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VON DER RATIO ZUR FIDES

EIN THEOLOGISCHES CREDO

von Prof. Dr. Joseph Schumacher

Die Durchführungsbestimmungen zu der Apostolischen Konstitution “Sapientia christi- ana” vom 29. April 1977 unterstreichen die Notwendigkeit der rationalen, der vernünf- tigen Auseinandersetzung mit dem Atheismus, mit den Religionen und mit den christli- chen Konfessionen, also die philosophische Auseinandersetzung mit der Gottesfrage und die theologische Auseinandersetzung mit der Vielzahl der Religionen und Konfe- ssionen. Die Konstitution sieht darin zentrale Themen der rationalen Glaubens- be- gründung, näherhin des Anspruchs der Kirche, Gottes Botin oder Sachwalterin der Offenbarung Gottes zu sein (1).

Das Schreiben der Kongregation für das katholische Bildungswesen über die theolo- gische Ausbildung der zukünftigen Priester vom 22. Februar 1976 betont nachdrücklich, der Schwerpunkt der rationalen Rechtfertigung des Glaubens müsse auf den so genann- ten “praeambula fidei” liegen und auf dem Anspruch der Kirche, in ihrer Verkündigung die göttliche Offenbarung authentisch zu vermitteln. Sie hebt hervor, dass der Weg der Argumentation dabei so sein müsse, dass er dem Glaubenden wie auch dem Nichtglau- benden einsichtig werde (2).

Die “praeambula fidei”, das sind die Wahrheiten von der Existenz Gottes, von der un- sterblichen Geistseele im Menschen, von der Freiheit und von der sittlichen Verant- wortung des Menschen, von dem objektiven Wert des menschlichen Erkennens und von der metaphysischen Tragfähigkeit der menschlichen Erkenntnis, um nur die wichtigsten zu nennen.

Hierher gehört auch das Verhältnis von Wissen und Glauben, von natürlicher und über- natürlicher Erkenntnis, die Frage der doppelten Erkenntnisordnung, die Frage der zwei Erkenntnisweisen, die das Erste Vatikanische Konzil nachdrücklich hervorhebt.

Im Januar 1984 forderten die deutschen Bischöfe in einem Schreiben mehr Philosophie im Theologiestudium (3). Welchen anderen Sinn sollte die Philosophie für den Theolo- gen haben als den, dass sie rational den Weg zum Glauben ebnet? Im Rahmen dieses Schreibens wird demgemäß die entscheidende Aufgabe der Theologie darin gesehen, dass sie den Glauben der Kirche reflektiert und in Verantwortung vor der menschlichen Vernunft und vor dem Denken der jeweiligen geschichtlichen Epoche auslegt (4).

Nachdrücklich betont auch der Theologe Karl Rahner (+ 1984), dass an der Möglich- keit sowie an der Notwendigkeit einer rationalen Glaubensbegründung nicht gezweifelt werden könne (5). Dabei muss man wissen, dass dessen Liebe eigentlich dem Subjekt gehört, weshalb es ihm in erster Linie um die Bedingungen der Möglichkeit der Annah- me der Offenbarung auf Seiten des Menschen geht, womit dann jedoch nicht die Glaubwürdigkeit der Offenbarung nachgewiesen ist.

Bereits in der Väterzeit ist ein wesentlicher Punkt der Apologie die Auseinandersetzung mit dem Vorwurf, die Christen nähmen den Glauben ohne hinreichende Gründe an. Es geht hier um die Außenstehenden, um Argumente, die auch diese überzeugen, nicht nur die schon Gläubigen (6). Der Kirchenvater Augustinus (+ 430) erklärt: “Niemand glaubt etwas, wenn er nicht zuvor eingesehen hat, dass das geglaubt werden muss” (7).

Stets war es die Überzeugung der Kirche, dass der Glaube ein vernunftgemäßer Akt ist und als solcher auch aufgewiesen werden kann (8). Das kann freilich nicht bedeuten, dass der Grund zum Glauben vom Glauben selber dispensiert, weil der Glaube ja immer eine freie Tat ist. Allein, man lässt sich auf ihn nicht ein und man darf sich auch nicht auf ihn einlassen ohne eine vernünftige Begründung. Mit anderen Worten: Der Glaube hat eine rationale Struktur, ungeachtet der Tatsache, dass der Übergang vom Unglau- ben zum Glauben nicht zustandekommt, ohne dass die Gnade des “lumen fidei” zur Wirkung kommt. Eben diese rationale Struktur des Glaubens muss aufgezeigt werden durch die Theologie (9).

Wenn man dem Ungläubigen etwas sagen will, was in seinen Augen zählt, kann das nur auf dem Fundament der “ratio” geschehen. Das heißt: Wenn man ihm den Glauben nahe bringen will, muss man ihm dessen rationale Struktur aufzeigen. Auf die “ratio” kann man aber auch nicht verzichten, wenn man den Christen in seinem Glauben be- stärken will gegenüber dem ihn umgebenden Atheismus oder gegenüber den nicht- christlichen Religionen, wenn man den katholischen Christen bestärken will in seinem Glauben gegenüber den zahlreichen christlichen Denominationen, wie sie sich in den Jahrhunderten gebildet haben (10).

Die Notwendigkeit der rationalen Glaubensrechtfertigung ergibt sich erstens aus der Tatsache, dass Gott der Schöpfer der Natur und auch des übernatürlichen Bereiches ist, weshalb es keine Diskrepanz geben kann zwischen der natürlichen und der überna- türlichen Erkenntnis, zwischen dem Wissen und dem Glauben, wir sprechen hier von dem ontologischen Argument, zweitens aus der Tatsache, dass der Mensch ein rationa- les Wesen ist, weshalb er seine Meinungen, Einstellungen und Haltungen stets rational überprüfen muss, wir sprechen hier von dem anthropologischen Argument, und drittens ergibt sich diese Notwendigkeit, die Notwendigkeit der rationalen Rechtfertigung des Glaubens, aus der Tatsache, dass auch der Unglaube sich auf die "ratio" stützt und folglich auch nur von daher eine Antwort erhalten kann, wir sprechen hier von dem apologetischen Motiv.

Die drei Grundfragen der rationalen Glaubensbegründung sind die Frage nach Gott und nach dem sich offenbarenden Gott, die Frage nach der konkreten Offenbarung Gottes im Alten und im Neuen Testament und die Frage nach der Kirche. Es geht dabei um den Aufweis der Religion und ihres entscheidenden Gegenstandes, um den Aufweis des Christentums als göttlichen Ursprungs und um den Aufweis der Kirche als Stiftung Christi und durch Gott legitimierte Sachwalterin der Offenbarung, sofern sie das Werk Christi authentisch fortführt in der Welt.

Die entscheidende Frage ist dabei die nach der Kirche. Ist die Kirche Gottes Pflanzung oder ist sie ein menschliches Konstrukt oder einfach das Ergebnis geschichtlicher Ent- wicklung? Ist sie menschlichen Ursprungs oder göttlichen Ursprungs? Ist jene sozio- logische Größe, die wir Kirche nennen, Vermittlerin einer Kunde von Gott, die einzig- artig ist in der Welt, und wirkt Gott in ihr das Heil der Menschen in normativer Weise, oder ist sie eine rein menschliche Institution, eine unter vielen, und erhebt sie sie einen Anspruch, den sie nicht verifizieren kann?

Diesen Fragen´voraus liegt freilich die Gottesfrage, die letztlich noch bedeutender ist als die Fragen, die sich um die Kirche drehen, weil sie umfassender ist und weil heute bereits bei ihr die Würfel fallen. Denn wenn Gottes Existenz nicht verifizierbar ist, erübrigen sich alle anderen Fragen, die die Religion, das Christentum unf die Kirche betreffen.

In solcher Reflexion dürfen die subjektiven Momente im Glaubensakt nicht außer Acht gelassen werden, die affektiven und ethischen Bedingungen des Glaubensaktes, die der rationalen Erörterung gegebenenfalls als Blockaden vorausliegen. Nicht selten sind sie es, die den Zugang zur rationalen Gotteserkenntnis von vornherein verhindern, sich jedoch als rationale Bedenken tarnen.

Unumgänglich ist heute im Hinblick auf die rationale Begründung des christlichen Glaubens eine stärkere Einbeziehung des biblischen Zeugnisses sowie ein Ökumene der Religionen und der Konfessionen.

In der rationalen Rechtfertigung des Glaubens kann man sich nur historischer und phi- losophischer Argumente bedienen. Nur mit ihnen kann der vorgläubige Mensch etwas anfangen. Es geht dabei um die vernünftige Grundlegung des Glaubens nach innen hin und um seine Verteidigung nach außen hin. Das eine ist die positive Aufgabe der Be- gründung des Glaubens, das andere die negative. Dabei muss die “rechte Vernunft”, die “recta ratio”, wie das I. Vatikanische Konzil sagt, die Fundamente des Glaubens aufzeigen (11) .

Es ist die Vernunft, die den Menschen zu Gott und zur Annahme seiner Offenbarung führt. Aufschlussreich ist es, wenn in Goethes Faust der Teufel im Blick auf den Wissensekel des Titelhelden sagt: “Verachte die Vernunft und Wissenschaft, des Menschen allerhöchste Kraft, so hab ich dich schon unbedingt” (12). Glauben zu schen- ken, ohne zu prüfen, ob es angemessen ist, sich so zu verhalten, ist nicht nur leicht- sinnig, sondern auch unmoralisch. Ein blinder Glaube ist nicht nur eine Verfehlung ge- gen die Vernunft, sondern auch gegen die ethische Verantwortung, die der Mensch trägt und gegen sein Gewissen. Wie die Gnade die Natur voraussetzt, so setzt der Glaube die Prüfung seiner Glaubwürdigkeit durch die Vernunft voraus (13).

Beim Glauben im theologischen Sinn handelt es sich um einen Autoritätsglauben, um einen Zeugenglauben, nicht um ein Meinen und auch nicht um eine philosophische Option hinsichtlich der letzten tragenden Gründe unseres Daseins bzw. hinsichtlich der Sinnerfüllung des menschlichen Daseins. Der Glaube ist von daher als Gehorsam zu verstehen, als Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes. Als solcher setzt er voraus, dass die Behauptung, Gott spreche durch den Offenbarungsmittler, vernünftigerweise als glaubwürdig erwiesen ist. Das entscheidende Momnt ist dabei dann die Kirche, sofern sie sich als Botin Gottes ausweisen, sofern sie ihren Anspruch, die authentische Botin, das authentische Sprachrohr Gottes zu sein, rechtfertigen muss.

Es ist nicht zu leugnen, dass die Glaubensbegründung stets in der Gefahr ist, anstelle von personaler Gewissheit sachhafte Sicherheit zu suchen, dass sie Beweise vorlegen will, wo sie nur Zeichen finden kann (14). Das darf jedoch nicht dazu verleiten, dass man sie als solche in Frage stellt.

Ausdrücklich vertritt das Lehramt der Kirche eine vernünftige Begründung der Glau- benszustimmung, wenn es sich im 19. Jahrhundert abgrenzt gegenüber dem Fideismus und dem Traditionalismus (15).

Glaubwürdigkeitskriterien müssen den Glauben vorbereiten, während der eigentliche Glaubensgrund die Autorität des sich offenbarenden Gottes ist. Die Glaubwürdig- keitskriterien sollen und wollen nicht den eigentlichen Glaubensakt, der ein personaler Akt ist, ersetzen, wohl aber sollen sie ihn vor der Vernunft, vor dem Gewissen und vor der Verantwortung des Menschen rechtfertigen.

Bei all dem ist freilich nicht aus dem Auge zu verlieren, dass die Argumente keine Überzeugungskraft haben, wenn der Gesprächspartner sich ihnen gegenüber ver- schließt. Die subjektive Einstellung ist von großer Bedeutungin den Fragen des Glaubens. Das betonen bereits die Kirchenväter. So lesen wir bei Johannes Chrysosto- mus (+ 407) lesen wir: “Ein schlecht disponierte Seele lässt sich durch keines dieser Dinge (es ist da von den Zeichen und Wundern die Rede, mit denen Gott seine Offen- barung und seine Kirche ausgestattet hat) überzeugen; eine wohl disponierte dagegen nimmt alles gläubig auf und bedarf derartiger Dinge überhaupt nicht” (16).

Es geht hier um die Frage der Glaubwilligkeit des Subjektes. Das ist ein Aspekt, den man seit dem Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der wachsenden Skepsis gegenüber objektiver Erkenntnis mehr und mehr in den Blick genommen hat. Damals entwickelte sich unter dem entscheidenden Einfluss von Maurice Blondel (+ 1949) eine Art von sub- jektiver Apologetik, die “die menschliche Existenz in ihrer Offenheit auf das Absolute zum Ausgangspunkt” nahm und “eine verborgene Analogie zwischen der Struktur des menschlichen Daseins und dem Anruf der Gnade zum Vorschein” (17) brachte. Für die- se neue Methode bürgerte sich der Begriff “Immanenzapologetik” ein, der freilich missverständlich ist (18). Die Betonung der subjektiven Komponenten im Glaubens- akt ist legitim, in jedem Fall, und sie ist notwendig, man darf es jedoch nicht dabei be- wenden lassen oder gar nur den subjektiven Komponenten Legitimität zuerkennen und eine objektive Grundlegung des Glaubens für überflüssig oder gar für unmöglich erklären.

Der Immanenzapologetik geht es nicht um die objektive Wahrheit des Christentums, sondern um dessen Wertfülle. Durch den Hinweis auf die Wertfülle des Christentums will die Immanenzapologetik den Willen des Menschen zum Wahrhabenwollen der Wahrheit des Christentums und zur Zustimmung zu dieser Wahrheit geneigt machen. Das formale Beweisziel ist dann nicht mehr das “verum”, sondern das “bonum” (19). Es geht hier um die Harmonie zwischen Natur und Gnade und um die Komplementarität zwischen der menschlichen Erfahrung und der Heilsbotschaft (20). Da wird dann die Glaubensrechtfertigung als Dialog des christlichen Glaubens mit der menschlichen Er- fahrung verstanden (21). Es ist legitim, wenn in dieser Gestalt der Glaubensrechtferti- gung die affektiven und die voluntativen Momente im Glaubensakt in den Vordergrund gerückt werden, wenn der Blick hier auf die moralische und psychische Beschaffenheit des Adressaten der Verkündigung der Kirche gelenkt und wenn der Blick hier vom Glauben auf den Glaubenden verlagert wird. Die Immanenzapologetik wird im 20. Jahrhundert in je verschiedener Weise weitergeführt durch Karl Rahner (+ 1984) und Johann Baptist Metz und durch deren zahlreiche Schüler. Sie ist legitim, wenn sie nicht die Gnadenhaftigkeit der Offenbarung und die Möglichkeit und die Notwendigkeit einer objetiven Glaubensbegründung in Frage stellt.

Heute ist die Glaubwilligkeit stark beeinträchtigt durch das Phänomen der verdrängten Schuld. Man sperrt sich gegen den Glauben und gegen die rationale Hinführung zum Glauben und kritisiert die Kirche und ihren Anspruch, und man wendet sich gegen eine objektiv ergangene Offenbarung, weil man sich von den mehr oder weniger latent vorhandenen Gewissensbissen befreien will.

Wird der christliche Glaube einseitig idealistisch oder existentialistisch verstanden, gibt es keinerlei Möglichkeit mehr, ihn vor der Vernunft zu verantworten. Dann ist es nicht mehr möglich, ihn  von einer Illusion zu unterscheiden. Das geben nicht wenige Theologen heute expressis verbis zu. So erklärt etwa Rudolf Bultmann (+ 1976), die Unmöglichkeit, den christlichen Glauben von einer Illusion zu unterscheiden, gehöre geradzu wesenhaft  zum Wagnis des Glaubens (22).

Die überkommene Skepsis der Protestanten gegenüber der menschlichen Vernunft begegnet uns heute vielfach auch im katholischen Raum. Die Position der Protestanten im Blick auf eine rationale Glaubensbegründung formuliert Wilhelm Weischedel (+ 1975) so: “Die christliche Behauptung versagt vor der Aufgabe, sich für den zu bewahrheiten, der nicht bereits im Glauben steht. Eben darum ist sie für den Philo- sophierenden, der sich nur das als seine Wahrheit aneignen kann, was sich ihm als einsichtig erweist, unan- nehmbar” (23). Zwar ist dieses Denken  im protestantischen Raum bzw. im Raum der evangelischen Theologie noch heute dominant, in der jüngsten Vergangenheit bahnt sich hier jedoch eine Wende an, wenn man sich nun häufiger der Erforschung der Grundlagen- und Methodenprobleme der Theologie zuwendet. Erinnert sei hier an Namen wie Gerhard Ebeling (+ 2001), Wilfried Joest (+ 1995), Gerhard Sauter, Wolfhart Pannenberg.

In der Gegenwart gibt es religiöse Bewegungen innerhalb und außerhalb der katholi- schen Kirche, die eine starke Abneigung haben gegen jede Form von Vernunftargu- mentation und Religion als Offenheit für Transzendenz verstehen. Sie sind skeptisch gegen jede Form von Vernunft im Raum des Religiösen und vertreten uneinge- schränkt den Primat des irrationalen Erlebens, mehr oder weniger. Sie werden be- stimmt von ekstatischen Gemeinschafts- und Weltgefühlen, von stimmungstragender Erfahrbarkeit und Erlebbarkeit (24). Dabei werden sie vielfach besonders ange- sprochen durch die fernöstliche Meditationspraxis. Hinter diesem Phänomen wird das Bedürfnis vieler unserer Zeitgenossen erkennbar, sich von den durchrationalisierten Zwängen unserer gesellschaftlichen Lebens- und Arbeitswelt zu befreien, zum eigenen Ich zurückzukehren und so wieder zum Urgrund allen Seins zurückzufinden. Typisch für solche Bewegungen ist das Bemühen um Spontaneität, Kreativität, Sensibilität, Ge- meinschaft, religiöse Erfahrung und Bewusstseinserweiterung, das man in den östlichen Religionen eher finden zu können vermeint als im Christentum. Innerhalb des Christen- tums begegnet uns diese Tendenz vor allem in der Pfingstbewegung, in der man pro- grammatisch die unmittelbare Erfahrung des pfingstlichen Gottesgeistes sucht, die als solche durch alle Konfessionen hindurchgeht.

Festzuhalten ist: Während uns früher vielfach eine leichtfertige Apologetik begegnete, die überall “Triumphe” für Gott und für die Kirche verbuchte, verfällt man heute eben- so oft in einer grundsätzlichen Anti-Apologetik dem entgegengesetzten Extrem, wenn man nicht einmal mehr offenkundige Realitäten, die der Rechtfertigung Gottes, des Christentums und der Kirche dienen, zur Kenntnis nehmen will, wenn sie der Rechtfer- tigung Gottes, des Christentums und der Kirche dienen. So erklärt etwa der holländi- sche Theologe Edward Schillebeeckx - und mit ihm tun es viele andere -, es gebe die Möglichkeit einer Welt ohne Gott, eine Gesellschaft ohne Gott ermangele durchaus nicht der Ethik und es sei schwer für den Christen, die Existenz Gottes zu begründen.

Demgegenüber ist jedoch zu konstatieren, dass gerade gegenwärtige konkrete Erfah- rungen es uns zeigen, dass es eine gerechte, ethische und ausgewogene  Welt nicht gibt ohne Gott, dass eine Gesellschaft, die allein auf den Prinzipien des agnostizistischen und atheistischen Humanismus gegründet ist, keine Zukunft hat, dass sie im Chaos ver- sinkt und zusammenfällt. Zu verweisen ist hier auf die unbeantwortete Sinnfrage und ihre Folgen, speziell bei den jungen Menschen, auf die psychische Traumatisierung der Kinder, auf die Verfallenheit vieler junger Menschen an die Drogen, auf das gesell- schaftlich verhängnisvolle Phänomen der totalen Verweigerung, auf die wachsende Kri- minalität, auf das Phänomen der Abtreibung sowie auf das Phänomen der Euthanasie. Wohin eine Welt ohne Gott führt, das wissen heute jene, die über Jahrzehnte hin ver- sucht haben, eine neue Welt gegen Gott, gegen die Religion, gegen das Christentum und gegen die Kirche zu konstruieren, die einst jede religiöse Rede für anachronistisch gehalten haben und heute allein in der Anerkennung Gottes und in der Verantwortung des Menschen vor ihm sowie in der Religion oder gar im Christentum ein Heilmittel für die Wunden der Zeit sehen, die heute erkennen, dass allein die Wiederentdeckung der Dimension des Heiligen die immer bedrängender werdenden Fragen der Zeit zu lösen und das bedrohte Humanum zu retten vermag (25).

Der Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal (+ 1662) sagt im Hinblick auf die ratio- nale Fundierung des Glaubens: “Es gibt genug Licht, um die Auserwählten zu erleuch- ten, und genug Dunkelheit, um sie zu demütigen” (26). Er stellt fest: “Für die, die nichts wünschen, als zu sehen, ist Licht genug, und Finsternis genug ist für die, die entgegen- gesetzt gestimmt sind” (27).

1. Sapientia christiana, n. 51; vgl. Joseph Schumacher, Rationale Glaubensrechtferti- gung heute, in: Anton Ziegenaus, Franz Courth, Philipp Schäfer, Veritati catholicae, Festschrift für Leo Scheffczyk, Aschaffenburg 1985, 117.

2. Joseph Schumacher, Rationale Glaubensrechtfertigung heute, in: Anton Ziegenaus, Franz Courth, Philipp Schäfer, Veritati catholicae, Festschrift für Leo Scheffczyk, Aschaffenburg 1985, 116 f.

3. Mehr Philosophie im Theologiestudium, in: Herderkorrespondenz 38, 1984. 557-559; vgl. Joseph Schumacher, Rationale Glaubensrechtfertigung heute, in: Anton Ziegenaus, Franz Courth, Philipp Schäfer, Veritati catholicae, Festschrift für Leo Scheffczyk, Aschaffenburg 1985, 117.

4. Joseph Schumacher, Rationale Glaubensrechtfertigung heute, in: Anton Ziegenaus, Franz Courth, Philipp Schäfer, Veritati catholicae, Festschrift für Leo Scheffczyk, Aschaffenburg 1985, 117.

5. Karl Rahner, Hörer des Wortes, München 21963, 31.

6. Joseph Schmitz, Die Fundamentaltheologie im 20. Jahrhundert, in: Herbert Vorgrim- ler, R. van der Gucht, Hrsg., Bilanz der Theologie im 20. Jahrhundert II, Freiburg 1969, 197; Adolf Kolping, Fundamentaltheologie I, 36 ff; Hans Pfeil, Einführung in die Philo- sophie. Ihre Bedeutung für Mensch und Kultur, Aschaffenburg 1975 (4. Auflage), 221; Joseph Schumacher, Rationale Glaubensrechtfertigung heute, in: Anton Ziegenaus, Franz Courth, Philipp Schäfer, Veritati catholicae, Festschrift für Leo Scheffczyk, Aschaffenburg 1985, 118.

7. Augustinus, De praedestinatione sanctorum 2,5: “Nullus quippe credit aliquid, nisi prius cogitaverit esse credendum”.

8. Henri Bouillard, Die menschliche Erfahrung und der Ausgangspunkt der Fundamen- taltheologie, in: Concilium 1, 1965, 493 f.

9. Ebd., 494.

10. Ebd.

11. DS 3019: “Recta ratio fidei fundamenta demonstrat”.

12. Johann Wolfgang von Goethe, Faust I: Der Tragödie erster Teil. In Fausts Stu- dierzimmer: Mephistopheles.

13.  Thomas von Aquin, Summa Theologiae I, q. 2 a. 2 ad 1.

14. Paul Werner Scheele, Jesus Christus - Hoffnung der Welt und Zeichen des Wider- spruchs, in: Glaubensbegründung heute (Botschaft und Lehre. Veröffentlichungen des Katechetischen Institutes der Universität Graz), Graz 1970, 95.

15. DS 2751 - 2756. 2765 - 2768. 3033. 2811- 2814. 2841 - 2847.

16. Johannes Chrysostomus, In Matthaeum Homiliae, Hom. III, 13; ders., In Joannem Homiliae, Hom.VII, 35; Jan Hendrik Walgrave, Das große Missverständnis der Apolo- getik, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 7, 1978, 296; Joseph Schu- macher, Rationale Glaubensrechtfertigung heute, in: Anton Ziegenaus, Franz Courth, Philipp Schäfer, Veritati catholicae, Festschrift für Leo Scheffczyk, Aschaffenburg 1985, 118 f.

17. Karl Lehmann, Apologetik und Fundamentaltheologie. Eine kleine Einführung, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 7, 1978, 291 f.

18. Peter Henrici, Art. Apologetik IV, in: Sacramentum Mundi I, Freiburg 1967, 276 - 280; Joseph Schumacher, Rationale Glaubensrechtfertigung heute, in: Anton Ziegen- aus, Franz Courth, Philipp Schäfer, Veritati catholicae, Festschrift für Leo Scheffczyk, Aschaffenburg 1985, 121 f.

19. Joseph Schumacher, Rationale Glaubensrechtfertigung heute, in: Anton Ziegenaus, Franz Courth, Philipp Schäfer, Veritati catholicae, Festschrift für Leo Scheffczyk, Aschaffenburg 1985, 122.

20. Henri Bouillard, Die menschliche Erfahrung und der Ausgangspunkt der Fundamen- taltheologie, in: Concilium I, 1965, 497 f.

21. Joseph Schumacher, Rationale Glaubensrechtfertigung heute, in: Anton Ziegenaus, Franz Courth, Philipp Schäfer, Veritati catholicae, Festschrift für Leo Scheffczyk, Aschaffenburg 1985, 123.

22. Vgl. dazu Leo Scheffczyk, Katholische Glaubenswelt. Wahrheit und Gestalt, Aschaf- fenburg 1977, 119.

23. Wilhelm Weischedel, Von der Fragwürdigkeit einer philosophischen Theologie, in: Joaquin Salaquarda, Hrsg., Philosophische Theologie im Schatten des Nihilismus, Ber- lin 1971, 162.

24. Bernhard Grom, Gibt es eine neue Religiosität?, in: Karl Rahner, Hrsg., Ist Gott noch gefragt?, Zur Funktionslosigkeit des Gottesglaubens, Düsseldorf 1973, 98-124, bes. 118.

25. Vittorio Messori über Schillebeeckx in der italienischen Tageszeitung "Avvenire" vom 5. Juli 1990).

26. Blaise Pascal, Oeuvres complètes, Hrsg. v. Jacques Chevalier, Paris 1954: Pen- sées, Nr. 582; vgl. Laurenz Volken, Die Offenbarungen in der Kirche, Innsbruck 1965, 237.

27. Blaise Pascal, Oeuvres complètes, Hrsg. v. Jacques Chevalier, Paris 1954: Pen- sées, Nr. 430; vgl. Yves Congar, Die Tradition und die Traditionen I, Mainz 1965, 272 f.