Hirten sendet, gute Hirten im weiteren und im engeren Sinne. Dafür können wir beten und opfern, opfern, das heißt in diesem Fall geistige Opfer darbringen. -

Heute ist der Widerstand gegen den Zeitgeist ein Gebot der Stunde, denn der Zeitgeist ar- beitet nicht für Gott, erst recht nicht für Christus und für die Kirche. Ja, nicht einmal für eine profane Zukunft arbeitet er. Der widergöttliche Zeitgeist, er hat sich aber nicht nur außerhalb der Kirche eingenistet, auch im Heiligtum hat er zuweilen sein Zelt aufge- schlagen. Da kommt es auf die Unterscheidung der Geister an. Sie ist eine besondere Ga- be des Heiligen Geistes. Diese aber können wir nur empfangen als Frucht intensiven Be- tens. Es darf kein Tag vergehen, an dem wir nicht den Heiligen Geist anrufen. Mit der Hin- wendung zu ihm sollten wir an einem jeden Morgen unser Tagewerk beginnen. Amen.

 

PREDIGT ZUM 15. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 12. JULI 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN,

„ER SANDTE DIE ZWÖLF ZUM ERSTEN MAL AUS“

Das Evangelium des heutigen Sonntags spricht von der ersten Aussendung jener zwölf Jünger, die Jesus in besonderer Weise aus dem größeren Kreis seiner Jünger ausgewählt hatte. Es spricht von der Gesinnung, in der die Zwölf ihre Aufgabe erfüllen sollen, und stellt dabei heraus, dass sie anspruchslos sein sollen gegenüber den Annehmlichkeiten den Lebens und indifferent gegenüber den Misserfolgen, die ihrer warten. Sie sollen be- scheiden sein und sich nicht mutlos machen lassen, wenn sie und ihre Botschaft nicht an- genommen werden. Unbeirrt sollen sie immer wieder neu beginnen, wenn sie enttäuscht werden durch Misserfolge.

Die Berufung der Zwölf setzt sich fort im Amt der Bischöfe und der Priester, die Zwölf le- ben gleichsam fort in den Amtsträgern der Kirche. Infolgedessen gelten die hier gegebe- nen Anweisungen ihnen. Dennoch dürfen, ja, müssen wir alle uns angesprochen fühlen durch sie, weil die Aussendung durch Christus und die Verantwortung für seine Botschaft uns allen zukommt, wenn auch uns allen irgendwie sekundär. Deshalb kommt sie uns allen zu, die Aussendung und die Verantwortung, weil wir alle Anteil haben an der Beru- fung der Zwölf, an der Berufung jener Jesus-Jünger, die wir für gewöhnlich Apostel nen- nen, sofern wir die Sakramente der Taufe und der Firmung empfangen haben. Durch die- se Sakramente erhielten wir Anteil am allgemeinen Priestertum der Kirche. Darüber hin- aus sind die Anspruchslosigkeit und die Indifferenz in den Misserfolgen Tugenden, die nicht nur im Zusammenhang mit der Verkündigung der Botschaft Christi und seiner Kir- che von Bedeutung sind, sind sie Tugenden, die immer und in jeder Hinsicht grundlegend sind für das christliche Leben.

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Wir alle sollen Christus verkünden und seine Gnade, nicht nur die Amtsträger der Kirche, wir alle sind dazu berufen, Gottes und Christi Boten und Boten der Kirche in der Welt zu sein. Die Zeugen Jehovas, die Bibelforscher, meinen, dass nur sie das verstanden haben, dass jeder, der zum Glauben gekommen ist, diesen Glauben vor den Menschen bekennen und bezeugen muss. Sie täuschen sich jedoch, wenngleich sie uns in der Weise, wie sie diesem Auftrag Gottes gerecht werden, nicht selten beschämen. Wir alle tragen Verant- wortung für das Wort Gottes und für die Gnade Christi. Das eine wie das andere sollen wir in die Welt hineintragen, ein jeder nach seinen Möglichkeiten. Wir sollen das Wort Gottes wie auch die Gnade Christi hineintragen in unsere Familien, in die Arbeitswelt, in die Öffentlichkeit, in die Politik und in die Gesellschaft und auch in die Kirche, die in ihrer Tendenz zur Anpassung an die Welt den ihr eigenen Auftrag heute allzu oft verkennt. Wir alle sollen das Reich Gottes bauen in dieser Welt durch unser Wort und durch unser beispielhaftes Leben in der Gemeinschaft mit Christus. Durch Taufe und Firmung wird das allgemeine Priestertum der Gläubigen begründet, das auf das besondere Priestertum der Kirche hinordnet.

Die Kirche lebt von dem Verantwortungsbewusstsein aller Gläubigen für das Ganze, ob sie dabei eine besondere Aufgabe erfüllen oder nicht. Dabei sollen wir anspruchslos sein und bemüht sein, dass wir der Faszination der Güter dieser Welt nicht erliegen. - Das ist eine Mahnung, die auf einen besonders schwachen Punkt in unserem Leben trifft, im Le- ben vieler von uns.

Die irdischen Güter üben eine große Faszination auf uns aus, sie können uns sehr gefan- gen nehmen. Niemand ist ganz frei davon. Der Wohlstand verlangt heute seinen Tribut von uns allen, wenn er sich in der Gegenwart auch langsam zurückzuziehen scheint und somit möglicherweise eine Katastrophe heraufbeschwört in der westlichen Welt. Der Wohlstand macht uns abhängig, in jedem Fall, und er schwächt unsere innere Freiheit, er macht uns müde und oft auch verantwortungslos, vor allem macht er das christliche Zeug- nis kraftlos.

Der Kern der christlichen Botschaft lautet: Die Gestalt dieser Welt vergeht (1 Kor 7, 31). Dass wir davon überzeugt sind, das glaubt uns niemand, wenn wir nicht immer wieder einmal ein Stück abrücken von den Dingen, wenn wir nicht eine gesunde Askese üben. Das heißt: Wenn wir nicht Enthaltsamkeit üben, Entsagung und Verzicht, wenn uns die Trennung von dem, was wir haben, allzu schwer fällt.

Der heilige Paulus drückt das in seiner Sprache so aus: Wir sollen besitzen als besäßen wir nicht (1 Kor 7, 30). Was er meint, das ist die innere Armut, die Armut im Geiste, die Ar- mut in der Gesinnung. Wer sich darum bemüht, der kann äußerlich viel besitzen und doch arm sein in seinem Inneren. In der Bergpredigt werden die Armen im Geiste selig ge- priesen (Mt 5, 3).

Das einfache Leben und die Anspruchslosigkeit in der Lebensführung sind ein bedeuten- des Glaubenszeugnis, weil sie ganz aus dem Geist Christi hervorgehen, abgesehen da- von, dass sie unser Leben harmonischer und glücklicher machen und uns die Erfahrung größerer Freiheit schenken.

Die andere Mahnung, die uns das Evangelium des heutigen Sonntags gibt, ist die, dass wir nicht mutlos werden in Misserfolgen. Verstehen wir diese Mahnung in einem weiteren Sinn, dient sie der seelischen Hygiene, nicht anders als der Verzicht auf ein aufwendiges Leben. Sich nicht lähmen lassen durch Misserfolge und unentwegt immer wieder voll Ver- trauen einen neuen Anfang machen, das ist schon im natürlichen Bereich das Geheimnis des Erfolges, das Geheimnis eines frohen und glücklichen Lebens, nach dem die Men- schen sich sehnen und das nur so wenigen geschenkt wird. In einem erhöhten Maß ist die Mahnung, nicht zu resignieren, im Bereich des christlichen Apostolates gefordert, weil hier Gott in besonderer Weise tätig ist und weil wir hier immer auf der Seite des Stärke- ren stehen.

Wo immer wir in den Dienst Gottes treten, da dürfen, ja, da müssen wir vom Vertrauen getragen sein, da müssen wir unentwegt immer wieder neu anfangen. Gott wirkt seine Wunder oft gerade da, wo wir es nicht vermuten. Zudem ist das, was, menschlich be- trachtet, wie ein Misserfolg aussieht, aus der Perspektive Gottes heraus oftmals alles an- dere als das. Es kommt hinzu, dass wir immer nur die Außenseite der Dinge sehen, diese aber ist nicht selten trügerisch. Das vergessen wir allzu oft.

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Gott will unser Zeugnis. Wir tragen Verantwortung für sein Wort und für seine Gnade. Gott will durch unsere Mithilfe und durch unseren Einsatz eine menschlichere Welt bauen. Eine Welt ohne Gott und seine Verheißungen ist unmenschlich. Anspruchslosigkeit und ein unbesiegbarer Optimis-mus müssen uns dabei auszeichnen. Ein unbeirrbares Vertrauen oder die Überwindung aller menschlich verständlichen Mutlosigkeit sind die Konsequenz eines lebendigen Glaubens, der sich stets mit großem Vertrauen verbindet. Wer Christus verkündigen will, muss sich um diese Konsequenz bemühen. Worte wiegen wenig, wo das Leben ihnen nicht entspricht. Gerade heute sind das einfache Leben der Christen und ihr sekundärer Optimismus, ihr Optimismus aus dem Glauben, gefragt. Das erwartet nicht nur Gott von uns, darauf wartet auch die Welt von heute.

Müssen die Anspruchslosigkeit und ein lebendiges Vertrauen auch in erster Linie die Hirten bestimmen, so müssen doch wir alle sie uns zu Eigen machen im Hinblick auf unser Zeugnis für Gott, für Christus und für die Kirche. Zudem handelt es sich hier um grundlegende Tugenden für alle, die Christus nachfolgen und sich zu ihm bekennen

Wir sollen mithelfen beim Aufbau des Reiches Gottes inmitten unserer Welt in Zurückhaltung gegenüber der Faszination, die die sichtbare Welt auf uns ausübt, und unbeirrt in allen Widrig-keiten, mit denen wir dabei konfrontiert werden. Daran erinnert uns das Evangelium des heutigen Sonntags. Gott will durch uns alle, nicht nur durch die Amtsträger der Kirche, die Menschen immer neu aus der Finsternis in das Licht seiner Wahrheit führen. Damit bauen wir mit an einer humanen, das heißt menschlichen Welt, aber - das ist wichtiger noch - nur so bewahren wir unser Leben für die Ewigkeit. Amen.

 

PREDIGT ZUM 14. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 5. JULI  2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„UND SIE NAHMEN ANSTOSS AN IHM“

Der zentrale Satz des heutigen Sonntags-Evangeliums lautet: „Sie nahmen Anstoß an ihm“. Die Bewohner von Nazareth nahmen Anstoß an Jesus, weil sie auf die Person schauten, weil sie nicht einfach schlicht zunächst auf seine Botschaft hörten, die in sich überzeugend war. Daher der Widerspruch und die Ablehnung.

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Diesen „Propheten” kannten sie allzu gut. Er stammte aus einer unbedeutenden Familie. Dreißig Jahre - das ist ein ganzes Menschenleben in damaliger Zeit - hatte er unter ihnen zugebracht. Sie waren zusammen mit ihm aufgewachsen, und sie hatten an ihm nichts Auffallendes entdeckt. Sie kannten ihn zu genau. Der darf doch nicht ein Prophet oder gar der Prophet sein, so dachten sie. Und was nicht sein darf, das kann nicht sein, das gibt es auch nicht. Das gilt für viele auch heute noch: Also ist er ein Betrüger, oder er ist von Sinnen. Nicht viel anders ist die Reaktion bei den Verwandten. Sie beugen sich dem Druck der Umgebung, und sie sagen sich: Was alle oder viele im Dorf meinen, das wird schon richtig sein, oder sie argumentieren für sich genau so wie die Mehrzahl der Dorfbewohner es tut: Was nicht wahr sein darf, das ist auch nicht wahr: Entweder war der ein Betrüger, oder er war er von Sinnen. Da kann man sich wirklich fragen, was schmei- chelhafter war.

Dem Druck der Umgebung zu widerstehen, das ist nicht leicht. Persönlichkeiten, die nicht nach rechts und links schauen, sondern unbeirrt ihren Weg gehen, waren offenbar schon damals recht selten.

Dennoch, wie wir wissen, haben sich die Verwandten Jesu, jedenfalls zum Teil, nach Ostern zu Jesus bekannt und die anfängliche Ablehnung dadurch wieder gutgemacht.

Die Bewohner von Nazareth lehnten den großen Sohn ihres Dorfes damals ab, weil sie es besser wissen wollten und weil sie Vorurteile gegen ihn hatten. Er kam ihnen zu gewöhn- lich vor, zu alltäglich. Sie sahen es gleich, das war für sie evident: Der konnte nicht im Auftrag Gottes zu ihnen kommen.

Bei manchen war die Ablehnung Jesu, nicht nur in Nazareth, auch im Neid begründet, der aus dem Hochmut hervorgeht. Sie sagten sich: Der will mehr sein als wir? Der will mehr zu sagen haben als wir? Das wollen wir ihm zeigen.

Aber auch Stolz und Neid waren wohl eher vordergründige Ursachen für das ablehnende Verhalten der Zeitgenossen Jesu gegen ihn, im Tiefsten lehnten sie ihn ab, weil sie sich so am besten seinen Forderungen entziehen konnten. Sie meinten mit ihrer Ablehnung also im Grunde den, auf den er sich berief, in dessen Auftrag er kam, und ihre Freiheit und ihre Selbstbestimmung, in der sie sich durch ihn bedroht fühlten.

In solchem Widerspruch wird das Johannes-Wort konkret: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinigen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1, 11).

Wie aber reagiert Jesus? Er empfindet nicht anders als wir: Es ist schwer, eine Botschaft auszurichten, wenn man spürt, wie man innerlich abgelehnt wird. Aber er lässt sich nicht beirren, er zieht weiter und setzt seine Predigttätigkeit fort, unentwegt. Das tut er, ob- wohl die Ablehnung, die er in Nazareth erfährt, sich an anderen Orten wiederholt und sich mehr und mehr steigert. Die Spannungen wachsen, aber auch das kann ihn nicht zum Schweigen bringen. Von daher ist es nicht überraschend, wenn er schließlich den Tod am Kreuz stirbt, zwei oder drei Jahre nach seinem ersten Auftritt in Nazareth.

Die Botschaft Jesu wird heute durch die Kirche verkündet. In ihr lebt der Prophet von Na- zareth fort, verborgen, in der Alltäglichkeit. Die Ablehnung, die der geschichtliche Jesus erfahren hat, erfährt auch der fortlebende Christus. Sie erfahren vor allem jene, die den Glauben der Kirche offensiv vertreten, die sich einsetzen für die Kontinuität im Glauben und in der Verkündigung der Kirche und die nicht heute das Gegenteil von dem sagen, was sie gestern gesagt haben. Darum auch die vielen Angriffe einer entchristlichten Öffentlichkeit gegen den Papst in Rom, der genau sieht, welch ein zerstörerisches Potential sich hinter der „sanften Verschwörung des Wasserman- nes“ in der Welt von heute verbirgt - gerade darum geht es in den mächtigen säkularen Ideologien, in denen alles und jedes in Frage gestellt wird, in denen man sich auf die Vernunft beruft, sich aber extrem unvernünftig, extrem irrational, verhält. Man beansprucht die Vernunft, verachtet sie jedoch im Grunde genommen in abgründiger Verblendung. Sanft ist die Verschwörung deshalb, weil sie viele, vielleicht unmerklich, in Dienst nimmt, die eigentlich auf Grund ihrer Gene- sis und  ihrer äußeren Stellung woanders ihren Standort haben.

Die Bewohner von Nazareth haben das Heil Gottes damals nicht erkannt, die Stunde der Gnade damals nicht begriffen. Wir aber stehen in der gleichen Gefahr. Der „kairos“ von damals ist der „kairos“ von heute. Das Zweite Vatikanische Konzil wollte ein neues Pfing- sten bringen. Das neue Pfingsten ist nicht gekommen. Es scheiterte an unserer Glaubens- schwäche und an unserem Eigensinn und an der Übermacht einer gottabgewandten Welt, die viele einwickeln konnte und bis heute einwickelt.

In der Gewöhnlichkeit, in der Alltäglichkeit, in den oft unbequemen Weisungen der Kir- che begegnet uns Gott selber. Im Widerspruch gegen die Kirche verschließen wir uns da- her dem ewigen Gott, nicht anders als es damals die Zeitgenossen des geschichtlichen Jesus taten.

Die Stunde der Gnade wird für uns zur Stunde des Gerichtes, wenn wir sie als Stunde der Gnade verstreichen lassen. Eindringlich mahnt Jesus uns zur Wachsamkeit (Mk 13, 34 f), mehr als einmal, und Paulus sagt es kurz und bündig: „Wirkt euer Heil mit Furcht und Zit- tern“ (Phil 2, 12). Wir dürfen hier vielleicht hinzusetzen “und mit ebenso großem Vertrau- en”.

Wie Jesus sich dem Widerspruch gestellt hat, wie er sich nicht hat aus der Fassung brin- gen lassen, so dürfen auch wir uns nicht aus der Fassung bringen lassen, wo immer wir als Getaufte und Gefirmte in seinem Dienst stehen.

Auch unsere Sendung kann wie ein schwerer Druck auf uns lasten, auch wir können in eine Außenseiter-Situation gedrängt werden: Was will der schon? Der ist ein Betrüger, oder er ist von Sinnen. Auch wir können den Unglauben schmerzlich erfahren, wo wir den Glauben bezeugen dürfen und bezeugen müssen. Wir können versucht sein, uns un- serer Sendung zu entziehen, es uns bequemer zu machen, es so zu tun, wie es die an- deren auch tun. Da gilt dann die Mahnung des 2. Timotheusbriefes: „Verkünde das Wort, ob es gelegen ist oder ungelegen“ (2 Tim 4, 2). Unser apostolisches Selbstbewusstsein muss sich nähren am Selbstbewusstsein Christi. Er zog weiter, wo immer man sich im Widerspruch verhärtete, er ging aber auch in den Tod für seine Sendung.

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Der Kernsatz des heutigen Evangeliums lautet: „Sie nahmen Anstoß an ihm“. Jesus er- fährt Ablehnung und Widerspruch bei den Bewohnern von Nazareth und bei seinen Zeit- genossen, er erfährt die Ablehnung von besser wissenden, voreingenommenen und nei- dischen Menschen. Er lässt sich dadurch jedoch nicht beirren bis hin zu seiner Kreuzigung auf dem Berg Golgotha vor den Toren der Stadt Jerusalem. Jesus und seine Botschaft leben fort in der Kirche und in ihrer Verkündigung. Unsere Situation heute ist nicht viel anders als damals. Gehören wir zu den besser Wissenden, zu den Voreingenommenen, zu den Stolzen und zu den Neidischen? Oder erkennen wir die Stunde der Gnade? Das ist der „kairos“ Gottes. Und: Sind wir bereit, uns dem Widerspruch der gottfremden oder gottfeindlichen Welt zu stellen? Oder weichen wir aus? Oder schweigen wir, wo reden geboten ist? Im Jakobusbrief lesen wir: „Wer ein Freund dieser Welt sein will, macht sich zum Feind Gottes“ (Jak 4, 4). Amen.

 

 

PREDIGT ZUM 13. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 28. JUNI 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„FÜRCHTE DICH NICHT, GLAUBE NUR“

Das Evangelium des heutigen Sonntags konfrontiert uns mit einem elementaren Phäno- men unserer Welt, mit dem Tod. Ob wir es wahr haben wollen oder nicht, unsere Welt ist vom Tod gezeichnet, in ihr herrscht der Tod, der physische Tod, aber auch der geistige. Der geistige Tod, das ist der Tod der Sünde, in der das göttliche Leben stirbt, das Gnadengeschenk der Erlösung. Vor ihm können wir die Augen verschließen, und viele tun es, nicht aber können wir die Augen verschließen vor dem physischen Tod, jedenfalls nicht auf die Dauer, denn er verschont niemanden. Geht er nahe an uns vorüber, das heißt: trifft er einen uns nahe stehenden Menschen, so sind wir verwirrt, wenigstens eine Weile, vielleicht aber auch erschüttert, aber schnell gelingt es uns, wieder zur Tagesordnung überzugehen, das zu vergessen, was uns beunruhigt.

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Der Gedanke an den Tod und noch mehr die Erfahrung des Todes ruft in uns den Gedan- ken an die Religion wach, weil der Tod uns daran erinnert, dass es jene andere Dimen- sion gibt, die wir die Ewigkeit nennen, weil es die Religion mit der jenseitigen Welt zu tun hat. Alle Religionen aber sind sich darin einig, dass der Mensch seinen Tod überlebt und dass er in der Ewigkeit sein diesseitiges Leben verantworten muss, es sei denn, sie haben sich selbst bereits aufgegeben. Die Religionen lehren uns ohne Ausnahme, dass wir unserem Dasein nicht entrinnen können, so gern wir es vielleicht möchten, auch nicht durch den Tod. Aber im Grunde sagt es uns bereits die Vernunft, dass der Tod nicht das völlige Aufhören unserer Existenz ist, dass wir verantwortlich sind für unser Tun und La- ssen und dass diese Verantwortung uns in die Ewigkeit hinein folgt. Und die Religionen bestätigen es uns.

Weil das nun vielen von uns unangenehm ist, deshalb fliehen so viele allzu gern in den Lärm und in die alltägliche Arbeit und in das oberflächliche Vergnügen. Sie möchten ver- gessen, dass wir den Tod überdauern und dass der geistige Tod, der Tod der Seele, im Vergleich mit dem physischen Tod das größere Übel ist. Darin werden sie gestützt durch unsere Umwelt und durch unsere Mitwelt. Aber, sei es, dass wir uns selber täuschen, sei es, dass die Mitmenschen uns täuschen, die Täuschung hat ihre Grenzen. Unsere Verant- wortung wiegt damit indessen umso schwerer.

Die Offenbarung belehrt uns darüber, dass nicht Gott den Tod geschaffen hat. Durch den Neid des Teufels ist er in die Welt gekommen. Der Tod trägt den Charakter der Strafe. Er ist die Folge der Sünde. Das heißt nicht, dass es ohne die Ursünde und ohne die Sünden der Menschen keine Beendigung des Pilgerstandes geben würde, aber es gäbe sie eben nicht in dieser Gestalt. In jedem Fall hätte es den Übergang von der Zeitlichkeit in die Ewigkeit gegeben, vom Pilgerstand zum Stand der Vollendung. Das hat seinen Grund darin, dass wir als Menschen nicht rein geistige Wesen sind, dass sich in uns der Geist mit der Materie verbindet. Alles Materielle aber hat einen Anfang und ein Ende. Nicht jedoch der Geist, er hat einen Anfang, aber kein Ende. Das liegt in der Natur der Sache. Von da- her hat Gott den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen. Auf diese Unvergänglich- keit aber ist unser diesseitiges Leben hingeordnet. In dem Maße, in dem wir das beden- ken und daraus die Konsequenzen ziehen in unserem Leben, in unserer Lebensführung, in dem Maße verliert der Tod seine Schrecken.

Er holt uns ein, der Tod, daran geht kein Weg vorbei für uns, darauf haben wir keinen Einfluss. Wohl aber haben wir Einfluss darauf, wie er uns antrifft und auf die Folgen, die dieses Wie für uns hat. Wenn wir den geistigen Tod tragischer nehmen als den physi- schen und wenn wir uns vor ihm bewahren, dann verliert der physische Tod seine Schrek- ken, dann verliert er seinen Strafcharakter für uns.

Bemühen wir uns, Gott zu gefallen, unsere Leben als Vorbereitung auf die Ewigkeit zu verstehen, verantwortlich zu handeln, aus der Gnade der Erlösung heraus zu leben, das göttliche Leben in uns zu bewahren, es zu hegen uns zu pflegen, dann brauchen wir den physischen Tod nicht mehr zu fürchten, dann wird er für uns zur Vollendung unserer irdi- schen Existenz.

Gott hat uns Menschen für die Ewigkeit geschaffen, für die Glückseligkeit der ewigen Ge- meinschaft mit ihm und mit den anderen Vollendeten des Himmels. Daher führt der physi- sche Tod nur dann zum wirklichen Tod, wenn wir ihn fern von Gott sterben ohne den Be- sitz der Gabe der Erlösung des göttlichen Lebens, ohne die Gnade, die uns heilig macht. Das ist gemeint mit den Worten des Evangeliums des heutigen Sonntags: „Das Mädchen ist nicht tot, es schläft“.

Um das ewige Leben, für das Gott uns bestimmt hat, darum geht es auch in der (ersten) Lesung des heutigen Tages. Dieses aber setzt voraus, dass wir das göttliche Leben in uns wie einen kostbaren Schatz bewahren, dass wir es hegen und pflegen.

Das zu betonen, ist heute wichtiger denn je, weil weithin nicht nur der Glaube der Kirche - oder allgemeiner: die Religion - einer subtilen Auflösung, einer inneren Erosion unter- liegt, sondern auch die Vernunft. Wir können das Ziel, das Gott uns gegeben hat, ver- fehlen. Das muss heute deutlich gesagt werden. Es gibt den ewigen Tod. Das ist die Mög- lichkeit, dass der Mensch scheitert, dass er sein Leben endgültig verspielt, dass er alle Türen schließt, die Gott ihm öffnet, und zwar für immer.

Das geschieht da, wo wir uns der Diktatur der Diesseitigkeit und der Herrschaft der Triebe unterwerfen, wo wir uns der Botschaft der Kirche und des Christentums oder allgemeiner der Religion widersetzen, die uns letzten Endes durch die Vernunft bestätigt wird, wo wir nicht verantwortungsbewusst leben und vergessen, dass wir uns heute und morgen auf das jenseitige, auf das ewige Leben vorbereiten.

Wenn wir heute einen erschreckenden moralischen Niedergang in der Kirche und in der Welt erleben, der letzte Grund dafür liegt darin, dass wir nicht mehr im Ernst mit der jen- seitigen Welt rechnen und dass wir im Grunde genommen unsere  Verantwortung vor Gott nicht mehr ganz ernst nehmen.

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Der Christ lebt im Angesicht des Todes, um dadurch wahrhaft frei zu werden, er lebt auf den Tod hin oder besser noch: er stirbt auf das Leben hin. Das tut er, indem er das göttli- che Leben, das Gnadengeschenk der Erlösung, bewahrt, indem er es hegt und pflegt. Der heilige Franz von Assisi streckte auf dem Sterbebett dem Bruder Tod die Hand entgegen und lobte Gott, dass er ihm diesen gütigen Freund gegeben hatte. Das war im Jahre 1225. Solche Freundschaft mit dem Tod wird möglich, wenn wir das göttliche Leben in uns bewahren, wenn wir es hegen und pflegen, wenn wir aus ihm unser Leben gestalten.

Der Höhepunkt des Gottesdienstes der Kirche ist eine Todesfeier, die Feier des Todes Christi. Das ist uns oft nicht bewusst. Feiern wir sie immer wieder in rechter Weise mit, wenigstens am Beginn einer jeden Woche, am Tag des Herrn, lernen wir durch sie die Kunst des Sterbens, die bedeutsamer ist als alle Künste dieser Welt. Amen.

 

 

P R E D I G T  Z U M 1 2. S O N N T A G I M  K I R C H E N J A H R

„WARUM HABT IHR ANGST - WARUM IST EUER
GLAUBE SO SCHWACH“

Das Evangelium des heutigen Sonntags handelt von der Not des Menschen und von der Hilfe Gottes. Der Sturm auf dem See ist ein eindrucksvolles Zeichen für die mannigfachen Nöte, in die wir hineingeraten können. Und das gebieterische Eingreifen Jesu zeigt uns, wohin wir uns wenden können, wenn wir kein Licht und keinen Weg mehr sehen. Die Stillung des Seesturms ist eine Glaubensschule für die Jünger und ein Trost für sie in den Verfolgungen und Drangsalen, die später über sie hereinbrechen werden. Glaubens- schule und Trost soll diese Stillung des Sturms aber auch für uns sein, denn alles, was „in jenen Tagen“ geschehen ist, hat bleibende Bedeutung bis zum Jüngsten Tag.

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Mannigfache Nöte und Ängste bestimmen unser Dasein. Den meisten von uns geht es recht gut, äußerlich gesehen, aber anders sieht das drinnen aus, das innere Leid vieler ist ungemessen. Viele kommen mit sich selbst nicht zurecht. Sie leiden an der Diskrepanz, an dem inneren Abstand zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Sie träumen von einer be- sseren Gesundheit, von mehr Anerkennung, von größeren beruflichen Erfolgen und grö- ßerer wirtschaftlicher Sicherheit. Oder sie haben Schwierigkeiten mit den Mitmenschen, familiär, in der näheren Umgebung, oder im Beruf und in der Freizeit, in der weiteren Umgebung. Andere sorgen sich um die Zukunft unserer Welt in der Politik und in der Ge- sellschaft, um die Zustände in der Kirche und um die Glaubwürdigkeit ihrer Botschaft heu- te und morgen und überhaupt um die weitere Entwicklung der Menschheit angesichts des Potentials der inneren und äußeren Zerstörung, das sie hervorgebracht hat.

Viele haben keine Sorgen, weil sie dumm sind oder verblendet, weil sie nicht sehen wollen oder nicht sehen können. Aber je aufmerksamer wir leben, je tiefer wir die Wirk- lichkeit geistig durchdringen, umso zahlreicher und drückender werden die Sorgen, die über uns kommen, umso mehr werden wir von Angst und Furcht ergriffen, wie die Jünger Jesu auf dem See Genesareth.

Manchmal erscheinen uns die Lasten, die wir zu tragen habe, allzu schwer, sei es, dass allzu viel zusammenkommt, oder sei es, dass wir keine Reserven mehr haben, jedenfalls kommt es manchmal so, dass wir den Eindruck haben, es würde uns der Boden unter den Füßen weggezogen. Genau das ist dann die Situation der Jünger im Evangelium des heu- tigen Sonntags.

Aber all unsere Sorgen und Ängste sind eigentlich fehl am Platz, überflüssig sind sie für uns, wenn wir auf Gott vertrauen und wenn wir getragen werden von der Verheißung Christi „ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt“ (Mk 28, 20).

Der heilige Paulus schreibt im Römerbrief: „Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Guten“ (Röm 8, 28). Das ist eine Überzeugung, die in mannigfachen Leiden und in vielen Prüfungen in ihm gereift ist, die er sich in seinem Leben als Missionar mehr und mehr zu Eigen gemacht hat. Wer glaubt und betet, der meistert alle Situationen. Gott hört uns im- mer, wenn wir vertrauensvoll zu ihm rufen. Das will nicht sagen, dass seine Hilfe stets so aussieht, wie wir uns das vorstellen, Gott erhört uns nicht mechanisch, aber er hilft im- mer, wo der Mensch gläubig und vertrauensvoll zu ihm ruft. Gottes Schlaf ist nur ein scheinbarer, seine Abwesenheit ist nur vordergründig. Papst Johannes XXIII. hat das Wort geprägt: „Wer glaubt, der zittert nicht“. Das Sprichwort sagt: „Wo die Not am größten, da ist Gottes Hilfe am nächsten“. Das gilt  für uns natürlich  nur dann, wenn wir nicht stolz auf unsere eigene Kraft vertrauen oder wenn wir nicht alle Hoffnung aufgeben und ein- fach verzweifeln.

Im heutigen Evangelium werden die Jünger getadelt, weil ihr Glaube so schwach ist, aber sie wissen immerhin noch, wer mächtiger ist als sie, sie wissen immerhin noch um die Wirksamkeit des Gebetes. Das ist heute bei vielen Menschen anders. Sie haben den Glauben verloren, so sehr, dass sie auch in der Not nicht mehr beten. Das geht gar so weit, dass sie grundsätzlich die Allmacht Gottes in Frage stellen und seine Fähigkeit, unsere Gebete zu erhören, wenn sie nicht gar die Existenz Gottes leugnen. So bleibt ihnen nichts anderes als Verhärtung oder Verzweiflung, wenn sie in Not geraten. Da ist der Kleinglaube der Jünger schon besser. Er ist ein Anfang. Aber auch der reicht nicht aus. Deshalb werden sie getadelt.

Es ist eine Katastrophe, wenn solche, die den Glauben verloren haben, so sehr, dass sie auch in der Not nicht mehr beten, Religionslehrer sind oder gar Amtsräger der Kirche. Das  aber ist zuweilen die Wirklichkeit. Sie hat böse Konsequenzen, erklärt in der Gegenwart aber manche Phänomene in Kirche und Welt.

Der lebendige Glaube zeigt sich im Vertrauen auf Gottes Hilfe in den Stürmen des Le- bens. Gerade wenn es uns ganz schlecht geht, dann muss der Glaube sich bewähren. Hier ist die alttestamentliche Gestalt des Dulders Hiob unser Vorbild. Dieser sagt in seiner äußersten Not, er hat all seine Angehörigen verloren, er liegt selber krank danieder, und seine Schmerzen machen ihm die Nächte zur Ewigkeit. In dieser äußersten Not sagt er das schöne Wort: „Und wenn er mich tötet, ich lasse nicht von ihm“ (Hiob 13, 15). Gott wirkt auch heute noch seine Wunder, wenn wir Vertrauen haben. Dabei wissen wir im Glauben, und das Leben bestätigt es uns: Gott weiß auch das Böse zum Guten zu lenken.

Haben wir einen lebendigen Glauben, dann können wir einfach in der Gegenwart leben, wie Kinder es tun und es tun können, die gute und sorgende Eltern haben.

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Das Evangelium des heutigen Sonntags spricht von der Ohnmacht des Menschen und der Macht Gottes. Die Ohnmacht des Menschen am Abgrund der geistig-seelischen oder kör- perlichen Vernichtung, das ist der Ernstfall des Glaubens. In Extremsituationen eine Weile schwankend und unsicher zu werden, das ist allzu menschlich, aber alsbald muss das Vertrauen auf den mächtigeren Gott die Oberhand gewinnen. Wir beten: Vater unser im Himmel. Daraus ergibt sich für uns eine ernste Verpflichtung, nämlich die, dass wir Gott vertrauen, wie Kinder einem guten Vater Vertrauen schenken. Mutlosigkeit und Verzweif- lung, das ist das Kennzeichen der Gottlosen. Nicht sie sind in Gottes Hand, die Gottlosen, sondern jene, die Hoffnung haben und vertrauen, gegebenenfalls wider alle Hoffnung, jene, für die das Bittgebet die entscheidende Gestalt des Betens darstellt. Amen.

 

PREDIGT ZUM 11. SONNTAG IM KIRCHENJAHR, GEHALTEN AM 14. JUNI 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„DIE MIT TRÄNEN SÄEN, WERDEN MIT JUBEL ERNTEN“

Gott bringt uns in seiner Offenbarung die großen Wirklichkeiten des Glaubens nicht selten in Gleichnissen und Bildern nahe. - Im Evangelium des heutigen Sonntags wird unser Le- ben mit der Zeit der Aussaat und des Wachsens und Reifens der Saat verglichen und un- ser Ende mit der Zeit der Ernte: Wir säen, und Gott besorgt in seiner Güte das Wachsen und Reifen. Das wird durch zwei Gleichnisse veranschaulicht, durch die wohlbekannten Gleichnisse vom Sämann vom Senfkorn.

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Wir säen, Gott gibt das Wachstum und das Reifen, und er holt einst die Ernte in die ewi- gen Scheunen. Unsere Saat, das ist unser Leben in der Verbundenheit mit Gott, das sind die guten Werke, die wir tun, das ist die Erfüllung des Willens Gottes, das ist unser Bemü- hen, Gott zu gefallen, wie es in der (zweiten) Lesung heißt. Es gilt, dass wir den Samen ausstreuen, solange uns noch die Zeit dafür geschenkt ist. Es wäre verhängnisvoll für uns, wenn wir die Hände in den Schoß legen würden.

Wir können das Gute allerdings nicht tun ohne Gott, aber Gott tut es auch nicht ohne uns. Gott erwartet von uns, dass wir treu sind im Kleinen, dass wir selbstlos und sachlich unse- re Aufgaben verrichten, dass wir nicht auf die Ehre bei den Menschen setzen, dass wir keine Angst haben, wenn wir uns Wunden zuziehen im Kampf für Wahrheit und Gerech- tigkeit, gegen Verlogenheit und Gemeinheit und heute vor allem gegen die Missachtung der Menschenwürde, wie sie uns in der Gegenwart in immer neuen Formen begegnet.

Gott lenkt die Welt, aber er tut das nicht ohne uns. Von nichts kommt nichts. Das meinen zwar viele heute, wenn sie sich ein Leben lang nicht um Gott und um seine Gebote küm- mern und dennoch meinen, sie könnten am Ende vor ihm bestehen. Aber sie täuschen sich, denn ihre Hoffnung hat kein Fundament. Vermessenheit nennen wir eine solche Hal- tung. Das ist eine Hoffnung, welche die Vernunft oder den gesunden Menschenverstand ausklammert.

Wer nicht sät, der erntet nicht. Wer gleichgültig dahinlebt, der wird keinen Ertrag auf dem Acker seines Lebens erbringen. Für ihn gibt es keine Ernte. Es gilt, dass wir die Saat unse- res Lebens mit Gott an einem jeden Tag ausstreuen, den Gott uns schenkt. Sie wächst und reift dann in der Stille, wie alles Große in der Stille wächst und reift. Dann ist es je- doch Gott, der das Wachstum und das Reifen gibt - wenn auch nicht ohne unser Mittun -, der dann aber zugleich auch den Tag der Ernte bestimmt.

Der gleiche Gedanke begegnet uns in dem Gleichnis vom Senfkorn. Dieses verbindet da- mit dann allerdings einen weiteren Gedanken. Nämlich den, dass aus kleinen Anfängen oftmals Großes hervorgeht.

Das Senfkorn ist winzig klein und unscheinbar. Man dachte zur Zeit Jesu, ein kleineres Samenkorn gebe es gar nicht. Heute wissen wir: Es gibt noch kleinere Samenkörner, klei- ner ist etwa der Mohnsamen, aber wichtiger ist hier, dass die Senfstaude, die aus dem Samenkorn hervorgeht, bis zu vier Meter hoch wird und somit alle ähnlichen Pflanzen übertrifft.

Gott kann Kleines groß machen, aber er kann auch Großes klein machen, und er tut es auch zuweilen. Gottes Maßstäbe sind nicht selten andere als die Unseren. Was vor den Menschen klein und gering erscheint, das ist oftmals groß vor Gott. Und das Große in den Augen der Menschen ist oftmals klein vor Gott.

Das muss uns ein Ansporn sein, dass wir uns nicht durch die Anerkennung der Menschen blenden und durch ihre Verachtung nicht betrüben lassen. Dass wir vor Gott gut dastehen, darauf kommt es an. Das beachten wir allzu oft nicht im Alltag unseres Lebens. Darum fürchten wir nicht selten die Menschen mehr als Gott, darum sind wir oft geneigt, die Ehre und das Ansehen bei den Menschen weit höher einzuschätzen als die Ehre und das Ansehen bei Gott.

Aber der große Erntetag, der unaufhaltsam kommt, wird es zeigen, was wirklich Wert und was wirklich Bestand hat. Dieser Erntetag ist der entscheidende Tag für unsere Welt und für einen jeden von uns.  „Wir alle müssen vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen“ (2 Kor 5, 10; vgl. Rö 14, 10) heißt es in der (zweiten) Lesung dieser heiligen Messe.

Der Erntetag ist der Tag der Vollendung, aber er ist auch ein Tag der Schrecken und der Katastrophen. So haben ihn bereits die alttestamentlichen Propheten angekündigt. Für uns bricht er an, dieser Tag, wenn wir diese Welt verlassen müssen.

Es ist im Grunde ganz einfach: Wenn wir diesen Tag immer vor Augen haben, dann brau- chen wir uns nicht vor ihm zu fürchten, dann werden wir an ihm nicht mit leeren Händen dastehen. Die Realität ist indessen die, dass oftmals die, die jenen Tag fürchten, ihn eigentlich nicht zu fürchten brauchen, dass aber die, die ihn fürchten müssen, es gerade nicht tun, wenn sie ihn nicht gar schlichtweg ignorieren oder leugnen.

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Wir säen, aber Gottes Gnade besorgt das Wachsen und das Reifen. Ja, schon beim Säen begleitet uns Gottes Gnade, wenn wir Gott um sie bitten und wenn wir uns ihr nicht wider- setzen. Wo aber kein Saatgut in die Erde gelegt wird, da kann auch nichts wachsen und reifen. Unser Saatgut, das ist unser Bemühen, unser Leben im Angesicht Gottes zu führen und Gottes heiligen Willen in dankbarer Treue zu erfüllen.

Dabei müssen wir wissen, dass durch Gottes Güte aus kleinen Anfängen Großes werden kann. Und wir müssen wissen, dass die Maßstäbe Gottes andere sind als die der Welt, dass das, was in der Welt groß erscheint, vor Gott oft, wenn nicht gar in der Regel, klein ist und dass das, was in der Welt klein erscheint, groß ist vor Gott, in der Regel.

Endlich dürfen wir nicht vergessen, dass es Gott ist, der für jeden den Tag der Ernte be- stimmt hat, den Tag, an dem jeder das Seine erhält, an dem jeder erntet, was er gesät hat. Die Zeit der Aussaat wird einmal zu Ende sein. Das aber kann im Grunde schon mor- gen sein. Im Hinblick darauf ist es schon ein Gebot der natürlichen Klugheit für uns, dass wir die Zeit nützen.

Der Apostel Paulus schreibt: „Was der Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal 6, 7) und: „Wer spärlich sät, wird auch spärlich ernten“ (2 Kor 9, 6). Wer nichts einsetzt, wird auch nichts gewinnen. Im 126. Psalm heißt es im Blick auf die Rückführung der Verbann- ten aus Babylon: „Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten“ (Ps 126, 5). Amen.

 

PREDIGT ZUM FRONLEICHNAMSFEST, GEHALTEN AM 11. JUNI 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„DAS IST MEIN LEIB, DER FÜR EUCH HINGEGEBEN WIRD“

Das Fest Fronleichnam reicht zurück bis in das 14. Jahrhundert. Erstmals wurde es als Fest der Gegenwart des verklärten Christus in der Eucharistie im Jahre 1246 im belgi- schen Lüttich gefeiert. 1364 wurde es durch Papst Urban IV. für die gesamte Kirche vorge- schrieben. Seit dieser Zeit wurde es in der Regel mit einer Prozession begangen. Das Fest wird an einem Donnerstag gefeiert, weil es auf den Gründonnerstag zurückverweist, den Tag der Einsetzung des Geheimnisses der Eucharistie, und ihn gleichsam verlängert. Es geht dabei um die Feier des Opfers Christi, des zentralen Geheimnisses der Kirche, in dem der Tod und die Auferstehung Jesu immer neu Gegenwart werden für uns, und um die Anbetung des in der Gestalt des Brotes gegenwärtigen Christus. Dabei steht die Anbe- tung am heutigen Tag im Vordergrund. Wirklich, wahrhaft und wesentlich ist er zugegen in dieser Gestalt, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit. In ihr ist er in ganz spezifischer Weise bei uns bis zu seiner Wiederkunft am Ende aller Tage.

Der Glaube der Kirche nimmt das Wort Jesu „das ist mein Leib“ ganz ernst, jenes Wort, an dem schon die Zeitgenossen Jesu Anstoß nahmen und das in der Geschichte des Chri- stentums nicht wenige Umdeutungen erfahren hat.

Das, was Jesus beim Abendmahl gesagt und getan hatte, das wurde als kostbares Ver- mächtnis von Anfang an, seit dem Beginn der apostolischen Predigt, heilig gehalten in der Kirche, von Anfang an bildete es den Mittelpunkt des Gottesdienstes der Kirche Chri- sti.

Die Eucharistie ist das Herz der Kirche. Ecclesia de Eucharistia vivit“, so lautet der Name der letzten Enzyklika, die Papst Johannes Paul II. im Jahre 2003 verfasst hat - „die Kir- che lebt aus der Eucharistie“, authentisch, in der Bewahrung ihrer Authentizität (!).

Die Eucharistie ist der Testfall des Katholischen, zusammen mit dem Priestertum, wie es die apostolische Sukzession begründet, weshalb sich hier im ökumenischen Gespräch die Geister scheiden, sich scheiden müssen, denn die Ökumene kann nicht pragmatisch zu- wege gehen, in ihr geht es um die Wahrheit, über die man nicht verfügen, bei der man keine Kompromisse machen kann.

Wir wissen oftmals nicht um den Reichtum dieses Sakramentes, um seine Größe, seine Schönheit und seine Erhabenheit. Konvertiten bekennen immer wieder, dass sie um die- ses Sakramentes willen den Weg zur katholischen Kirche gefunden haben, dass dieses Sakrament für sie der Schlüssel zur katholischen Wahrheit gewesen sei.

Es geht bei der Eucharistie um eine Speise, um eine übernatürliche Speise, aber diese muss angebetet werden, nur so kann sie fruchtbar werden in unserem Leben. Darauf ver- weist bereits der heilige Augustinus vor mehr als 1500 Jahren.

Das verwandelte Brot hat in sich die Kraft, uns selbst, die wir es empfangen, umzuwan- deln, vorausgesetzt, dass wir es in der rechten inneren und äußeren Haltung empfangen. Was wir oft vergessen haben, das ist, dass dieses Sakrament den Gnadenstand voraus- setzt und einen lebendigen Glauben an seine Wirklichkeit. Darum sind die vielen Kommu- nionen, die heute empfangen werden, oft unfruchtbar, verbinden sie nicht mit Christus, sondern trennen von ihm und seiner Kirche.

Die Übung der Anbetung bestärkt uns im Glauben an die Gegenwart Christi. Allein, der Glaube an die Gegenwart Christi in den eucharistischen Gestalten ist die Crux unserer Ta- ge.

Kürzlich klagte der frühere Präfekt die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakra- mentenordnung, der afrikanische Kardinal Arinze, über den Rückgang der Ehrfurcht ge- genüber der Eucharistie (Rundfunkvortrag am 8. Juni 2009; vgl. Kathnet vom 10. Juni 2009). Der Grund für den Rückgang der Ehrfurcht und der Ehrerbietung gegenüber dem Sakrament ist der schwache oder der verlorene Glaube an den in der konsekrierten Ho- stie gegenwärtigen Christus. Man kann es aber auch so sagen: Weil wir es so oft an der Ehrfurcht und an der Ehrerbietung fehlen lassen, deshalb ist unser Glaube so schwach oder deshalb ist er gar verloren gegangen.

Zur Ehrfurcht und zum gläubigen Bekenntnis sind wir in besonderer Weise herausgefor- dert, wenn wir heute an der Prozession teilnehmen. Wir sollten uns hier das Jesus-Wort vor Augen halten: „Wer mich vor den Menschen bekennt, den werde auch ich vor mei- nem Vater im Himmel bekennen“ (Mt 10, 32).

Immer wieder müssen wir Akte des Glaubens erwecken, damit das Wissen unseres Ver- standes auch unser Herz bewegt. Das gilt in besonderer Weise für das tiefste Geheimnis unseres christlichen Glaubens. „Was Gottes Sohn gesagt“, heißt es in einem eucharisti- schen Hymnus, den der heilige Thomas (+ 1274), der bedeutendste Lehrer der Kirche, einst verfasst hat, „glaub ich mit Zuversicht, weil nichts so wahr sein kann, wie das, was die Wahrheit spricht“ - “nil hoc verbo veritatis verius”. Symptomatisch ist die Rede vom „heiligen Brot“, die sich heute mehr und mehr einbürgert. Zumindest verdunkelt sie die Gegenwart des verklärten Christus in der konsekrierten Hostie, die Realpräsenz, welche die Kirche seit ihren Anfängen gläubig bekennt.

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Das Fronleichnamsfest will uns das innerste Geheimnis des Glaubens der Kirche vor Augen führen und zu einer lebendigen eucharistischen Frömmigkeit führen. Es will uns im Glauben an das Mysterium bestärken und uns daran erinnern, dass es diesen Glauben nicht gibt ohne die Ehrfurcht. „Die Kirche lebt aus der Eucharistie“. Sie ist das Herz der Kirche, sie muss es sein. Das Geheimnis der Eucharistie ist aufs Engste verbunden mit dem Priestertum, wie es die katholische Kirche versteht.

Im Mittelpunkt des Fronleichnamstages steht die dankbare Anbetung des in der Gestalt des Brotes gegenwärtigen Christus, die ein prägendes Moment unserer eucharistischen Frömmigkeit sein muss.

Die Anbetung des in der Gestalt des Brotes gegenwärtigen Christus ist auf die Endzeit hin ausgerichtet, sie unterstreicht die Wahrheit, dass wir im Letzten, wenn wir unsere Situa- tion in dieser Welt recht verstehen, heimatlos sind. „Sooft ihr dieses Brot esst und diesen Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt“, schreibt Paulus an die Korinther (1 Kor 11, 26). Die dankbare Anbetung des in der konsekrierten Hostie ge- genwärtigen Christus erinnert uns daran, dass wir, wie es der Hebräerbrief sagt, „hier kei- ne bleibende Stätte“ haben, dass wir vielmehr „die zukünftige (also die bleibende) su- chen“ (Hebr 13, 14). Amen.

 

PREDIGT ZUM FEST DER ALLERHEILIGSTEN DREIFALTIGKEIT, GEHALTEN
AM 7. JUNI 2009 IN FREIBURG, ST. MARTIN

 „EHRE SEI DEM VATER UND DEM SOHN UND
DEM HEILIGEN GEIST“

Der heilige Pfarrer von Ars Jean Vianney - er starb im Jahre 1859, kürzlich hat ihn der Hei- lige Vater zum Patron der Priester proklamiert - war kein Redner, dennoch kamen die Menschen in großer Zahl zu ihm, selbst aus dem fernen Amerika kamen sie angereist, um seinen Worten zu lauschen und um ihm ihre Sünden im Sakrament der Buße zu beken- nen. Seine Worte waren schlicht, manchmal gar unbeholfen, aber sie gaben Zeugnis von jenem lebendigen und ehrfürchtigen Glauben, der in ihm lebte, den er lebte und der seine Existenz von Grund auf prägte. Er konnte nicht reden, aber er konnte überzeugen. Somit gehörte er zu jener Kategorie von Menschen, die heute Seltenheitswert haben.

Von dem Pfarrer von Ars wird uns überliefert, dass er einmal in unverkennbarer innerer Freude ausgerufen hat: „Wie schön ist das doch, meine Kinder! Der Vater ist unser Schöp- fer, der Sohn ist unser Erlöser, und der Heilige Geist ist unser Führer“. Das ist das Gleiche, was der heilige Paulus in tiefer theologischer Sprache in jenen Versen des Römerbriefes zum Ausdruck bringt, die der Gegenstand der (zweiten) Lesung dieser heiligen Messe sind. Es ist das Geheimnis der allerheiligsten Dreifaltigkeit, das da angesprochen wird, dem der heutige Festtag gewidmet ist.

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Wir erkennen den dreifaltigen Gott durch das, was er an uns getan hat und was er fort- während an uns tut, und wir erkennen ihn umso tiefer, je mehr wir uns diesem seinem Tun überlassen und es mit großer Dankbarkeit beantworten. Das bringt der Pfarrer von Ars mit einfachen Worten zum Ausdruck, das sagt der heilige Paulus mit tiefsinnigen Wor- ten.

Gott ist ein dreifaltiger Gott, das wissen wir durch die Offenbarung des Neuen Testamen- tes. Die Jünger Jesu erkannten das Geheimnis der drei göttlichen Personen, und sie machten es sich zu Eigen, indem sie tiefer eindrangen in die Worte Jesu. Er hatte von sei- nem Vater gesprochen, von dem er ausgegangen war, und von dem Geist, der er senden werde, und er hatte sich ihnen als der dem Vater ebenbürtige Sohn offenbart: Er war Gott, und auch der Vater war Gott, und doch gab es nur einen Gott für ihn.

Gott ist zunächst unser Schöpfer, unser Ursprung. Weil er aber unser Ursprung ist, des- halb ist er auch unser Ziel. Von ihm haben wir unser Sein, und in ihm findet dieses unser Sein  seine Vollendung. Im Tiefsten ist unser Wesen auf ihn hin ausgerichtet. Dank un- serer Geistnatur übersteigen wir uns selber um ein Unendliches, transzendieren wir uns. In Gott finden wir erst unsere Ruhe in unserem Streben nach dem Unendlichen, erklärt der heilige Augustinus (+ 430).

Die Rückkehr des Menschen zu Gott war jedoch seit den Urtagen der Menschheit verbaut, der Mensch hatte sich mit Gott überworfen, ein tiefer Graben trennte ihn von Gott. Darum wissen auch die Mythen der Völker, sie wissen darum, dass es am Morgen der Schöpfung eine Katastrophe gegeben hat, jene Katastrophe, die wir die Ursünde nennen, die einen tiefen Graben geschaffen hat zwischen Gott und dem Menschen. Diesen Graben aber hat der Sohn Gottes überbrückt, er hat den Menschen den Frieden zurückgebracht, den sie damals verloren hatten. Er hat die Menschheit wieder mit Gott versöhnt, aus Feinden Got- tes hat er Freunde gemacht. Das meinen wir, wenn wir sagen: Der Sohn Gottes hat uns erlöst. Diese Erlösung wird entfaltet durch den Heiligen Geist. Das bringen wir zum Aus- druck, wenn wir sagen: Der Heilige Geist hat uns geheiligt. Richtiger müsste es heißen: Immerfort heiligt Er uns. Der Pfarrer von Ars nannte ihn deshalb unseren Führer.

Der Heilige Geist ist die Liebe in Gott. Das ist bedeutsam für uns, denn unser Weg zu Gott und zur Vollendung in Gott ist der Weg der Gottes- und Nächstenliebe, nur auf ihm kom- men wir zu Gott und zur Vollendung in Gott. Das ist ein steiler Weg, aber wir müssen ihn nicht allein gehen. Es ist die persongewordene Liebe Gottes, es ist der Heilige Geist,  der uns auf diesem Weg führt, wenn wir uns nur ihm anvertrauen. Er ist uns Licht und Kraft, er stärkt unseren Verstand und unseren Willen.

Wenn wir Gott als den Dreieinen glauben und bekennen, kommt Bewegung in unser Gottesbild, Lebendigkeit. Aber Gott wird damit noch unbegreiflicher für uns, er wird damit noch geheimnisvoller für uns. Der heilige Augustinus (+ 430) erklärt: Würdest du Gott be- greifen, wäre er nicht Gott. Alles, was du begreifen kannst, das ist nicht Gott. Begreifen heißt: In den Griff bekommen. Das setzt aber voraus, dass man das Begriffene überragt. In den Griff bekommen kann man etwas nur, wenn man größer ist als das, was man begrei- fen möchte. Gerade das aber ist bei Gott nicht gegeben. Wir können jedoch so viel verstehen von ihm, dass wir wissen, was wir meinen, wenn wir von dem dreifaltigen Gott sprechen.

Wir sprechen heute viel von Gotteserfahrung, wohl deshalb, weil wir sie so wenig haben. Erlebnismäßig ist Gott uns heute unendlich fern. Bereits das Gespür für das Heilige ist uns weithin abhanden gekommen. Darum wird unser Glaube oft nur notdürftig aufrechterhal- ten, wenn er überhaupt noch aufrechterhalten wird.

Wenn wir Gott erfahren wollen, müssen wir uns klar machen, wer er ist, wer er ist und was er für uns getan hat und wer wir sind. Das müssen wir uns nicht nur mit Verstand klar machen, sondern auch mit dem Herzen

Die Erfahrung Gottes setzt einen lebendigen Glauben voraus, denn unmittelbar können wir ihm nicht begegnen. Wir können seine Existenz erschließen, mit Hilfe unserer Ver- nunft, aber erfahren können wir ihn nur im Glauben. Wenn wir von Gott bewegt werden wollen, müssen wir uns von ihm bewegen lassen. Erleben können wir Gott nur, wenn wir uns gläubig ihm zuwenden in Ehrfurcht und Frömmigkeit, wenn wir niederknien und ihn anbeten.

Wir sagen gern: Als Christen müssen wir uns den Menschen zuwenden, mit Recht, dar- über dürfen wir es jedoch nicht versäumen, dass wir uns Gott zuwenden. Die Hinwen- dung zum Menschen würde uns besser gelingen, wenn wir uns entschlossener Gott zu- wenden würden.

Um Gott zu begegnen, brauchen wir einen geheiligten Raum, brauchen wir gesegnete Stille. In unserer profanen Welt ist Gott abwesend, in ihr schweigt er. Ehrfurcht, Frömmig- keit und Anbetung, das sind Haltungen, in denen wir in angemessener Weise dem Ge- heimnis des dreifaltigen Gottes begegnen, dem Schöpfer, dem Erlöser und dem Führer auf dem Weg des Lebens. Diese Haltungen sind in jedem Fall wichtiger als alle Bemü- hungen des Verstandes. Was uns nottut, das ist in erster Linie das Bemühen um Gott im Gebet. Amen.

 

PREDIGT ZUM ZWEITEN PFINGSTTAG, GEHALTEN AM 1. JUNI 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„ALLE WURDEN SIE VOM HEILIGEN GEIST ERFÜLLT“

Das Entscheidende ist unsichtbar in unserer Welt. Wir sehen nur die Außenseite der Dinge, das Wesen ist unseren Augen verborgen. Das gilt auch für den Menschen, der im Alten Testament als die Krone der Schöpfung bezeichnet wird (Ps 8, 6). Das, was ihn zum Menschen macht, das ist die Seele. Sie aber ist unsichtbar. Sie prägt sich jedoch aus in der ganzen äußeren Erscheinung eines Menschen, in seinem Antlitz, in seinen Blicken, in seinem Reden, in seinem Lächeln, in seiner Haltung, in seinem Händedruck, ja, bis hinein in die Handschrift. Graphologen entdecken mit Recht die entscheidenden Züge der Seele in den geschriebenen Worten eines Menschen. Wir sagen mit Recht: Je seelenvoller der Ausdruck eines Menschen ist, umso menschlicher ist er. Die Seele des Menschen offen- bart sich vor allem im Denken und im Wollen. Wenn sie den Körper verlässt und sich seiner nicht mehr bedient, ist der Mensch tot. Was dann zurückbleibt, ist eigentlich nicht mehr dieser Mensch, sondern das Instrument, durch das er einmal in unserer Mitte war. Was sollen diese Überlegungen? - Nun, auch die Kirche hat eine Seele. Ihre Seele ist der Heilige Geist. Seine erste Herabkunft auf die junge Christengemeinde von Jerusalem haben wir gestern im Gedächtnis begangen. Der Heilige Geist ist das innerste Prinzip der Kirche, er ist die Mitte ihres Wirkens, eben das, was die Seele im Leib eines Menschen ist. Man sieht ihn nicht, den Heiligen Geist, aber man erkennt ihn an seinem Wirken, vielleicht spürt ihn auch zuweilen. Er spendet Licht und Wärme wie das Feuer, er ist kraft- voll wie der Sturmwind, er beflügelt unsere Rede, als hätten wir Zungen wie von Feuer. Oft ermöglicht er das Unmögliche. In ihm geschieht die Verkündigung der Botschaft der Kirche, vor allem wenn sie kraftvoll ist und überzeugend.

Der Heilige Geist wirkt in den Sakramenten, und er schenkt den Menschen alle Gnaden, die sie empfangen. Er leitet und führt die Kirche durch menschliche Hirten. Das alles ge- schieht jedoch nicht ohne dass die Menschen sich dem Geist Gottes zur Verfügung stellen oder sich in Dienst nehmen lassen von ihm. Sicherlich kann der Geist Gottes auch gleich- sam über die Köpfe der Menschen hinweg wirken, aber das ist die Ausnahme. Normaler Weise wirkt er nicht über die Menschen hinweg, sondern durch sie hindurch. Und wenn das Wirken der Kirche kraftlos ist und lahm und wenig ansprechend und nicht überzeu- gend oder auch verworren und ziellos, so liegt das nicht am Heiligen Geist, so liegt das nicht an der Seele der Kirche, sondern an ihren Gliedern, sofern sie sich als schlechte Werkzeuge erweisen oder sich gar in ihrem Stolz dem Heiligen Geist widersetzen oder ihm widerstehen. Es gibt auch heute viel Gutes in der Kirche, wovor wie die Augen nicht verschließen dürfen. Es gibt große Ideale und tiefe Glaubenskraft und bewundernswerte Opferbereitschaft. Es gibt Heroismus in der Kirche, es gibt aber auch viel Gemeinheit und Untreue, es gibt große Einsatzbereitschaft, daneben aber nicht wenig Resignation, zer- störerischen Egoismus, selbstherrliche Besserwisserei und zynischen Unglauben.

Indessen ist auch unsere Zeit Gottes Zeit. Die Kirche ist groß und schön, wenn sie ihr Inneres nicht verbirgt, wenn ihre Seele, der Heilige Geist, sich in ihr ausprägt. Das ist das Problem. Die Kirche stünde anders da, wenn das Wirken des Gottesgeistes deutlicher sichtbar würde.

Nur Begeisterung kann Begeisterung wecken. Mit der Begeisterung müssen sich Standhaf- tigkeit, Sicherheit, Kühnheit und Stärke verbinden. Es gilt, dass wir gute Werkzeuge des Heiligen Geistes sind. Wir können es werden, wenn wir unser Leben aus dem Gebet ge- stalten und wenn wir konsequent aus dem Glauben leben, wenn der Wille Gottes und die Nachahmung Christi unser Leben bestimmen. Die Gnade baut auf der Natur auf.

Es gibt keinen Menschen, der so sehr ein Werkzeug des Heiligen Geistes war wie Maria, die Mutter Jesu, es gewesen ist. Wir nennen sie die Braut des Heiligen Geistes. Mit noch vielen anderen Namen wird ihre innere Nähe zum Heiligen Geist ausgedrückt, wenn sie in der Lauretanischen Litanei als Gefäß des Geistes bezeichnet wird, als Sitz der Weis- heit, als Spiegel der Gerechtigkeit, als die Pforte des Himmels, als die Trösterin der Be- trübten. Sie hat sich ganz und gar dem Geist Gottes zur Verfügung gestellt hat, in ihrer Demut, in ihrer Treue, in ihrer Lauterkeit und Reinheit, in ihrer Selbstlosigkeit und in ihrer leidensbereiten Güte. Gänzlich hat sie sich in den Dienst des Heiligen Geistes gestellt, seitdem sie sich bei der Begegnung mit dem Engel als die Magd des Herrn bezeichnet hatte. Sie ist das Bild des neuen Menschen, wir bekennen sie als die Ersterlöste. Sie durf- te stellvertretend mitwirken an der Erlösung der Menschheit. In ihrem beispielhaften Le- ben findet die Kirche, finden wir alle das Ideal des von Geist Gottes geleiteten Menschen. Sie, die heilige Jungfrau, muss unserem Leben Richtung geben und Halt. Geschieht das, bemühen wir uns darum, dann wird durch uns das innerste Wesen der Kirche deutlich, dann machen wir die Seele der Kirche sichtbar in unserem Leben.

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Viele beklagen sich heute über die Kirche, zu Recht oder zu Unrecht, feindselig oder wohlmeinend. Immer geht es in solcher Kritik im Grunde um den Anspruch, den die Kir- che erhebt, um den Anspruch, als Stiftung Gottes in ihrem Kern eine übernatürliche Wirk- lichkeit, der fortlebende Christus, zu sein, sich aus Göttlichem und Menschlichen zusam- menzusetzen, wie es das Zweite Vatikanische Konzil sagt (Lumen gentium, Art. 8). Von diesem Anspruch sagen die einen, die Kirche erhebe ihn zu Unrecht, und die anderen, sie vertrete ihn nicht glaubwürdig. Tatsache ist, dass die Kirche heute weithin ihre Seele ver- birgt und ihre innere Schönheit nicht zum Leuchten bringt. Sie müsste ihr inneres Wesen offener zutage tragen. Das ist ein Appell an uns alle: Wir alle müssten mehr Zeugen des Heiligen Geistes sein und entschlossener und beharrlicher das Licht und die Glut dieses Geistes in die Welt hineintragen. Amen.

 

PREDIGT ZUM HOCHHEILIGEN PFINGSTFEST, GEHALTEN AM 31. MAI 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„ALLE WURDEN VOM HEILIGEN GEIST ERFÜLLT“

Am heutigen Festtag feiern wir den Anfang der Kirche und ihrer missionarischen Aus- breitung. In der Kraft des Heiligen Geist hat sie begonnen, die Kirche Christi, ist sie zur Weltkirche geworden und hat sie die Völker um den gekreuzigten und auferstandenen Christus versammelt. Sie ist nicht Menschenwerk, sondern Gottes Tat. Aber wer ist dieser Heilige Geist, dem die Kirche ihre Existenz verdankt? Und was bedeutet er für uns heute? Zwei für uns bedeutsame existentielle Fragen.

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Der Heilige Geist ist die dritte Person in Gott, neben dem Vater und dem Sohn. Das un- begreifliche Geheimnis Gottes ist bestimmt von der Dreiheit der Personen. Das erfahren wir durch die göttliche Offenbarung des Alten und des Neuen Testament, zunächst nur in Andeutungen, dann aber in wachsender Deutlichkeit. Die Offenbarung Gottes entfaltet sich in ihrer Geschichte. Mit dem Vater und dem Sohn können wir noch eine gewisse Vor- stellung verbinden, wenngleich wir nicht vergessen dürfen, dass wir mit all unseren Vor- stellungen von Gott immer nur gleichsam den Zipfel seines unendlichen Gewandes be- rühren können, aber bei der Bezeichnung „Heiliger Geist“ da versagt jede Vorstellung. Das ist völlig abstrakt. Darum hat die Heilige Schrift eine Fülle von Namen für ihn, wenn sie ihn das Licht nennt, das Feuer, den Beistand und den Tröster, wenn sie ihn als den Finger Gottes bezeichnet und als den Widerschein der Herrlichkeit Gottes und wenn sie von ihm sagt, dass er den Frieden bringt und die wahre Freude.

Der Gottesgeist ist der Atem Gottes. In der lateinischen wie auch in der griechischen Sprache kommt das zum Ausdruck in seinem Namen: Der Spiritus Sanctus, das Pneuma Hagion, ist der heilige Atem. Der Atem Gottes aber ist gewaltig wie ein Sturmwind. Das bringt die (erste) Lesung des heutigen Festtags zum Ausdruck. Der Atem erhält uns am Le- ben, und er ist ein Zeichen dafür, dass Leben vorhanden ist. Ohne ihn gibt es kein Leben. Unter diesem Aspekt ist der Heilige Geist das innerste Lebensprinzip Gottes, weshalb wir durch ihn am Leben Gottes teilhaben. Das Erste Konzil von Konstantinopel nennt ihn im Jahre 381 den Herrn und Lebensspender. Wenn er der jungen Christengemeinde von Je- rusalem geschenkt wird, so erhält sie in ihm das Leben Gottes und seine Lebenskraft.

Vom Geist Gottes erfüllt waren in der Zeit des Alten Testamentes die Erzväter, die Patriar- chen, die Propheten und alle, die Gott die Ehre gaben. Wer immer in der Heilsgeschichte einen besonderen Auftrag von Gott erhält, bedarf der Lebenskraft des Heiligen Geistes, damit er die Widerstände überwindet, die sich ihm entgegenstellen. Diese Widerstände aber sind nicht wenige, wo immer jemand einen Auftrag Gottes in der Welt gewissenhaft erfüllt, in der Regel. Daher bedurfte auch die Gemeinde von Jerusalem des Heiligen Gei- stes, nachdem Christus nicht mehr in sichtbarer Gestalt bei ihr weilte. Bis in die Gegen- wart hinein ist der Heilige Geist das Siegel der Kirche und der Jünger Christi, bedeutet er für sie doch das Leben Gottes und seine Lebenskraft.

An jenem denkwürdigen Tag, von dem in der (ersten) Lesung die Rede ist, kommt der Heilige Geist in feurigen Zungen auf die Apostel herab. Das Feuer erleuchtet und wärmt, es steht daher für die Wahrheit und die Liebe oder, so kann man es auch sagen, für das rechte Erkennen und für das rechte Wollen.

Der Heilige Geist, der Herr und Lebensspender, er ist die Wahrheit und die Liebe Gottes, er bewahrt uns vor dem Irrtum und der Lüge, und er lehrt uns, dass wir erst in der Liebe das wahre Leben finden. Weil der Heilige Geist die Person gewordene Liebe Gottes ist, deshalb schenkt Gott alles, was er uns schenkt, im Heiligen Geist. Und alles wahrhaft Gute, das wir haben, verdanken wir nicht uns selbst, sondern Gott. Das ist in der natürli- chen Ordnung nicht anders als in der übernatürlichen.

Der Heilige Geist ist die Person gewordene Liebe in Gott, von daher ist er das Herz in Gott und zugleich das Herz der Welt, sofern diese sich nicht abwendet von ihm. Damit sind wir schon bei der zweiten Frage, die wir uns gestellt haben, bei der Frage nach der Bedeu- tung des Heiligen Geistes für uns heute, bei der Frage, was der Heilige Geist, der Herr und Lebensspender, die Wahrheit und die Liebe Gottes, für uns heute bedeutet. Der Geist Gottes führt die Jünger Jesu und die Völker zusammen zum friedvollen Miteinander, und er erfüllt die junge Christengemeinde mit missionarischer Kraft. Alle verstehen einander an diesem Pfingstmorgen, sie sprechen in einer Sprache und sind erfüllt von der Begei- sterung für Gott und für die Ewigkeit. Davon hören wir heute in der (ersten) Lesung aus der Apostelgeschichte. Von dem Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche des Anfangs ist dann beinahe auf jeder Seite der Apostelgeschichte die Rede. Aber nicht immer hat er so spürbar gewirkt in der Kirche wie damals, nicht immer hat er sich so deutlich in der Kir- che entfaltet, wie das am Anfang geschehen ist. Zuweilen konnte man sein Wirken kaum noch wahrnehmen, mitunter schien er die Kirche ganz und gar verlassen zu haben. Das gab es schon in der Kirche des Alten Testamentes. In Israel galten Zeiten, in denen der Geist Gottes sich verborgen hielt, in denen er nicht hervortrat, in denen er nicht wirksam wurde, als Zeiten besonderer Heimsuchung. Solche Zeiten der Heimsuchung kennt auch die Geschichte der Kirche. Heute erfahren wir sie besonders bedrängend, diese Heimsu- chung. Das Verborgensein des Geistes ist das Stigma unserer Zeit geworden, so erscheint es jedenfalls. Denn unser Glaube ist schwach geworden, die Verkündigung der Kirche ist nicht gerade fruchtbar, und weithin fehlt es ihr an der Einmütigkeit. Dabei wird das Ver- trauen zur Kirche immer mehr erschüttert. Zudem gibt es viel Verblendung und Verfüh- rung in der Kirche und ist die innere Einheit der Kirche aufs Ärgste bedroht. Wäre der Geist wirksam in der Kirche und in uns, so gäbe es mehr Leben und Einsatz, weniger Halbheit und Trägheit, mehr Liebe und Friede, weniger Streit und Gehässigkeit.

Wo immer das Christentum zu verbilligten Preisen angeboten wird, wo ein bequemes Christentum gelebt und verkündet wird, wo die Gebote Gottes verwässert werden, wo wir unserem Stolz schmeicheln und unsere Wünsche und Erwartungen an die Stelle des heili- gen Gotteswillens setzen, da ist nicht der Geist Gottes. Da unterdrücken wir sein Wirken. Er ist da, der Heilige Geist, aber wir, die Instrumente seines Wirkens, entziehen uns ihm allzu oft. Der Geist Gottes lebt in der Kirche, heute nicht anders als in der Urgemeinde von Jerusalem. Bei dem Propheten Jesaja lesen wir: „Der Arm Gottes ist nicht kürzer ge- worden“ (Jes 59, 1). Im Buch der Weisheit heißt es (1, 7): „Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis“. Das gilt auch heute. Aber der Geist Gottes wirkt nicht ohne uns, er benutzt uns, die Menschen, er benutzt uns als freie Werkzeuge. Wir müssen uns führen lassen von ihm, wie das Kind sich führen lässt von der Hand der Mutter. Wir müssen fügsam werden für ihn, empfänglich werden für sein Wirken.

Im Anschluss an die erste Pfingstpredigt des heiligen Petrus fragen die Zuhörer ihn: Was müssen wir tun? Damals lautete die Antwort: Bekehrt euch und lasst euch taufen, damit ihr den Heiligen Geist empfangen könnt (Apg 2, 37 f). Heute müsste die Antwort lauten: Bekehrt euch, glaubt der Botschaft der Kirche, betet um die Gaben des Heiligen Geistes und stellt euch in den Dienst dieses Geistes. Allzu oft verblendet der Stolz die Augen un- seres Geistes. An diesem Pfingstfest sollten wir beten vor allem um die Geistesgaben der Weisheit, der Frömmigkeit, der Gottesfurcht und der Stärke.

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Die junge Christenheit empfing einst den Heiligen Geist, nachdem sie neun Tage hindurch um ihn gebetet hatte, zusammen mit Maria, der Mutter Jesu. Das Gebet um den Heiligen Geist in der Gemeinschaft mit Maria, der Mutter Jesu, das ist für uns heute wichtiger noch als damals am Anfang, denn die erste Mission ist immer leichter ist als die zweite, der Wiederaufbau ist immer mühsamer als der Aufbau. Das Gebet um den Heiligen Geist in der Gemeinschaft mit der Mutter Jesu sollten wir täglich üben. Der Heilige Geist ist der Herr und Lebensspender, die Wahrheit und die Liebe Gottes. Er schenkt uns, wenn wir uns ihm öffnen, Treue im Glauben an Christus und seine Kirche und Konsequenz im Handeln aus diesem Glauben. Amen.

 

PREDIGT ZUM 7. SONNTAG DER OSTERZEIT, GERHALTEN AM 24. MAI 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„BEWAHRE SIE IN DER TREUE, HEILIGE SIE
IN DER WAHRHEIT“

Das Evangelium des heutigen Sonntags ist einem feierlichen Gebet entnommen, mit dem Je- sus die Abschiedsreden, wie sie uns über vier Kapitel hin im Johannes-Evangelium übermit- telt werden, zu Ende führt. Wir nennen dieses Gebet das Hohepriesterliche Gebet, weil es pro- grammatisch ist für den Hohenpriester des Neuen Bundes, der im Begriff ist, sich selbst als Opfer darzubringen. Um zwei Dinge bittet er seinen himmlischen Vater in diesem Gebet in feierlichen Worten, zum einen darum, dass er die Jünger, die sein Werk weiterführen sollen in der Welt - gemeint sind wohl die zwölf Jünger, die er besonders bevorzugt hat -, dass er sie in der Treue bewahre, zum anderen darum, dass er sie in der Wahrheit heilige. Dabei weitet sich sein Blick auf alle, die durch ihr Wort zum Glauben kommen, also auch auf uns, die wir so weit weg sind von den denkwürdigen Ereignissen, die sich “in jener Zeit” zugetragen haben. Auch für uns betet er: „Bewahre sie in der Treue und heilige sie in der Wahrheit”.

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Der Hohepriester bittet darum, dass seine unmittelbaren Jünger und wir mit ihnen in der Treue zum Namen Gottes bewahrt werden, das heißt: in der Treue zu Gott, denn der Name steht für die Person. Treu sein heißt: den Anfang nicht vergessen, zu dem stehen, was man einst gesagt und getan hat, die Verbindung bewahren zu der Vergangenheit, aus der man gekommen ist. Das setzt Nachdenken voraus, aber auch Selbstlosigkeit und Sinn für Gerechtigkeit, Eigenschaften, die heute nicht gerade sehr verbreitet sind. Vom Nachdenken hält man heute nicht viel und von der Vergangenheit noch weniger. Das Gleiche gilt  für die Selbstlosigkeit und für die Gerechtigkeit, obwohl man immer wieder gerade um die Selbstlosigkeit und um die Gerechtigkeit viele und große Worte macht.

Die Treue wird in unserer Welt nicht sehr hoch veranschlagt. Darauf werden wir immer wieder gestoßen, wenn wir die Augen aufmachen, nicht nur im Bereich von Ehe und Familie, wenngleich es da wohl am augenfälligsten ist. In allen zwischenmenschlichen Verhältnissen begegnet uns heute eine Geringschätzung der Treue, die geradezu fatal ist, gleichgültig, ob sie mehr von der Person oder mehr von der Sache her bestimmt sind. Die Abwendung von der Treue und ihre Geringschätzung, immer mehr begegnet uns das heute auch im Verhältnis des Einzelnen zu sich selbst. Wer sich selber untreu geworden ist, der hat das veloren, was wir die eigene Identität nennen. Genau das aber ist eine in unserer Welt sich mehr und mehr ausbreitende Erscheinung.

Die Treulosigkeit zeigt sich in der Gegenwart häufig auch in der Prinzipienlosigkeit, in der man nur nach Geschmack und Nützlichkeit entscheidet oder einfach auf jede Entscheidung verzichtet und der Masse hinterherläuft, also mit den Wölfen heult. Das ist das Bequemste, vordergründig betrachtet.

Die Treue aber verpflichtet uns, absolut, wie alle Tugenden uns absolut verpflichten, im Ge- wissen. Und in der Treue zu den Menschen und zu uns selbst sollen wir die Treue zu Gott einüben. Wer nicht treu ist zu sich selbst und zu den Menschen, wie will der Gott die Treue halten?

Der Hohepriester, der hier betet, er weiß, dass die Treue seiner Jünger besonderen Bela- stungen ausgesetzt sein wird, denn in ihrer Treue werden sie dem Hass der Welt begegnen, ihrer Feindseligkeit und der Verfolgung durch sie. Ja, ihre Treue wird ihnen teuer zu stehen kommen, sie werden sie mit dem Tod bezahlen müssen, mit dem physischen Tod. Auch wir müssen unsere Treue unter Umständen mit dem Tod bezahlen, dem physischen oder eher noch mit dem geistigen. Allein, das Martyrium des Geistes kann schlimmer sein als das Mar- tyrium des Leibes. Aber die Liebe Gottes wiegt allen Hass der Welt auf. Die aber wird uns zuteil in überschwänglicher Weise, wenn wir treu sind.

Wenn der Hohepriester in diesem Zusammenhang den Judas erwähnt, so tut er das, um uns zu warnen: Die Versuchung zur Treulosigkeit ist groß. Wie viele sind dem Judas gefolgt in seiner Treulosigkeit und wie viele folgen ihm darin auch heute! Die Folgen sind schwerwie- gend. Judas wird der Sohn des Verderbens genannt.

Die zweite Bitte des Hohenpriesterlichen Gebetes geht auf die Heiligung der Jünger in der Wahrheit. Wahrheit und Treue gehören eng zusammen. Wer die Wahrheit unbeirrt sucht und sich nicht von der Lüge betören lässt, der wird auch treu sein, der wird in der Treue aushar- ren, auch unter widrigen Umständen. Welche Bedeutung die Wahrheit hat, das erkennen wir am besten an ihrem Gegenteil, an der Lüge. Die bestrickende Macht der Lüge in unserer Welt ist ein lebendiges Zeugnis für die Ohnmacht der Wahrheit in der Gegenwart. Aber was ist Wahrheit? So fragen viele, um sich dem Anspruch der Wahrheit zu entziehen.

Die entscheidenden Wahrheiten, denen man heute den Kampf angesagt hat, das sind die Wahrheiten von der Geschöpflichkeit des Menschen und von seiner Verantwortlichkeit, das sind die Wahrheiten von der Sünde, von der Erlösung und von der Gnade. An ihre Stelle setzt man die Lüge von der Selbstherrlichkeit des Menschen, von seiner Autonomie und von seiner Souveränität.

Wir müssen schon die Augen weit aufmachen, um die Lüge in ihren vielfältigen Schattie- rungen und Ausdrucksformen in unserer Zeit zu erkennen, denn seit den Urtagen der Mensch- heit verhüllt sie sich im Gewand der Tugend.

Man hat die Medien, die Massenkommunikationsmittel, das Fernsehen, den Rundfunk und die Zeitungen und Zeitschriften, die Großmächte unserer Zeit genannt. In der Tat, sie haben eine gewaltige Macht. Sie sind mächtiger als das Geld und mächtiger als die Wirtschaft. Sie machen die öffentliche Meinung und bestimmen das Denken der Massen. Leider kann man nicht sagen, dass die, die darin zu Wort kommen, immer ein hohes Ethos haben, dass sie gewissenhaft die Wahrheit verkünden, die Wahrheit von Gott und die Wahrheit vom Menschen. Wir beten für gute Priester- und Ordensberufe, das sollten wir tun, aber das Gebet um gewissenhafte Journalisten ist wichtiger, denn die Zahl der guten Priester und der Ordensleute geht deshalb zurück, weil die Lüge so oft das Szepter führt, weil die Lüge so oft als Wahrheit verkauft wird, im Großen wie im Kleinen. Die Unterscheidung von Wahrheit und Lüge ist in vielen Fällen schwer, gewiss, aber noch schwerer ist es, der Lüge zu widerstehen, zumindest wenn ihr so viele nachlaufen.

Wenn man den Statistiken Glauben schenken darf, ist bei den Verantwortlichen für die Me- dien die Zahl der dezidierten Atheisten ungleich höher als bei den Vertretern anderer Be- rufsgruppen. Wie aber will man die rechte Einsicht haben, wenn man Gott nicht Gott sein lässt und den Menschen nicht Mensch sein lässt?

Wir müssen kritisch hören, sehen und lesen. Noch besser ist es manchmal, wenn man gar nicht sieht oder hört oder liest. Denn wir brauchen notwendig auch eine Hygiene der Phan- tasie und des Denkens. Nicht jeder kann alles verkraften: Wer steht, der sehe zu, dass er nicht falle.

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Der Hohepriester betet im Evangelium, dass Gott seine unmittelbaren Jünger und uns in der Treue bewahre und in der Wahrheit heilige. Wenn sein Gebet nicht wirksam ist, so liegt es an uns. Es gilt, dass wir alle nicht auf die anderen schauen, dass wir in Verantwortung vor Gott unseren eigenen Weg gehen. Die fehlende Konsequenz ist die entscheidende Misere der Kirche und des Christentums, jener Pragmatismus, in dem wir uns allzu oft der modernen Diktatur des Relativismus unterwerfen. Amen.

 

PREDIGT ZUM FEST DER HIMMELFAHRT CHRISTI, GEHALTEN AM 21. MAI 2009
IN FREIBURG, ST. MARTIN

„PILGER UND FREMDLINGE SIND WIR IN DIESER WELT“

Das Wesen des heutigen Festtags bringt in prägnanter Weise die Präfation dieser heiligen Messe zum Ausdruck, wenn es da heißt: „Er kehrt zu dir heim, nicht um uns zu verlassen, und er gibt den Gliedern seines Leibes die Hoffnung, ihm dorthin zu folgen, wohin er selbst voausging”. Darin werden zwei Gedanken angesprochen: Der Auferstandene bleibt bei uns trotz seiner Himmelfahrt, und immer ist er bei uns in geheimnisvoller Weise, wie er es seinen Jüngern einst verheißen hat, und er hat uns den Weg zum Himmel vor- gezeichnet und bereitet, weshalb wir uns nur als Pilger und Fremdlinge in dieser Welt recht verstehen können.

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Die Überzeugung von der wirksamen Gegenwart des verklärten Christus in dieser Welt ist für uns von großer Tragweite. Bei der Aussendung seiner Jünger erklärt der Auferstandene fei- erlich: „Ich bin bei euch alles Tage bis an das Ende der Welt“. Aus dem Glauben an diese Verheißung empfing die Urkirche und empfingen vor allem die Urzeugen Jesu außergewöhnliche Kraft: einen unüberwindlichen Optimismus und eine nicht erlahmende Einsatzbereitschaft und unbezwingbare Freude als Grundakkord ihres Lebens. Bei all ihren Unternehmungen wussten sie den Auferstandenen in ihrer Mitte. Mit ihm eroberten sie nun die Welt für ihn. Ihr Leben war bleibend geprägt von der österlichen Freude. Sie wussten, dass sie durch seine Auferstehung und seine Heimkehr zum Vater in einer umfassenderen und intensiveren Weise seine Jünger geworden waren. Nach seiner Himmelfahrt waren sie ihm nun inniger verbunden als in seinen Erdentagen. Und es ging ihnen vieles auf, das sie bisher nicht recht einzuordnen gewusst hatten, ganz neue Per- spektiven eröffneten sich ihnen, und seine neue Existenzweise brachte ihnen wirksamere Hilfe als zuvor. Darum konnte sie dieser Abschied nicht traurig machen, wie man zunächst hätte vermuten können.

Von der Hoffnung, der Freude und dem Mut der Jünger Jesu am Tag der Himmelfahrt ihres Meisters, davon muss auch unser Leben bestimmt sein, vor allem dann, wenn wir uns einsam vorkommen in unserer Welt und verlassen, wenn wir in unserem Bemühen um die Wahrheit und um das Gute erfolglos sind und wenn dieses unser Bemühen fruchtlos erscheint, wenn wir verkannt werden von den Menschen, wenn der Widerstand gegen die Wahrheit und gegen das Gute allzu groß wird und wenn die Schamlosigkeit und die Unverfrorenheit des Bösen uns gar den Atem zu nehmen drohen. Ist die Situation auch noch so verfahren, ange- sichts der Gegenwart des Herrn, der uns erlöst und der uns nicht verlassen hat, der bei uns ist bis zu jener Stunde, in der er wiederkommt in Macht und in Herrlichkeit, haben wir nie einen Grund aufzugeben, können wir immer wieder Mut fassen.

Die Himmelfahrt des Herrn erinnert uns nicht nur an das lebendige Wirken des auferstande- nen Christus inmitten dieser Welt, die uns oft so sehr von Gott verlassen zu sein scheint, sie erinnert uns auch an das Ziel unseres Lebens, an jene Zukunft, in deren Dienst unsere Gegen- wart stehen soll. Wir sind Pilger in dieser Welt und infolgedessen Fremdlinge, unsere Heimat ist der Himmel, so sagt es der Hebräerbrief nüchtern und klar (Hebr 11, 13). Diese unsere Heimat aber fällt uns nicht in den Schoß. Der Himmel ist nicht eine Kleinigkeit, die wir uns gleichsam in letzter Minute für ein Paar Pfennige kaufen können. So sehen es manche heute. Aber sie täuschen sich, der Schächer, der erst fünf Minuten vor zwölf gerettet wurde, ist die Ausnahme, nicht die Regel.

Es ist heute Mode geworden, über die Barmherzigkeit Gottes seine Gerechtigkeit zu verge- ssen und die Mühsal des Weges zu Gott zu verdunkeln. Leichfertig machen wir alle zu Heiligen, schon die Lebenden, erst recht die Toten. So geschieht es immer wieder in Todesanzeigen, wenn überhaupt noch ein religiöser Gedanke Raum findet in ihnen: Alle kommen in den Himmel, gleichgültig, ob sie sich darum bemühten in ihrem Leben, auch die kommen hinein, die gar nicht hinein wollten in ihn, ja, sogar die, die ihn dezidiert geleugnet haben. Wir müssen darin eine subtile Auflösung des Evangeliums erkennen, das zwar eine Frohbot- schaft ist, das eine solche aber nur für die ist, die guten Willens sind. Dass es am Ende allen gleich ergeht, das ist nicht die Sprache der Offenbarung. In ihr ist die Rede von dem schma- len und steilen Weg, der zum Leben führt.

Nicht von ungefähr verlässt der auferstandene Christus die Seinen auf dem Ölberg in Jerusa- lem, dort, wo er wenige Wochen zuvor sein bitteres Leiden begonnen hat. Damit will er sie und uns daran erinnern, dass der Weg zum ewigen Leben, zur Vollendung, durch das Leid führt, durch das Leid, das wir im Blick auf ihn, auf Christus, und im Blick auf sein Kreuz tapfer ertragen, durch unseren Einsatz für die Wahrheit und für das Gute, den wir leisten unge- achtet aller Rückschläge und Enttäuschungen, durch die treue Nachfolge des gekreuzigten Christus und durch die Teilhabe an seiner Schmach. „Musste nicht Christus, der Erlöser, all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit einzugehen?“ So hatte einst der auferstandene Christus die Emmaus - Jünger gefragt. Leiden um Christi und seiner Kirche willen, das ist der Weg, auf dem auch wir zur Vollendung finden. Verschmä- hen wir das, dann haben wir keinen Grund zur Hoffnung, dann wird unsere Hoffnung zur Vermessenheit.

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Wir sind stets geneigt, auf uns selber zu bauen und sesshaft zu werden in dieser Welt, so als blieben wir immer darin. Beides aber ist töricht und gefährlich. Das Himmelfahrtsfest will uns daran erinnern, dass wir auf den bauen sollen, der bei uns ist alle Tage bis an das Ende der Welt, und dass wir nicht vergessen, dass wir Pilger und Fremdlinge sind in dieser Welt (Hebr 11, 13). Das Ziel erreichen wir nur, wenn wir die Mühsal des Weges auf uns nehmen und uns der Gnade Gottes öffnen und mit ihr uns einsetzen für die Wahrheit und für das Gute. In der Heimkehr Christi zum Vater ist unsere Heimkehr vorgebildet. Dafür danken wir heute. Amen.